28. Kapitel

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Kurz nach dem Mittagessen kam Chanyeol. Erst dachte ich, die nervige Verwandtschaft von meinem Zimmernachbarn käme, da er sich nicht angekündigt hatte.
Doch als ich seine Stimme hörte, saß ich direkt aufrecht in meinem Bett.
''Chanyeol?'', fragte ich überrascht.
''Hey Baekie'', begrüßte er mich und setzte sich zu mir. ''Bevor du dich aufregst: die letzte Vorlesung ist ausgefallen'', fügte er hinzu, als ich gerade meinen Mund öffnete.
Leicht nickte ich und umarmte ihn mit meinem gesunden Arm. ''Ich habe dich vermisst.''
Leise lachte er. ''Ich dich auch.''
''Bist du 'Chanie'?'', hörte ich Dae- wie auch immer, fragen und verdrehte meine Augen.
''Ehh.. so nennt Baekhyun mich... wer bist du denn?'', fragte Chanyeol sehr verwirrt.
''Kim Daehyun'', antwortete er fröhlich. Kurz war es still, bevor er weiter redete. ''Du bist auch schwul, oder? Also du bist sein Freund, also musst du ja schwul sein... und du kannst sehen. Wie ist das mit einem zusammen zu sein, der nichts sehen kann? Und dazu noch männlich ist?''
Langsam wurde ich aggressiv und Chanyeol schien das zu bemerkten, denn er strich mir sanft über den Rücken.
''Zu deiner ersten Frage: ja, ich bin schwul. Ich kann auch sehen. Und was soll groß anders sein? Wir waren schon zusammen, als er noch sehen konnte. Ich muss nur ein bisschen mehr auf diesen Chaoten aufpassen.'' Während er das sagte, beruhigte ich mich etwas und er strich mir sanft über die Wange. ''Und das mit dem männlichen verstehe ich nicht. Ich war noch nie mit einem Mädchen zusammen und habe es auch nicht vor. Ich bin sehr zufrieden und glücklich so.''
Stille. Die Nervensäge sagte nichts.
''Du konntest mal sehen?'', fragte er dann und ich stöhnte genervt auf. Ich wollte am liebsten weg von hier.
Chanyeol schien das hingegen eher zu amüsieren. ''Es gibt nicht nur Geburtsblinde.''
Ich verstand nicht, wie er so ruhig und höflich bleiben konnte. Aber Chanyeol war schon immer viel netter und geduldiger gewesen im Gegensatz zu mir.
''Bist du sehr traurig, dass du nicht mehr sehen kannst?''
Bevor ich komplett meine Beherrschung verlor, ging Chanyeol dazwischen. ''Ich habe eine Krankenschwester gefragt, ob wir spazieren gehen können und sie hat es erlaubt.''
Leicht nickte ich. ''Dann lass uns bitte gehen.''
''Ich kann leider nicht mitkommen'', sagte Daehyun betrübt.
''Das tut uns Leid'', sagte Chanyeol und ich sagte zeitgleich: ''Gut so. Wollen wir auch nicht.''

Draußen lachte Chanyeol erstmal. ''Du hast echt Glück in allem. Eigentlich soll man sich ja im Krankenhaus erholen.''
''Erholen? Das ist Folter!'', beschwerte ich mich.
''Morgen wirst du ja schon entlassen'', besänftigte er mich. Dann riet er mir, mich schlafen zu stellen, dann würde er schon nicht reden.
Auf die Idee war ich noch gar nicht gekommen und ich sagte direkt, dass ich das ausprobieren würde. Chanyeol lachte wieder und warum wusste ich nicht genau. Aber ich wollte auch nicht mehr an diesen nervigen Jungen denken.

Das Krankenhaus hat eine schöne Außenanlage, die ich schon bei meinem ersten Aufenthalt erkunden konnte.
Chanyeol und ich waren lange draußen und saßen auf einer Bank oder gingen ins Café wo wir einen Kaffee tranken.
Kurz vor Ende der Besucherzeit gingen wir wieder zu meinem Zimmer. Dort hatte gerade auch mein Zimmernachbar Besuch. Chanyeol grüßte alle kurz höflich und es wurde still.
''Das ist der schwule Blinde mit seinem Freund, von dem ich euch eben erzählt habe'', sagte Daehyun gerade fröhlich und ich hätte ihn umbringen können.
Denn nun stellten auch seine komischen Verwandten oder Freunde oder was auch immer es waren, komische Fragen.
Ich war nur froh, als die Besucherzeit vorbei war und sie mit Chanyeol gehen mussten. Allerdings tat mir auch Chanyeol Leid, da er diese nervigen Leute nun ertragen musste. Und wer wusste schon, ob sie auch mit dem Bus hier waren?

Nach dem Abendessen befolgte ich Chanyeol's Ratschlag und stellte mich schlafen. Dabei hörte ich Musik um Daehyun noch besser ausblenden zu können. Dabei schlief ich dann jedoch wirklich ein.

-

Am nächsten Morgen wurde ich von einer Krankenschwester geweckt. Sie brachte mir Frühstück und danach kam der Arzt, wie sie mir mitteilte.

Der Arzt sah sich meine Schiene an. Er bat mich, mitzukommen und führte mich zum Röntgenraum zum röntgen.
Danach bekam ich einen Gips und der Arzt sagte noch, er wäre zufrieden bis jetzt und ich dürfte nach Hause. Endlich!
Sobald ich wieder im Zimmer war, rief ich meinen Trainer an, da er mich abholen wollte.
In der Zeit, in der er kam, machte ich mich fertig und packte meine Sachen, auch wenn ich kaum was mit hatte.

Ich bekam noch Hilfe, als mein Trainer da war sah er sich nochmal um und alles, was ich vergessen hatte, packte er noch ein. Er nahm mir meine Tasche ab und gab mir meinen Blindenstock in die freie Hand.
Leise gingen wir aus dem Zimmer, da Daehyun noch schlief und das letzte was ich wollte, war ihn zu wecken.

Er brachte mich direkt nach Hause und sagte, der Termin bei dem Blindenhundverein wurde verschoben. Sobald ich wieder belastungsfähig war, würden wir einen neuen Termin machen.
Nächste Woche musste ich zum röntgen und da würde er mich hinfahren. Ansonsten würde ich die restliche Woche Zuhause bleiben.

Vor lauter Langweile war ich sogar am überlegen, meine Eltern anzurufen. Doch ich war immer noch sauer.
Allerdings waren es auch meine Eltern, ich konnte nicht Ewig auf sie sauer sein.
Letztendlich nahm ich doch mein Handy in die Hand und kämpfte mit mir selber bis ich sie anrief.
''Hallo?'', nahm meine Mutter ab.
''Hallo, Mama.''
''Hallo, Baekhyun.'' Ihre Stimme klang kühl und ich schluckte. Sie war anscheinend immer noch sauer. ''Was gibt's?''
''Ich wollte nur sagen, dass ich im Krankenhaus war...'', murmelte ich. ''Ich wollte nur, dass ihr es wisst. Und das ich wieder Zuhause bin und es mir gut geht.''
Nun klang ihre Stimme nicht mehr so abweisend, sondern besorgt. ''Du warst im Krankenhaus? Warum? Was ist passiert?''
Ich schilderte ihr den Unfall und sie hörte mir zu ohne mich zu unterbrechen.
''Und dabei hast du dir den Arm gebrochen? Wie geht es dir jetzt?''
''Mir geht es gut. Der Arm ist im Gips und bis auf das mir etwas langweilig ist, ist alles okay. Ich habe keine Schmerzen.''
Wir redeten noch eine Weile, bis sie den Hörer an meinen Vater weitergab, dem ich das alles nochmal erzählen musste, was mich aber nicht wirklich störte.
Sie boten ihre Hilfe an, wenn ich einkaufen musste oder so, aber ich lehnte dankend ab.
Im Laufe des Gesprächs war gar nichts mehr davon zu spüren, dass wir Streit hatten, was mich innerlich erleichterte.
Meine Eltern konnten homophobe Arschlöcher sein, aber es waren immer noch meine Eltern, die mich groß gezogen hatten, mir halfen und für mich da waren. Trotz ihrer Nachteile hatte ich sie lieb. Und man merkte, dass sie mich auch liebten. Nicht nur, weil ich ihr einziger Sohn war, sondern auch weil sie mir so halfen und sich für mich einsetzten.
Der einzige Grund, der unserer Beziehung schadete, war Chanyeol.
Nein, das war nicht richtig. Was unserer Beziehung schadete, war meine Sexualität im allgemeinen. Ich durfte gar nicht erst anfangen so zu denken, dass es an Chanyeol läge.
Wenn, dann würde es sowieso an meinen Eltern liegen. Chanyeol akzeptierte sie ja auch als meine Eltern. Nur sie akzeptierten ihn nicht wegen ihrer homophoben Art. Es war ihre Schuld.
Vielleicht war es auch meine Schuld, weil ich schwul war. Weil ich nicht normal war. Aber so wollte ich auch nicht denken.
Schlussendlich gab ich keinem die Schuld. Außer vielleicht der Gesellschaft, die Homosexualität so verurteilte.

Egal, es war zu anstrengend einen Schuldigen zu suchen.

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𝒃𝒍𝒊𝒏𝒅 || 𝒄𝒉𝒂𝒏𝒃𝒂𝒆𝒌/𝒃𝒂𝒆𝒌𝒚𝒆𝒐𝒍 [ABGESCHLOSSEN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt