Der Weg

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Es war so weit, er saß dort neben dem großen, dunkel gekleideten Mann. Nervös zappelte er herum und der Mann sah ihn genervt an, ließ ihn jedoch noch weiter zappeln, bevor er sich genervten Räusperte.
Frodo zuckte zusammen und schaute auf seine Hände, die schwitzig in seinem Schoß  lagen. Er schlug die Augen auf, als der Wagen über den steinigen Weg preschte und den Hügel hinauf ins weite Land hinein. So schnell hatte er noch nie einen Pfad an sich vorbei rasen sehen. Es war beinahe, als würde er fliegen und das genoss er. Die Aufregung war verschwunden und pure Vorfreude ließ ihn zappeln. Er würde den Düsterwald sehen!
Darauf freute er sich und auf das, was ihn erwartete. Auf die Elbe, auf all die neuen Erfahrungen, auf die Wanderung, auf seine alten Freunde. Auf den Ring...
Er hasste es, dass ihn das tief im Herzen so sehr erfreute, dass er es offen zu gab, aber was sollte er denn tun, schließlich war der Ring ja schuld daran und der Elbe würde sie keine Schuld geben. Nicht ihr!
Da sahen das Band eine kleine Sekunde, die so lang für ihn geschien. Es war zum greifen nah, alle offenen Fragen zu beantworten, alle Zweifel und unausgesprochenen Wünsche, doch so schnell es kam, verließ dieser Gedanke seinen Verstand und es war, als sei es zu spät, als dass er noch danach greifen konnte. Also ließ er es ziehen und wartete. Der Wagen gehörte Radagast, dem wohl tierfreundlichsten Zauberer und dem mit Abstand verrücktesten. Aber es war nicht Radagast, der ihm gegenüber saß, mit kahlem Kopf und vernarbten, muskulösen Armen. Frodo wirkte Wienerin Kind neben ihm. Er hasste das bis ins Mark. Nein, Radagast fuhr, oder besser gesagt lenke die Kutsche/Wagen.
Der große Mann war nur vorübergehend hier, auf dem Weg hatte Radagast ihn mitgenommen, da er fand er wirkte verloren. Wie könnte ein, wie ein Verbrecher gekleidete Mann verloren aussehen. Noch dazu mit all den schwarzen Markierungen und Zeichnungen auf seinem narbenbesetzen Körper. Seine dunkle und narbenbesetzte Haut war matt und ließ ihn noch düsterer wirken. Sie hatte die Farbe von warmer alter Holzrinde, die gerade in einem warmen Kaminfeuer glimmte.
Noch zu allem Übel trug der stämmige Baummann eine Waffe bei sich, die Frodo nur sehr ungern so nah in seiner Nähe sah. Ein mit schwarzen Spitzen Nägeln besetztes Messer und eine große Keule und wenn seine Augen ihn nicht täuschten auch in seinen großen klobigen Schuhen zwei sehr unfreundlich aussehende Messer. Wozu braucht er das nur?
Für eine normale Jagt etwas übertrieben. Frodo glaubte, dass er eine ganzes Rudel Wölfen das Genick brechen könnte, nur mit seiner großen Hand, die wahrscheinlich so groß war wie sein Fuß, der ja bei Hobbits eine beachtliche Größe hat.
Und danach würden ihm die Messer zum Fell abschneiden und Eingeweide herausnehmen helfen. Wenn er das Tier, oder gar das ganze Rudel nicht gleich so zu essen wagte. Oder einfach selbst ein Tier war. Fell würde ihm mit Sicherheit stehen. Vielleicht war er ja verwandt mit den Wölfen, dass würde seine lange Nase und die kleinen gelben Augen nur durchaus bestätigen.
Frodo stoppte seinen inneren Monolog und dachte daran, möglichst wenig Vorurteile zu hegen, gegen niemanden!
