6. ...und Begegnungen - Phillip

2.4K 152 14
                                    

Als die Schulglocke ertönte, atmete ich erleichtert durch. Wieder einen Tag geschafft.
Das war in letzter Zeit schwerer als sonst, ständig drifteten meine Gedanken davon. Seit dieser Party, seit dieser Begegnung, seit ich seine Augen gesehen habe.

Diese Augen

Den Kopf schüttelnd machte ich mich auf den Weg zu dem Ausgang, den ich immer nahm. Ich mochte es nicht, mich durch die Massen schlagen zu müssen, lieber ging ich außen um die Schule, aber dafür meistens allein.

Die letzten Tage waren verwirrend. Ich erwischte mich immer wieder dabei, wie ich ihn anstarrte. Ich wollte das nicht.

Aber immer, wenn ich an diese grünen Inseln inmitten von Sturm denken musste, wanderte mein Blick zu ihm.

Das war zu häufig, um nicht aufzufallen.

Ab und zu starrten diese unglaublichen Augen zurück, und mir lief stets ein Schauer über den Rücken. Ich konnte seinen Blick kaum ertragen.

Ich fühlte mich ertappt, irgendwie schuldig. Ich sollte ihn nicht so anstarren.

Es passierte trotzdem dauernd.

Ich atmete tief durch, als ich endlich aus der Schule trat, hinaus in den parkähnlichen Garten. Die Sonne schien hell, stand aber schon tief, also schloss ich die Augen für einen Augenblick, um nicht geblendet zu werden. Trotzdem war es ganz schön kalt.

„Hey.“

Ich zuckte zusammen, als ein tiefer Tenor zu hören war, und riss die Augen auf.

Diese Augen.

Vor mir, am Fuß der Treppe, lässig gegen das Geländer gelehnt, stand Elias.
Mein Herzschlag beschleunigte.

Atme.

Ich senkte den Blick, zum einen, um nicht auf der Treppe zu stürzen, zum anderen, um mir weitere Peinlichkeiten zu ersparen. Ich hatte vor, so schnell wie möglich an ihm vorbei zu gehen und zu verschwinden.
Aber Elias hatte offensichtlich anderes vor, denn er griff nach meinem Handgelenk, als ich vorbeieilen wollte. Sogar durch meine Jacke konnte ich spüren, wie warm seine Hand war. Er hatte nicht mal Handschuhe.

Ich erstarrte mitten im Schritt und glotzte auf seine Hand.

Atme.

Langsam bewegte sich mein Blick seinen Arm hinauf, über seinen grauen Mantel zu seinem braunen Schal. Blonde Strähnen wellten sich über seine Schultern, sein zartes Kinn lugte aus der braunen Wolle, und sein sinnlicher Mund war zu einem schiefen Grinsen verzogen. Über seiner klassischen Nase aber waren die Augen.

Diese Augen.

Sobald mein Blick seinen traf, setzte mein Herz einen Schlag aus.

Atme!

„Was ist los, Phillip?“

Ich schnappte nach Luft, unfähig, auch nur wegzublicken. Mir wurde warm und kalt zugleich.
Er kam einen Schritt näher.

„Zuerst wirfst du mir die ganze Zeit Blicke zu, und jetzt willst du weglaufen?“

Seine Stimme klang fast neckisch.
Er kam noch näher. So nah, dass sich unsere Oberkörper fast berührten.
Sein Lächeln verschwand.
In meinen Ohren konnte ich das Blut rauschen hören, und mein Herz sprengte fast meinen Brustkorb. Meine Hände schwitzten.
Und er hielt immer noch mein Handgelenk.

Atme!

Ich war wie ein Reh im Scheinwerferlicht, vollkommen versteinert.

So nah.

Sich auf die Zehenspitzen stellend, brachte er sein Gesicht ganz nah an meins, ich konnte seinen warmen Atem auf meiner Wange fühlen.

„Ich werd‘ nicht ganz schlau aus dir.“ Er flüsterte es fast, seine Lippen direkt vor meinen.

So nah…

Für einen Sekundenbruchteil blickte ich auf diese vollen Lippen. Und in meinem Innerem zuckte etwas.
Das genügte, um mich aus meiner Starre zu lösen.
Ich entriss ihm meinen Arm, taumelte ein paar Schritte rückwärts, drehte mich um und lief.

Ich lief davon.

Ich lief, bis ich das Auto meiner Mutter erreichte, und warf mich wortlos auf den Beifahrersitz. Kaum zuhause, rannte ich auf mein Zimmer, die besorgten Rufe meiner  Mutter ignorierend, schmiss mich Gesicht voran in mein Bett. Und weinte.
Ich wusste nicht einmal, warum.
Trotzdem drängten Tränen aus meinen Augen und ich hatte einen Kloß im Hals.
Es dauerte, bis ich wieder einigermaßen klar denken konnte.

Diese Augen.

So nah.

Zu nah?

Als Dari mir zu nahe kam, hatte sich das anders angefühlt. Weitaus unangenehmer.
Was bedeutete das?
Warum war das bei ihm anders?

Diese Augen.

Und seine Lippen…

Ich riss erschrocken die Augen auf.

Ich hatte nicht gerade… Nein. Nein. Nein.

Mein Puls fing an zu rasen.

Nein!

So nah…

NEIN!

Neue Tränen kamen.

NEIN!


Ich verbrachte den Rest des Tages im Bett, weinend.
Am nächsten Tag ging ich nicht in die Schule.


-------------
Bitte schön, noch ein Kapitel geschafft!
Was haltet ihr von den Jungs bis jetzt?

Bye
DG

Elias und PhillipWo Geschichten leben. Entdecke jetzt