Ich spürte, wie ich rot wurde. Ihn erneut anlügen konnte ich nicht. Irgendwann hätte ich mich sowieso verraten. Noch nie war ich gut im Lügen, meine Mutter hatte immer bemerkt, wenn ich nicht die Wahrheit sagte. Auch mein Vater bekam das ziemlich schnell mit. Spätestens, wenn ich feuerrot wurde. Also nickte ich schlicht.
Mit offenem Mund starrte er mich an, während er mich immer wieder musterte. Auch Vraldes konnte nicht aufhören mich anzusehen.
Plötzlich fing sie an zu lachen. Der glockenhelle Klang ihrer Stimme brachte auch Satumar und mich dazu in ihr Lachen einzustimmen. Zwar blieb noch ein Rest Trauer, aber es war auch gut einfach zu Lachen. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie uns die anderen Kinder verwirrt anstarrten. Gut konnte ich mir vorstellen, dass wir ein komisches Bild abgaben. Erst weinte ich, doch plötzlich fing ich an zu lachen. Die mussten mich auch für verrückt halten. Doch überraschenderweise war es mir egal, ob sie mich für komisch hielten, oder nicht.
Neben mir hörte ich, wie Satumar tief Luft holte, um sich zu beruhigen, doch so ganz schien das nicht zu klappen, denn kurz darauf fing er wieder an zu lachen. Ich presste mir eine Hand auf meinen Mund und hielt die Luft an. Mit Müh und Not konnte ich mich am Riemen reißen, dass ich nicht direkt wieder anfing zu grinsen. Langsam schienen sich auch Satumar und Vraldes zu beruhigen.
»Also, du bist Prinzessin Ramura?«, wollte Satumar erneut wissen.
Wieder bestätigte ich dies mit einem Nicken. Daraufhin fuhr er sich mit seiner rechten Hand durch seine Haare und wieder stand eine Strähne ab. Grinsend zeigte ich auf diese und Vraldes fing erneut an zu lachen. Lächelnd drückte Satumar sie wieder an seinen Kopf, doch schnell wurde er wieder Ernst.
»Wieso bist du hier?«, fragte er dann.
Stockend fing ich an zu erzählen, was passiert war und nach ein paar Sekunden sprudelten die Worte nur so aus mir heraus.
»...endlich fand ich den Weg aus dem Wald und legte mich aufs Gras. Den Rest kennst du ja«, schloss ich endlich.
Satumar nickte nachdenklich. Sein Gesicht ließ keine Regung zu. Neugierig wartete ich auf eine Reaktion von ihm, doch er stand einfach auf und meinte: »Ich schätze mal, dass du was Essen willst?«
Irritiert nickte ich und folgte ihm, als er sich umdrehte und mir bedeutete ihm zu folgen. Was ist mit ihm los?, fragte ich mich, während wir die Straßen entlang gingen. Rechts und links von mir standen Häuser, viele halb zerfallen, andere schienen neu zu sein, denn das Holz war noch hell und frisch. Satumar führte mich schweigend durch das Dorf, bis er endlich vor einem Haus anhielt und mich kurz ansah, bevor er sich wieder wegdrehte und kühl meinte: »Dürfen denn meine Eltern wissen, wer du bist?«
Erschrocken zuckte ich ob der Kälte in seiner Stimme zusammen. Was war mit ihm los? Seit er wusste, dass ich die Prinzessin bin, benahm er sich anders. Hatte ich etwas falsch gemacht? Auch ich spürte plötzlich kalte Wut in mir. Wo nahm er sich das Recht her, so mit mir zu sprechen?
»Was ist los?«, fragte ich daher etwas säuerlich.
Doch er ging nicht auf meine Frage ein, sondern wiederholte seine nur.
»Natürlich. Wieso sollten sie nicht?«, knurrte ich.
»Mir hast du es auch verschwiegen.«
Kurz schnaubte ich, bevor ich fragte: »Und deswegen bist du jetzt wütend?«
Zufrieden sah ich zu, wie er kurz schuldbewusst zusammenzuckte, bevor er sich dann zu mir umdrehte. »Wieso hast du es mir nicht von Anfang an erzählt?«
Jetzt war es an mir schuldbewusst drein zu sehen. »Ich wusste nicht, ob ich dir trauen kann. Ich hatte Angst, dass du zu König Mading gehörst«, flüsterte ich.
Verwundert starrte er mich an, bis er die Bedeutung meiner Worte verstand. Daraufhin fng er plötzlich an zu lachen. »Ich... Ich soll zu Mading gehören?«, fing er erneut an.
Als Antwort zuckte ich nur mit den Schultern. »So genau kenne ich doch schließlich nicht.«
Langsam nickte er, bevor er die Tür öffnete und sie mir aufhielt. Dankend nickte ich und schlüpfte unter seinem Arm durch. Hinter mir hörte ich, wie Vraldes auch hinein huschte. Als letztes trat Satumar hindurch und schloss die Tür. Währenddessen sah ich mich um. Ich stand in einem großen Raum, der wohl als Wohnzimmer und Küche fungierte. In einem Sessel saß eine etwas ältere Frau, die wohl gerade schlief, jedenfalls hatte sie die Augen geschlossen und schien auch nichts von uns zu bemerken. Die Frau hatte ein braunes Oberteil an, was Ähnlichkeiten mit einem Kleid hatte. Ihre langen, an manchen Strähnen grauen Haare, hatte sie zurück gebunden. Ihre Füße steckten in Sandalen, die selbst für diese Jahreszeit etwas kühl wirkten. Der Sessel war leicht grünlich, auch wenn der Stoff schon sehr abgewetzt schien, denn es schimmerte das Holz an der Armlehne hindurch. Hinter dem Essen sah ich einen Kamin, in dem ein kleines Feuer brannte. Über dem Feuer sah ich außerdem einen großen Kochtopf. Ein leises Blubbern war zu hören, was wohl bedeutete, dass gerade gekocht wurde, als die Frau einschlief. Das Flackern des Feuer ließ auch unsere Schatten umherwabern. Manchmal sahen sie sogar beunruhigend lebendig aus. Über unseren Köpfen hing ein Kerzenleuchter, der aber nur spärliches Licht spendete. An der Wand gegenüber des Kamins bemerkte ich ein Schwert, welches dort an einem Nagel hing. Neugierig trat ich einen Schritt näher, um es mir genauer anzusehen. Der Griff war Leder umwickelt und am oberen Teil, nahe der Parierstange, war ein schimmernder Rubin eingesetzt. Die Parierstange war wieder schlicht gehalten und die Klinge war beidseitig geschärft.
»Wo habt ihr das her?«, fragte ich, während ich sanft über das Leder strich.
Ich hörte ein leises Rascheln, als Satumar neben mich trat. »Das habe ich irgendwann mal im Wald gefunden«, hauchte er mir ins Ohr, wohl um die Frau nicht zu wecken.
Bestätigend nickte ich. Dann drehte ich mich um. Bis auf die spärliche Einrichtung fand ich nur noch einen Tisch mit sechs Stühlen daneben. Auf dem Tisch standen vier Schüsseln. Von diesem Raum abgehend, sah ich einen Flur, an den wohl die Schlafzimmer grenzten. Fragend drehte ich mich zu Satumar um und sah im Augenwinkel, wie Vraldes auf die Frau zu lief.
»Ist das deine Mutter?«, fragte ich leise, während Vraldes die Frau schüttelte, bis diese müde die Augen öffnete.
»So ist es«, flüsterte er zurück. »Vraldes!«, rief er dann. »Lass Mama doch in Ruhe schlafen.«
Beschämt ließ Vraldes ihre Mutter los und trat von einen Fuß auf den anderen. »Entschuldigung«, murmelte sie und man hörte das schlechte Gewissen aus ihrer Stimme heraus.
»Schon gut«, krächzte da die Mutter und setzte sich richtig auf. Ihr Blick huschte von ihrer Tochter zu mir, dann zu Satumar, um wieder bei mir zu landen.
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Der rote Morgen
RomansaSeit Jahren herrscht Krieg in Prinzessin Ramuras Land, als eines Nachts das Schloss von ihr und ihrer Familie angegriffen wird. Ihre Eltern hatten schon ein paar Mal versucht sie zu überreden, dass Ramura floh, doch bisher hatte sie sich immer gewei...