Also wand er sich dem Boden zu und studierte die schiefen Nägel, die im Holz eingebracht waren, um den Wagen zu halten. Beim einsteigen wäre er fast daran hängengeblieben, dass wäre schmerzhaft geworden. Sie waren schon rostig und wahrscheinlich älter als die Plane auf dem Wagen, die ihn vor Regen schützen sollte. Da hörten sie Radagasts Stimme: „Meine Kaninchen sind schneller als jedes Pferd, merkt euch das!"
Frodo sagte: „Jap!"
Der Mann schwieg bloß. Und es war Frodo nur ganz recht. Er hatte auf der ganzen Fahrt noch nicht ein Wort gesagt, nur gegrunzt, oder angeekelt an dem Laken geschnüffelt. Auch hatte er über Frodos zappelige Sitzweise gestöhnt, oder ihn leicht zur Seite gedrückt und viel zu oft mit seinen dunklen Augen ihn versucht zu erdolchen. Wie zwei Schatten, die auf ihn warteten. Er konnte nicht anders, als wieder mit dem Fuß auf und ab zu wippen, ganz im Hass des dunklen Mannes. Der verlor langsam die Geduld und hämmerte gegen das Laken, sein Fuß wippte nun auch auf und ab. Vielleicht war er schon so gereizt von ihm, dass er es nicht mehr aushalten konnte, oder aber er versuchte ihn ganz einfach zu provozieren. Dann stoppte der Wagen abrupt und Frodo wäre beinahe in hohen Vogen herausgeschleudert worden, dass hätte dem Mann sicher gefallen. Der jedoch stand auf, er wirkte jetzt wirklich wie ein riesiger Baum, sein Kreuz war so riesig und stämmig, dass er nun wirklich zu groß war, für einen gewöhnlichen Menschen. Er spannte die Muskeln an und sprang vom Wagen. Wie hatte er überhaupt unter das Laken gepasst?
Da kam Radagast, verabschiedete den Blinden Passagier und wand sich zu dem kleinen, eingeschüchterten Hobbit.
„Das war aber ein freundlicher Mann!"
Frodo setzte ein gefälschtes Lächeln auf. Wie könnte der Zauberer so gelassen sein?
„Bald werden wir  ich mehr Besuch bekommen."
Richtig, er war ja nicht der einzige, der mit nach Düsterwald reisen würde.
„Aber für heute machen wir erstmal Schluss. Hier werden wir rasten... hast du Hunger?"
Frodo war vorerst völlig überfordert.
„Ja, ich helfe dir!"
„Ach nein, lass das mal meine Sorge sein. Ich mache Essen, du bereitest das Lager vor."
Frodo nickte und zog eine untere Plane von den Holzsäulen, um Ihnen mehr Platz zu verschaffen. Diese Faltete er wie einen Schlafsack und legte sie vorerst zur Seite. Dann zog er die zweite Plane herunter und faltete sie genau wieder andere, doch dieses Mal klappte es nicht ganz so gut.  Nachdem er die, misslungen aussehende Plane neben die andere gelegt, trat er beiseite und zog die Bretter des Bodens zur Seite. Dort war ein großer Sauraum, den man, ohne davon zu wissen, nie gefunden hätte. Darin befanden sich Lampen, Karten, einige Proviante, Kissen, Decken, Medikamente und Tränke, die Frodo nicht kannte und sogar ein kleiner Tisch. Er holte den Tisch heraus und stellte ihn draußen hin, dort würden sie essen. Dann holte er noch die Lampe und hang sie an einen Haken. Unter dem großen Laken in dem Wagen war nun ein gemütlicher Raum geworden. Die Lampe warf ein warmes Licht an das braune Laken. Dann faltete Frodo die Karte auseinander und betrachtete sie. Sie waren jetzt schon an der Grenze Gondors. Dort würden sie Argagorn abholen und dann in Rohan Faramir, der jüngere Bruder von Boromir und der zweite Sohn des vorletzten Truchsesses von Gondor, Denethors II. Er wurde im Jahre 2983 des Dritten Zeitalters, als Sohn von Denethor II. und Findulas geboren. Jetzt war er mit Éowyn verheiratet. Er war kein Gefährte der Gemeinschaft und trotzdem sollte er mitentscheiden, er sollte also die Rolle seines Bruders einnehmen. Frodo schluckte, Boromir konnte es ja nicht mehr.  Dann faltete er die Karte zu. Gimli, wie könnte er der verrückten Zwerg vergessen? Natürlich würde er auch mitkommen. Auch Gandalf, auch wenn er nicht dabei sein würde, er würde Mitspracherecht haben.
„Hey Kleiner. Frodo, dein Name hat doch einen althochdeutschen Ursprung und die Bedeutung klug. Wenn du wirklich so ein kecker Bursche bist, was sagst du dann dazu?"
Frodo ging zu ihm und schaute auf ein hohes Feuer.
„Schön, ich meine wirklich, bei diesem Wind hätte ich nichtmal ein kleines geschafft," staunte er.
„Siehst, kannste froh sein, dass du einen Zauberer an deiner Seite hast."
Frodo nickte und half ihm mit dem restlichen Essen. Es war vegetarisch. Er würde kein Tier töten!
Radagasts Interesse galt vorwiegend den Tieren und der Wildnis von Mittelerde, alles andere ging mehr oder weniger an ihm vorbei. Aber das störte ihn auch nicht. Er schätzte die Stille sehr.
Saruman war nicht sonderlich erfreut darüber, dass es einen Zauberer gab, wie Radagast er war ihm regelrecht zuwider, er hatte ihn einfach für seine Zwecke missbraucht um Gandalf nach Isengard zu locken, von seinen bösen Plänen jedoch wusste Radagast nichts. Im Auftrag von Gandalf sandte er Vögel und andere Tiere als Späher aus, um über die Nazgûl informiert zu sein. Radagast erkannte die Zusammenhänge jedoch nicht, er folge seinen Befehlen und das mit eigentlichem gutem Gewissen. Seine Wohnstatt war Rhosgobel, und möglicherweise zwischen Carrock-Furt und dem Düsterwald gelegen. Gesichert war das nicht wirklich. Doch er fühlte sich dort sehr wohl. Er kannte Jaselaya auch schon. Oft härteste ihm geholfen, Tiere zu pflegen, oder sich zu verstecken, um etwas Freiraum zu haben.
„Du wirst die Elbe sicher mögen. Sie ist sehr freundlich und wahnsinnig keck und forsch. Sie ist sehr tierlieb, beinahe wie du, mein junger Hobbit."
Frodo streichelte ein kleines weißes Kaninchen, welches sich so wohl fühlte, dass es beinahe einschlief, auf seinem Schoß, Nähe des großen flackernden Feuers.
„Sie ist viel mehr, als das was alle in ihr sehen. Armes Kind. Aber ich bin mir sicher, dass du sie mögen wirst. Mit Sicherheit mehr als du noch zu Glauben vermagst."
Frodo schaute ins flackernde heiße Feuer. Das Licht tanzte in seinen Augen wie glühende Fackeln und er schaute nachdenklich zu ihm.
„Ja? Ich muss sagen, ich habe Angst. Eben genau dass ich nur das in ihr sehe was alle sehen. Ich befürchte, dass ich es will."
„Wäre es schlimm, wenn es so wäre?"
Ehe Frodo etwas erwidern konnte sprach der Zauberer weiter. Aber nicht mit ihm, sondern mit den vögeln in seinem Hütchen. Er hob es hoch und eine kleine süße Amsel flatterte heraus und setze sich auf seinen Nase. Frodo lächelte. Seine Antwort ließ er verklingen, ohne sie ausgesprochen zu haben. Vielleicht wusste er es nicht.
War es schlimm?



Lembas Wegbrot

Die Elbe des Wassers ___Meine größte SehnsuchtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt