Z E H N

3.2K 134 5
                                    

Anmerkung Autorin: Ich will das nicht tun. Aber es muss sein. Sonst hätte die Fanfiction keine Handlung mehr. :)

„Wahrheit oder Pflicht, Cat?" Ich schiele auf die leere Weinflasche, deren Hals auf mich zeigt, dann sehe ich in Marcos grinsendes Gesicht. „Wenn ich Pflicht sage, zwingst du mich vermutlich, auf Italienisch etwas zu sagen, was ich nicht verstehe und mich total blamiert." Ally kichert und sagt etwas zu Marco in dessen Muttersprache, der daraufhin in schallendes Gelächter ausbricht, während ich ihnen einen misstrauischen Blick zuwerfe. „Ehrlich Jake, dass deine Freundin Italienisch kann, finde ich echt beschissen." Dieser sieht mich leidend an. „Immerhin hast du keine Freundin, die mit einem anderen Kerl in einer Fremdsprache redet, während ich nur zuhören kann und keine Ahnung habe, was das alles heißen soll. Ich vertraue dir quasi blind, Baby!", fügt er hinzu und sieht seine Freundin vorwurfsvoll an. Ally lacht und gibt ihm zur Versöhnung einen Kuss. Weil sie das einzige Pärchen hier sind, ernten sie von uns übrigen Singles laute Buh-Rufe.
Wir sind insgesamt zu sechst: Marco, der freundliche Bäckerssohn aus meiner Mittagspause, sein Kumpel Ryan aus der High-School, Jake, den ich im Buchladen kennengelernt habe, und in dessen Wohnung sich unsere fröhliche Runde befindet, seine Freundin Ally, die dummerweise Marcos Muttersprache mächtig ist, deren beste Freundin Jane, die wiederum Ryans Cousine ist, und ich. Ich war vor einer knappen Woche mit Jake und Ally in meiner geliebten italienischen Bäckerei. Der geschwätzige Italiener und die überaus kommunikative Ally waren nach fünf Minuten in ein Gespräch verwickelt und fanden schließlich heraus, dass sich ihr Bekanntschaftskreis leicht überschneidet, worauf dieses Treffen vereinbart wurde.
„Erde an Caitlin! Wahrheit oder Pflicht?", flötet Marco und wirft Ally einen verschwörerischen Blick zu. Misstrauisch sehe ich die beiden an. „Wahrheit", sage ich schließlich, entschlossen mich nicht in die Falle locken zu lassen. Marco stöhnt enttäuscht auf. „Mann Caitlin, du Spielverderberin!", empört sich Jakes Freundin, diesmal wieder auf Englisch. Ich habe keine Ahnung, wo sie Italienisch gelernt hat, aber es ist mir definitiv nicht geheuer.
Marco überlegt eine Weile. Dann fragt er: „Sorry Cat, das sind jetzt mehrere Fragen, aber irgendwie wissen wir nichts über dich. Selbst über Jake, den ich heute zum zweiten Mal sehe, weiß ich mehr. Also erzähl etwas über dich." Ich kaue auf meiner Unterlippe herum. Wie weit kann ich diesen Menschen vertrauen? Würde einer von ihnen mit meiner Existenz an die Öffentlichkeit gehen? Drei von ihnen sehe ich heute zum ersten Mal. „Ich heiße Caitlin Paris Riggs, bin am elften Jänner neunzehn geworden und arbeite seit fast zwei Monaten in einer Buchhandlung." Meine unverfängliche, aber ziemlich einfache Antwort gilt nicht. „Komm schon, Cat, lass dir nicht alles so aus der Nase ziehen. Da war jetzt nichts Neues dabei", fordert Jake mich zu mehr auf. Ich überlege fieberhaft, was ich ihnen erzählen kann. „Vielleicht stellt jeder von uns einfach eine Frage", schlägt Jane vor und lächelt ermunternd. Eventuell merkt sie, wie unwohl ich mich gerade fühle. „Also, Cat: Hast du Geschwister?" Ich lächle die Dunkelhaarige dankbar an. „Nein, aber ich hätte unglaublich gerne welche." „Das kann auch nur ein Einzelkind sagen", wirft Ryan ein. „Glaub mir, wenn du mit fünf Geschwistern aufgewachsen wärst, würdest du das anders sehen." „Fünf Geschwister?", fragt Ally ungläubig nach. Ryan zuckt mit den Schultern. „Hab 'ne Patchworkfamilie." Er blickt zu mir. „Wie schaut's bei dir aus? Eltern zusammen oder getrennt?" Darauf kann ich eine Antwort geben, ohne allzu viel zu verraten. „Meine Eltern sind getrennt, mein Vater hat jetzt eine Freundin." „Jetzt eine Freundin?", hakt Jake nach. „Was war dann deine Mom?" Ich sehe etwas verlegen auf meine Füße, die ich in einem Schneidersitz zusammengefaltet habe. „Meine Eltern hatten nie wirklich eine Beziehung. Es war mehr so ... One-Night-Stand mäßig." Daraufhin herrscht betretenes Schweigen im Wohnzimmer der kleinen Wohnung. „Cat, es ist okay, wenn du nicht so gerne über deine Familie reden willst", sagt Marco schließlich. Ich winke ab. „Nein, ehrlich, es ist nicht so schlimm. Ich bin bei meiner Mom aufgewachsen und seit kurzem wohne ich bei meinem Vater. Seine Freundin ist auch total in Ordnung, keine böse Stiefmutter oder so." Ich lächle beschwichtigend in die Runde. „Leute! Seht mich nicht so an, als wäre ich ein ausgesetzter Welpe! Also, wer will als Nächstes?" „Ich!", hopst Ally auf ihrem Platz auf und ab und zeigt dabei wie ein kleines Schulkind auf, was bei der Neunzehnjährigen so lächerlich aussieht, dass es die gedrückte Stimmung auflockert.

Superhero's ChildWo Geschichten leben. Entdecke jetzt