Nach einer Weile drehten sich die beiden Jungen in die Richtung, in der ich in der Ecke kauerte und sahen mich verwirrt an. Mein Bruder kam auch mich zu und kniete sich vor mich hin. Er wollte mich an der Schulter berühren, doch ich zuckte zurück. „Hör zu, das vorhin war nicht in Ordnung und es tut mir leid, dass ich dich so angeschrien habe. Ich habe gehört, dass du dich um meine Freundin gekümmert hast. Darf ich fragen, warum du dass gemacht hast?" „Ich helfe einfach gerne. Und das ist für dich." Mit diesen Worten übergab ich ihm die Kopien meiner Geburtsurkunde und die des Scheins, den meine Eltern ausgefüllt hatten, als sie mich weggegeben hatten.
Nachdem er eine Zeit lang auf die Papiere gestarrt hatte, drehte er sich mit Tränen in den Augen wieder zu mir. Er kniete sich erneut vor mich und fragte leise, ob er mich umarmen dürfe. Ich nickte und diesmal zuckte ich nicht. Es fühlte sich so schön an vom eigenen Bruder umarmt zu werden. Als er sich wieder von mir löste wischten wir uns beide erstmal die Tränen aus den Augen, bevor wir uns aufrichteten und uns zu dem blonden Jungen drehten, dessen Namen ich leider noch nicht kannte. Mein Bruder ging auf ihn zu und umarmte ihn freundschaftlich und murmelte etwas, was ich nicht verstand. Daraufhin ging er Richtung Tür. Gerade als er die Wohnung verlassen wollte, viel mir ein, dass ich mich bei ihm noch überhaupt nicht bedankt hatte. Also rief ich ihm ein „Danke!" hinterher und er drehte den Kopf und zwinkerte mir zu. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und jetzt war ich mit meinem Bruder alleine. Zögerlich fragte ich ihn, wie viel Uhr es sei, da es mittlerweile schon spät sein musste und auf der Ausgangs-Erlaubnis stand, dass ich um acht wieder im Heim sein musste. Auf meine Frage hin antwortete er, dass es halb acht sei und bei dieser Nachricht fuhr ich erschrocken zusammen. In einer halben Stunde schaffte ich es doch niemals auf die andere Seite der Stadt. Ich musste ihn wohl sehr erschrocken angesehen haben, da er mich besorgt fragte, was denn los sei. Daraufhin erklärte ich ihm das Problem und er meinte, dass er mich mit dem Auto fahren würde. Das bot nicht nur die Chance, nicht allzu spät zurück zu kommen, sondern auch die Möglichkeit noch etwas Zeit mit meinem Bruder zu verbringen.
Als ich dann später im Bett lag, erinnerte ich mich an die Autofahrt zurück. Ich hatte ihn die ganze Fahrt lang mit Fragen gelöchert und wusste jetzt einiges mehr über ihn. Zum Beispiel, dass er mit Vornamen Louis heißt, dass er es nicht mag, wenn sein Name „Lewis" ausgesprochen wird, dass er an Weihnachten Geburtstag hat, was ich persönlich sehr doof finde, weil man dann ja nur einmal Geschenke bekommt und noch viele weitere Sachen. Mein Handy gab einen Ton von sich und der Bildschirm leuchtete auf. Ich hatte eine SMS bekommen. Ich griff danach und sah, dass sie von Louis war. 'Gute Nacht, kleine Schwester. -L- ' hatte er geschrieben. Ich schickte ihm auch eine Gute-Nacht-Nachricht und schloss mit einem Lächeln auf den Lippen meine Augen.
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Changing lives
FanfictionAnna ist 16 Jahre alt und lebt seit einigen Tagen im Waisenhaus, nachdem ihre Eltern bei einem Brand ums Leben gekommen sind. Doch als sie eines Nachmittags zufällig ein Gespräch zwischen der Heimleiterin und einer der Betreuerinnen mit anhört, mach...