Am See

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Remus rannte. Er rannte als wäre der Tod persönlich hinter ihm her.

Das feuchte Laub unter seinen Schuhen war rutschig, doch er kümmerte sich nicht darum und lief ohne aufzupassen.

Seine Lunge lechzte bereits nach Luft, seine Seiten stachen und schmerzten, und trotzdem wurde der Junge nicht langsamer. Er lief vor den Stimmen in seinem Kopf davon, die ihm all die Dinge über seine Welt zuriefen, die er gar nicht wissen wollte. Sie waren

immer da wenn Remus ohnehin schon verzweifelt war. Und gerade in diesem Moment war dieses Gefühl so unerschöpflich stark, dass er an nichts anderes Denken konnte.

Bloß nicht weinen. Remus hasste es zu weinen. Er hasste diesen schluchzenden, hilflosen Jungen zu dem er dann wurde fasst so sehr wie er den Wolf hasste.

Das Laufen war so viel leichter, als das Weinen.

Wie schön wäre es immer einfach davonlaufen zu können.

Remus wusste genau wo er hin wollte.

Der kleine See, mit dem dunklen, tiefen Wasser, mitten im verbotenen Wald. Es war sein liebster Orte, den er aufsuchte, wenn er keine Gesellschaft wollte. In Augenblicken wie diesen in denen er sich wünschte irgendwo zu sein, irgendwer, nur nicht Remus Lupin, der Junge mit den Narben und dem dunklen Gehimnis. Der Junge mit dem Dämon.

Niemanden würde ihn hier sehen.

Er bemerkte die Spiegelung des Wassers zwischen den dichten Bäumen hindurch blitzen. Der Tag war eigentlich viel zu schön für all die Verzweiflung in seinem Herzen.

Er hielt erst inne, als seine Füße keinen Meter mehr vom Wasser entfernt waren. Mitten im Lauf stoppte er und lies sich am kiesigen Ufer des Sees zu Boden sinken.

Er spürte seine Augen brennen und wie die Tränen anfingen stumm sein Gesicht hinunter zu laufen. Sein Körper bebte bei jedem lautlosen Schluchzen.

Warum heute?

Alles war so fehlerlos perfekt gewesen. Ein Nachmitttag voller Lachen und albernen Witzen. Und er hatte sich aufstacheln lassen. Remus hatte niemals gedacht, dass soetwas hätte passieren können. Doch das war es.

Warum Lilli? Er hatte das nicht gewollt. Nur zweimal hatte der Wolf außerhalb des Vollmonds unkontrolliert Besitz von ihm ergriffen.

Und nun war es wieder passiert und er hatte Lilli verletzt.

Vor James Gesicht hatte Remus in diesem Augenblick fast so viel Angst wie vor sich selbst. Würde er verstehen dass es ein Unfall gewesen war? Würde es überhaupt irgendjemand je verstehen?

Remus verstand es ja selbst nicht. Er lebte mit einem Dämon in seinem Innern und nun hatte dieser zugeschlagen ohne dass er es hätte voraussehen können.

Er schlang die Arme um seine Knie und vergrub das Gesicht darin. Versteckte sich in der Dunkelheiut vor dem Licht, das erbarmungslos auf das Blut auf seinen Schuhen schien. Lillis Blut. Remus ertrug den Gedanken kaum.

Er war nur ein verzweifelter Junge allein im Wald.

Dieser Gedanke war so beruhigend traurig, dass seine Tränen für den Moment versiegten.

Er saß eine ganze Weile so da und lauschte seinem ungleichmäßigem Atem.

Und für ein paar Augenblicke konnte er die Gedanken an seine Tat davon schieben, doch dann hörte er die Schritte. Eigentlich hätte er sie mit seinen Ohren früher bemerken müssen. Das konnte kein Mensch sein.

Remus sprang blitzschnell auf und wirbelte herum.

Zwischen zwei hohen Kiefern stand ein tiefschwarzer, großer, zottiger Hund, dessen Konturen zu verschwimmen begannen. Die Verwandlung dauerte nur Sekunden und im nächsten Moment stand da ein nur mit seinem Umhang bekleideter Sirius.

Two lonely WolvesWhere stories live. Discover now