Kapitel 3️⃣5️⃣

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PoV Clary

Nachdem wir auch noch Takuya nach oben ans Licht gezogen hatten, waren wir einer Wiese bis zurück in den Wald gefolgt. Ich war beunruhigt darüber, wie problemlos alles verlaufen war. Nennt mich pessimistisch, aber ich versuchte nur, realistisch zu sein.
Takuya lief in verdächtigem Abstand hinter uns und wollte mit niemandem reden. Ich würde zwar gerne mit Lou darüber reden, wollte sie jedoch nicht beunruhigen, obwohl sie Takuya's seltsames Verhalten sowieso schon bemerkt haben musste. Ich war jederzeit bereit, sie zu beschützen, falls Takuya sich nicht kontrollieren konnte.

»Das ist verdächtig«, meinte Lou nach einigen Minuten kompletter Stille zu mir. »Man lässt uns einfach entkommen? Da ist was faul.« Bevor ich etwas erwidern konnte, deutete sie mit einer kleinen Kopfbewegung Richtung Draco und Takuya, die ein paar Meter hinter uns liefen. »Irgendwas ist mit Takuya los, und das schon seit längerem.« Endlich ließ sie mich auch mal zu Wort kommen. »Soll ich ihn außer Gefecht setzen?«, war das Erste, das meine Lippen verließ. Lou verdrehte nur ihre Augen.
»Takuya!«, wurden wir von einem Schrei unterbrochen. Lou und ich wirbelten im selben Moment herum und konnten noch gerade sehen, wie ein Blitz die Luft durchzuckte und daraufhin Draco auf der Erde lag. Takuya war nirgends zu sehen.
Lou rannte sofort zu Draco, während ich mein Schwert zückte und mich wutentbrannt nach dem Blauschopf umsah. »Immer macht der nur Ärger«, knurrte ich vor mich hin. Da blitze etwas am Himmel auf und bevor ich reagieren konnte, war ich entwaffnet und lag mit gefesselten Händen am Boden.
Der Blauschopf blickte auf mich hinab. Mir war noch nie aufgefallen, wie bedrohlich seine sternförmigen Pupillen aussahen.
»Was ist los mit dir?!«, schrie ich ihn an, obwohl ich mich nicht in der Position befand, Fragen zu stellen. Dies schien Takuya genauso zu sehen, denn er verpasste mir einen Tritt ins Gesicht und wandte sich dann ab. Ich drehte meinen Kopf so, dass ich ihn noch für ein paar Sekunden sehen konnte, doch er verschwand schnell aus meinem Blickfeld.
Ich versuchte strampelnd, mich von den Fesseln zu befreien, jedoch erfolglos. Kurz darauf sah ich ein kleines braunes Wesen meinem Arm hochklettern und die Fesseln durchknabbern. »Lou?«, brachte ich erstaunt hervor. Als ich frei war, sprang ich sofort auf, das Eichhörnchen im Arm. Es blickte mich aus seinen braunen Augen so vertrauenswürdig an, dass ich wusste, das konnte nur Lou sein. »Was sollen wir machen? Was geht beim Blauschopf ab? Wo sind Nuno und Draco?« Ich konnte kaum glauben, die letzte Frage tatsächlich gestellt zu haben. Doch diese wurde leider als erstes beantwortet, als ich Krallen spürte, die sich in mein Bein bohrten und einen Schrei hörte. Lou sprang auf den Boden und rannte gefolgt von Nuno zum nächsten Baum. Ich folgte ihnen, allerdings am Boden. Nach einem kurzen Sprint erblickte ich Draco, der an einen Baum gelehnt stand und sich die Handgelenke rieb. Stricke lagen auf dem Boden und Nuno und Lou hockten neben ihm. »Alles okay?«, fragte ich knapp. Ich bekam ein ebenso knappes Nicken als Antwort. Ohne auf ein weiteres Zeichen zu warten, setzte ich meinen Weg fort, was so viel bedeutete, wie einfach der Nase nachzulaufen. Ich sah Nuno und Lou oberhalb von mir von Baum zu Baum springen. Ob Draco uns ebenfalls folgte, wusste ich nicht, und es interessierte mich auch nicht.

Ich blieb nach einiger Zeit keuchend stehen. Takuya war nicht mehr aufgetaucht und ich war völlig außer Atem. Ein genauso erschöpfter Draco stoppte neben mir. Nuno und Lou kletterten zu uns hinab. Lou wurde wieder zu einem Menschen; die Verwandlung geschah so schnell, dass ich nicht sehen konnte, was passiert war. Lou nahm Nuno sofort auf den Arm und sah Draco und mich hilfesuchend an.
»Was sollen wir tun?«, murmelte sie. »Wie?«, brachte ich nur heraus. Fragend legte Lou den Kopf schief. »Wie hast du dich verwandelt?«, bekam ich einen kompletten Satz zustande. Lou zuckte mit den Schultern. »Viel wichtiger ist doch jetzt Takuya«, meinte sie. Ich stimmte etwas missmutig zu und wandte mich dann Draco zu. »Hast du vielleicht, ich weiß nicht, also, irgendeine Ahnung...« Draco schüttelte den Kopf, worüber ich heilfroh war, da ich es wohl nicht mehr geschafft hätte, einen Satz zu bilden.
»Wir sollten uns ausruhen.« Draco und ich sahen Lou verständnislos an. »Ist der Zeitpunkt dafür nicht etwas unpassend?«, meinte ich. Auch Draco war nicht begeistert von der Idee. »Hört zu«, entgegnete Lou. »Wenn wir übermüdet sind, kommen wir auch nicht weiter, und es scheint im Moment auch gefahrlos zu sein.« »Es scheint so, aber sobald wir unaufmerksam sind, wird er zuschlagen.« Ich war mir dessen sicher. Für mich kam Ausruhen nicht infrage.
»Lou hat Recht«, meldete Draco sich da zu Wort. Ich funkelte ihn entsetzt an. Wir waren einmal einer Meinung gewesen und jetzt musste er mir wieder widersprechen. »Wir stellen eine Wache auf«, meinte Draco. Ich schnaubte. »Und diese schläft dann entweder ein oder wird problemlos überwältigt, nein danke.«
Draco schien etwas erwidern zu wollen, doch wir wurden von einem lauten Miauen abgelenkt. Ich sah zu Lou, deren Beine zusammenklappten. Ich schoss vor und fing sie so gerade auf, bevor sie auf den Boden knallte. Ich sah zu Draco, welcher mich triumphierend ansah. »Wir halten beide Wache«, zischte ich ihn an und legte Lou am Boden ab. Mit einem kleinen Lächeln in den Lippen beobachtete ich, wie Nuno sich in eine ihrer Armbeugen kuschelte.

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