Teil14

142 2 0
                                    

Die Tage verstrichen und von der vorweihnachtlichen, freudigen Stimmung war bei mir rein gar nichts zu spüren. Gideon und ich wurden von jedem Schüler schräg angeschaut, andauernd wurde getuschelt. Klar, Charlotte war beliebt, deswegen wurde auch so ein großer Rummel um den Vorfall auf der Party gemacht. Schlimm genug schon dass er und Charlotte mich gekonnt ignorierten. Wer auch immer das gefilmt hatte, sollte sich mir bloß nie wieder nähern. Nur Leslie war die einzige, die wirklich zu mir hielt und mir nicht von der Seite wich. Ein Wunder, worüber ich sehr dankbar war.
Es war ein paar Tage vor Weihnachten, als Leslie und ich gemeinsam nach dem letzten Schultag in die Innenstadt Londons fuhren um ein paar letzte Geschenke zu besorgen. Unter anderem Charlottes Lieblings Lippenstift zur Versöhnung - irgendwo mußte man ja anfangen. Leslie hatte sich gerade von mir verabschiedet, als sich plötzlich ein heftiger Regenschauer über mir am Himmel zusammenbraute. "Man, muss das gerade jetzt sein?", fluchte ich und ging mit meiner Tasche schützend über meinem Kopf unter das trockene Dach einer Bushaltestelle. Leider dauerte es noch ein bisschen bis mich meine Mom abholen würde. Leise Schimpfwörter murmelnd wrang ich mir die Haare aus und wischte meine Hände an meine noch gerade so trockene Bluse. "Kann ich dir behilflich sein?" Eine Stimme räusperte sich neben mir und ich ließ meinen Kopf nach links sausen. Zwei tiefgrüne Augen musterten mich von Kopf bis Fuß und der Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln. "Was machst du denn hier? Hattest du die letzten Wochen zu wenig Kontakt oder wie? Nicht mein Problem, wenn du hier einen auf super Kotzbrocken machen willst." Gideon schien das keineswegs als Beleidigung zu empfinden, er schmunzelte bloß.

"Komm." Er Streckte mir seinen Arm hin doch ich schaute ihn nur genervt an. Er rollte mit den Augen. "Willst du jetzt ins Trockene oder weiter hier draußen voll geregnet werden? Komm, mir ist kalt, ich fahr dich heim, ist auch kein Umweg für mich." Er deutete auf einen weißen Mini, der am Straßenrand parkte. Mit einem Seufzer folgte ich ihm zögernd zu seinem Wagen und stieg auf der Beifahrerseite ein.
"Wie kommt's dazu?", fragte ich, als wir auf die Straße bogen. "Was meinst du?", fragte er zurück, die Augen streng nach vorne gerichtet. "Na, du ignorierst mich 2 Wochen lang und dann tauchst du zufällig auf und fährst mich nach Hause. Wieso bist du eigentlich hier?" "Kann man denn nicht einmal nett sein?" "So plötzlich?" "Ich bin immer nett."
"Von wegen."
Er fing an zu lachen und warf mir kurz einen Blick zu. "Ach Gwen..." Er lächelte vor sich hin, während er auf die Hauptstraße fuhr.

"Was denn?" Ich konnte nicht anders als ebenfalls zu lachen. "Ich wollte mit dir reden, deswegen bin ich hier", sagte er plötzlich mit ernster, angespannter Stimme. Ich räusperte mich verlegen und strich mir eine nasse Haarsträhne aus den Augen. "Über was denn?", fragte ich leicht dümmlich und blickte durch die völlig verregnete Frontscheibe auf die dunkle Straße. Es schien in den letzten Minuten noch deutlich mehr angefangen haben zu schütten und die Straßen waren voll vom Feierabendverkehr. Dementsprechend wurde ich jetzt auch immer angespannter. "Hör mal", kam ich ihm zuvor, "lassen wir das Thema. Du warst betrunken, bla bla... ist schon gut. Ich versteh, dass das keine Absicht war." Schnell wandte ich meinen Kopf zum Seitenfenster, sodass Gideon meine Tränen der Enttäuschung nicht sehen musste. Ich hatte mir immer so sehr gewünscht mit ihm zusammen zu sein, eine noch größere Abfuhr konnte ich nicht gebrauchen. "Aber Gwen..." Er legte seine Hand vorsichtig auf meinem Arm und fuhr dann zu meiner Hand um sie zu ergreifen. Langsam drehte ich meinen Kopf wieder zu ihm und sah ihm direkt in seine smaragdgrünen Augen, die mich so liebevoll und gleichzeitig wehmütig anschauten, dass es schon fast weh tat. "Ich mag dich doch...", flüsterte er. Unter anderen Umständen hätte ich ihn jetzt umarmt oder wäre sonst wie ausgeflippt, säßen wir nicht in einem Auto. In einem Auto auf einer nassen, dunklen Straße - der Fahrer völlig durch die Beifahrerin abgelenkt - und direkt in einen liegen gebliebenen LKW rein rasend.
Ein panischer Schrei war das einzige, das ich noch zustande bekam, bevor mich die Erschütterung aus der Wirklichkeit riss und alles um mich herum schwarz wurde.

Back to Life - Liebe besiegt alles. | ✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt