Einige Tage verstrichen, in denen der Vampir sich zwang, nicht an den Jungen zu denken, doch die Konsequenz war, dass er wie ein eingesperrter Tiger durch die Villa streifte, Sebastian vor den Füßen herumlief und vor sich hin knurrte.
Der Butler war schon drauf und dran, die Nerven zu verlieren und seinen Herrn unflätig zurechtzuweisen, als an diesem Morgen das Telefon klingelte und eine Ablenkung für den unleidigen Vampir mit sich brachte.
»Mein Herr?«, Sebastian betrat das kleine Esszimmer, in dem der Adlige ein spätes Frühstück einnahm und im Wirtschaftsteil der Zeitung las.
»Hm?«
»Lady Bramletts Butler hat soeben angerufen. Mylady lädt Euch zum Tee ein, heute nach dem Mittagessen. Ich ließ ihr ausrichten, dass ich Eure Antwort mitteilen würde.«
Der Unsterbliche sah von den Börsenberichten auf und blickte den anderen Mann an. Dieser verzog keine Miene, doch Viktor glaubte zu wissen, dass Sebastian sich sehnlichst wünschte, er würde zusagen, um mal aus dem Haus zu kommen.
»Um den Nachmittag lang über Hunde zu reden?«
»Für etwas Abwechslung. Mit Verlaub, aber Ihr treibt mich in den Wahnsinn mit Eurer Herumlungerei überall da, wo ich putzen oder arbeiten will.« Zerknirscht grinste Sebastian und Viktor fing zu lachen an.
»Okay, okay, du hast ja recht. Nun gut, ich gebe mich geschlagen. Sag ihr zu und besorg' noch ein paar Blumen oder dergleichen, du weißt, zu einer Dame geht man nicht mit leeren Händen.«
Der Butler nickte sichtbar erleichtert und verließ das Zimmer wieder, während der Unsterbliche mit einem schiefen Grinsen sein Frühstücksei köpfte.
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»Mein lieber Graf, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, dass Sie meine Einladung nicht ausgeschlagen haben. Bei dieser vermaledeiten Hitze hätte ich fast gar nicht mit einer Zusage gerechnet.«
Lady Bramlett, Witwe eines einflussreichen Lords aus dem Oberhaus des britischen Parlaments, stand an der Treppe ihres Anwesens in Belgravia, als Sebastian mit dem BMW vorfuhr und anschließend seinem Herrn die Fondtür öffnete.
Der Adlige hatte die Lady vor wenigen Jahren auf einer Charityveranstaltung kennengelernt, einige Monate, bevor ihr zwanzig Jahre älterer Gatte an einem Herzinfarkt gestorben war und sie zu einer reichen Erbin mit Titel gemacht hatte.
Viele, darunter auch Sebastian, munkelten, dass Lady Amelia Bramlett nur deswegen so herzlichen Kontakt zu dem rumänischen Grafen pflegte, weil sie die Hoffnung verspürte, seine Gemahlin werden zu können, ungeachtet der Tatsache, dass sie bereits über vierzig, Viktor aber offiziell noch keine dreißig war. Wie es sich wirklich verhielt mit dem Alter des Vampirs, wusste ja niemand.
In Adelskreisen waren auch solche Konstellationen nicht unüblich, es ging nur darum, das Familienvermögen zu halten und zu vermehren.
»Mylady, wie könnte ich nicht?«, lächelte der Graf charmant und nahm die Sonnenbrille ab, bevor er Lady Amelias Hand ergriff und einen Kuss andeutete. »Aber Sie haben vollkommen recht. Die Wärme ist niederschmetternd.«
»Ich war trotzdem so frei, den Tee hinten im Garten anrichten zu lassen. Es ist zu schade, um im Salon zu sitzen.« Mit einem gezierten und mädchenhaft wirkenden Lächeln strich sich die Frau über den Rock ihres leichten Sommerkleides. Viktor konnte feine rosafarbene und gelbe Blumen darauf erkennen. Lady Bramlett war eine attraktive Frau, der man ihre inzwischen dreiundvierzig Jahre nicht ansah, doch der Adlige empfand ihre Kleidung doch als ein wenig unangemessen für ihr Alter. Solche Kleider trugen Backfische. Jedoch neigte Lady Amelia besonders ihm gegenüber auch dazu, sich wie eine Jugendliche zu benehmen, wenn sie allein waren.
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VAMPIRES Book of Eternity I. - White Bird
Vampiros- derzeit pausiert- Graf Viktor Draganesti, durch die Jahre seiner Existenz überdrüssig geworden, lebt so vor sich hin, pendelt zwischen Rumänien und England hin und her und vertreibt sich die Zeit mit Abendgesellschaften, Klavierkonzerten und Party...