Kapitel 6

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Luca sah, wie seine Hündin, die eben noch kläffend ein paar Vögeln hinterhergerannt war, stehenblieb, die Nase in den Wind hielt und schnupperte, bevor sie losstürmte und ihr Herrchen einfach stehen ließ, welches in der ersten Schrecksekunde außerstande war, zu reagieren.

»Scheiße«, fluchte der Jugendliche leise und pfiff auf den Fingern, um Nala zu sich zurückzurufen. Doch diese ignorierte ihn völlig, rannte immer weiter auf zwei Männer zu, die sich an einem der Teiche im Kyoto Garden aufhielten. Luca beschleunigte seine Schritte und konnte beobachten, wie seine Hündin an dem einen Mann, der vor einer der Bänke stand, die um den Teich herum verteilt waren, vorbeilief und den anderen, der dort Platz genommen hatte, schwanzwedelnd begrüßte. Als würde sie ihn ... kennen. Doch das konnte eigentlich gar nicht sein, oder?

»Was zum Teufel ...?«, entfuhr es dem Jungen leise, bevor er wütend nach dem Hund rief. »Nala! Verdammt noch mal! Komm sofort hierher!«

Das Tier hob kurz den Kopf und sah in die Richtung seines Herrchens, bevor es sich wieder dem Fremden zuwandte und ihn weiter beschnüffelte. Dieser machte selbst auf die Distanz auf Luca den Eindruck, als ob er es nicht wirklich wagen würde sich zu bewegen, als würde er sich ... fürchten. Der Jugendliche konnte zwar das Gesicht des Mannes nicht erkennen, also auch keine Gefühlsregung davon ablesen, weil dieser in die von Luca abgewandte Richtung schaute, aber die Körperhaltung und die war alles andere als entspannt.

Super, ein Mensch, den Hunde in Panik versetzten, hatte dem Blonden noch gefehlt. Wenn er Pech hatte, würde er noch eine Anzeige bekommen, weil er das Tier hatte laufen lassen, was hier eigentlich gar nicht erlaubt war, und offensichtlich auch außerstande war, es unter Kontrolle zu halten. Geschweige denn, dass es hörte, wenn man es rief. Denn so musste das Ganze ja auf Außenstehende wirken.

Dabei war Nala eigentlich gut erzogen und Luca konnte sich nicht erklären, warum sie sich so seltsam verhielt. Er hätte ihr Benehmen ja noch verstehen können, wenn es sich hier um einen Bekannten gehandelt hätte, aber ein völlig Fremder, mitten im Park? Luca war sich nicht sicher, was er davon halten sollte, aber eines war klar, er musste seinen Hund da wegholen, bevor die Situation vielleicht noch eskalierte. Der Junge schnaubte genervt und rief erneut nach Nala, dieses Mal so energisch, dass sie tatsächlich von dem Fremden abließ und zu ihrem Herrchen zurückkehrte.

Luca hatte den Ort des Geschehens fast erreicht und blieb, etwas außer Atem, weil er die letzten Meter gelaufen war, stehen. Er stützte die Hände auf den Oberschenkeln ab und holte erst einmal tief Luft. Die Hündin hielt derweil freudig wedelnd vor ihm an, setzte sich hin und sah zu ihm hoch, als erwarte sie für ihr Verhalten ein Lob. Und dieses bekam sie, wenn auch zähneknirschend, in Form eines Streichelns über den Kopf. Luca hätte Nala zwar am liebsten in der Luft zerrissen, aber eine Bestrafung hätte sie nur falsch verstanden und mit ihrem Zurückkommen verknüpft.

Die Leine am Halsband befestigend, murmelte der Junge: »Du bringst mich in Teufels Küche, Mädchen. Was ist denn bloß los mit dir?« Er hob den Kopf und sah zu den beiden Männern hinüber. Sein Herz klopfte wie verrückt.

»Es ... es tut mir leid. Ich weiß gar nicht, was mit ihr los ist. Das tut sie sonst nicht. Ich hoffe, sie hat Sie nicht schmutzig gemacht, Sir, oder verletzt«, sagte er mit einem leichten Zittern in der Stimme, den Blick auf Nalas Objekt der Begierde gerichtet, welches sich noch immer abgewendet hatte und stocksteif auf der Bank saß.

Stattdessen antwortete sein Begleiter dem Jungen. »Ich denke nicht, dass Ihr Hund meinen Herrn verletzt hat und Schmutz kann man beseitigen. Dafür gibt es Waschmaschinen. Also kein Grund, sich Sorgen zu machen.«

Luca hob den Blick und sah in braune Augen, die ihn freundlich musterten. Ein amüsiertes Schmunzeln umspielte die Lippen des Mannes, der den Jugendlichen um mehr als einen Kopf überragte.

VAMPIRES Book of Eternity I. - White BirdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt