Kapitel 4

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„Aufstehen Miss. Es ist schon lange Morgen und wenn sie sich nicht beeilen kommen sie zu spät zum Tee mit Sir Harry und seinen Gästen.“

Die Dienerin zupfte Sarah leicht am Saum ihres Nachthemdes. Sie mehr zu berühren traute sich die arme Frau nicht, aus Angst vor der Strafe die sie von Sir Harry bekommen würde, wenn Sarah auch nur eine leicht gerötete Stelle am Körper hatte.

Die Enkelin des Sirs schlug schläfrig die Augen auf und blickte der Dienerin in ihr zerschundenes Gesicht. „Guten Morgen, Charlotte.“, sagte Sarah müde und ließ ihren eisblauen Blick durch ihr Zimmer gleiten.

Erschrocken richtete sie sich auf und blickte hektisch umher.

Als sie anfing die Decken abzustreifen legte Charlotte ihrem Schützling beruhigend eine Hand auf die  Schulter und fragte: „Was ist denn passiert, Miss?“

Sarahs Blick richtete sich auf etwas hinter der älteren Frau und schien sich zu entspannen. Sie seufzte erleichtert und rief: „Da bist du ja, Scops.“

„Wie bitte?“, fragte die Zofe verwundert und sah das blonde Mädchen fragend an. „Wer ist Scops?“

Eine Sekunde später, als Sarah gerade anfangen wollte ihr ihren neuen Freund vorzustellen, schrie Charlotte schrill auf und machte einen Satz zur Seite.

„Was… was ist das?!“, kreischte sie und starrte ängstlich auf den kleinen, grauen Kater.

„Eine Katze. Kein Grund zur Aufregung.“, versuchte Sarah ihre Zofe und auch Freundin zu beruhigen. Charlotte atmete erleichtert auf und ließ sich erschöpft auf den Rand des Bettes gleiten. Mit zitternden Händen strich sie eine ihrer roten Strähnen unter die Haube, die den Rest ihrer Haare verbarg.

„Sie dürfen mich nicht so erschrecken, Miss. Ich bin auch nicht mehr die Jüngste.“

„Red´ doch keinen Stuss. Du bist erst fünfunddreißig!“

„Mrs Polm ist genau in diesem Alter vor einem Jahr verstorben.

Niemand weiß weshalb und ich habe den Verdacht, dass es eine Krankheit war, die sie sich von einen ihrer indischen Teehändler eingefangen hat.

Und ich habe jeden Dienstag bei ihr Tee getrunken!

Wahrscheinlich hat sie mich angesteckt und ich gehe auch bald dem Ende entgegen.“

Charlottes Stimme bebte vor Aufregung und sie legte sich theatralisch eine Hand an die Brust.

„Ach Miss! Dann habe ich ja auch Sie angesteckt.

Das tut mir so leid.“

„Sie haben keine Krankheit und auch Mrs Prom hat sich die Pest nicht von einen ihrer Lieferanten eingefangen.

Vor kurzem habe ich aus geheimen Quellen erfahren, dass es der Tabak war, den sie heimlich geraucht hatte.“

Es war eine Lüge gewesen, die Sarah der Frau aufgetischt hatte, doch diese biss wie geplant an und schlug sich vor Entrüstung auf den Mund.

„Herrje, herrje.

Das ist wohl aus dem graziösen Wesen dieser Frau geworden. Die Sucht hat sie in ihre pechernen Höhlen gerissen und verschlungen. So musste es wohl mit dieser Sünderin kommen. Alles hat seine Strafe.“

„Aber Charlotte, du musst mir versprechen es für dich zu behalten!“ Beschwörend legte Sarah ihr eine Hand auf die zusammengefalteten Finger und zwinkerte ihr zu.

„Natürlich, Miss. Was denken Sie nur von mir!“

„Ich glaube ich sollte mich langsam für den Tee fertig machen. Es ist schon spät und Verspätungen werden nicht gerne gesehen, wie du weißt.“, erinnerte sie ihre Zofe an deren eigentliche Absichten, um das vorherige Thema fallen zu lassen.

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