Hilflos

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Am nächsten Tag schaute ich mich misstrauisch im Spiegel an.

Ich hatte ziemlich schwarze Augenringe und absolut keinen blassen Schimmer, woher sie kamen. Immerhin war ich gestern relativ früh im Bett gewesen.

Ich seufzte.

Den gut aussehenden Jungen von gestern konnte ich damit ja wohl nicht beeindrucken. Ich schaute auf die Uhr. Ich war mal wieder spät dran. Schnell vertuschte ich meine schwarzen Augen mit etwas Make-Up und rannte hinunter in die Küche. Schnell schnappte ich mir eine Banane und stürmte mit einem "Tschüss!" aus der Wohnung.

Auf dem Fahrrad aß ich schnell meine Banane und warf mir dann noch schnell ein Pfefferminzbonbon in den Mund.

Ich kam noch einigermaßen pünktlich zum Unterricht, weil ich im Affentempo mit dem Fahrrad durch die Straßen gefahren war.

Auf dem Schulgelände traf ich Marc. Er machte eine Bewegung, als würde er irgendetwas an seinem Ohr machen. Ich verstand.

Ich nahm schnell meine Stöpsel aus dem Ohr und steckte meinen Ipod in die Tasche.

Wenn meine Mutter wüsste, dass ich beim Fahrradfahren Musik hörte, würde sie garantiert ausflippen.

Ich lächelte Marc an. "Hi", begrüßte ich ihn.

"Hi, gut geschlafen?", fragte er.

Ich nickte. "Ja, alles super."

Ich versuchte mich immer wieder selbst zu überzeugen, dass es mir gut ging. Es klappte nicht immer, aber wenigstens begann ich den Tag so weniger deprimiert.

Wir gingen ins Schulgebäude und betraten die Klasse.

Keyla saß schon an ihrem Platz und begrüßte mich freudig.

Irgendwas war anders an ihr.

Dann fiel es mir auf, ihr Lächeln war strahlend weiß.

"Du hast dein Zahnspange rausbekommen!", rief ich freudig.

Sie konnte nicht aufhören zu grinsen. "Ja, der Zahnarzt hatte gestern endlich Erbarmen mit mir. Nach zwei Jahren!"

Ich lächelte.

Dann schaute ich mich um und sah den Jungen auf seinem Platz sitzen.

Ich beugte mich zu Marc.

"Wer ist das, der da hinten an der Wand sitzt?", fragte ich ihn flüsternd.

Er schaute etwas grimmig drein. "Das ist David. Er redet mit niemandem, alle, die sich ihm nähern, weist er ab. Selbst die letzten Mädchen haben es aufgegeben."

Ich nickte. Das warf irgendwie noch mehr fragen auf. Doch der Name David passt irgendwie zu ihm.

Während den Stunden schaute ich oft zu David, doch er schien kein einziges Mal in meine Richtung zu gucken. Er schien das Geschehnis von gestern völlig aus seinem Gedächtnis gestrichen zu haben.

In der Mittagspause setzte ich mich dann doch nicht zu ihm. Ich hatte es erst gewollt, doch dann hatte er mich mit einem so kalten Blick bedacht, dass ich mich mit eingezogenem Kopf schnell zu Marc und Keyla gesetzt hatte.

Ich konnte jedoch wieder nicht den Blick von ihm abwenden, wie er da so lässig in seinem Stuhl saß und das Treiben um ihn herum mit zusammengekniffenen Augen beobachtete.

Ich redete mit ständig zu, nicht immer zu ihm zu schauen, jedoch war das fast unmöglich.

In Biologie wurde er dann doch einmal unfreiwillig aufgerufen und ich hörte mal wieder seine Stimme. Sie war tief und schmeichelnd, doch war sie in dem Moment sehr herablassend und ich sah, wie sich die Lehrerin danach unwohl umdrehte.

Nach der Schule verabschiedete ich mich von Keyla und Marc und ging hinüber zu den Fahrrädern. Als ich mein Schloss abmachte, sah ich David aus dem Gebäude gehen und ich schwang mich schnell aufs Fahrrad, um ihm zu folgen.

Ich überlegte garnicht erst, sondern tat es einfach. Eine Art Instinkt. Selbst wenn er mich entdeckte, konnte ich immer noch sagen, dass ich ja wohl genauso im Haus wohnte wie er, also den gleichen Schulweg hatte.

Ich folgte ihm durch die Stadt, während ich mein Fahrrad schob.

Er ging in den Straßen entlang, als wäre er ein Model oder so. Ich schüttelte den Kopf, um mir solche Gedanken zu verbieten.

Als wir an unserer Wohnung ankamen, schob ich mein Fahrrad zu den Containern. Ich lehnte es an den Zaun und spähte vorsichtig um die Ecke.

David schloss gerade die Türe auf. Plötzlich kam mit der Gedanke, warum ich ihm eigentlich gefolgt war, das war doch totaler Schwachsinn.

Doch da kam er schon auf mich zu.

Schnell zog ich den Kopf ein und drückte mich flach an die Wand.

Mit geschlossenen Augen betete ich zu allen Heiligen, dass er mich nicht entdeckte.

Jedoch kam er in dem Moment um die Ecke und ich kniff die Augen zusammen, als könnte ich mich so unsichtbar machen. Trotzdem drehte er sich direkt zu mit um und schaute mir in die Augen.

Ich öffnete die Augen und sog scharf die Luft ein. Hoffentlich machte er nichts schlimmes.

"Spionierst du mit etwa nach?!", zischte er hasserfüllt.

Da das den Nagel genau auf den Kopf traf schüttelte ich um so heftiger den Kopf.

"Spionieren? Ich?", stammelte ich hilflos und kicherte gezwungen. "Also... wie kommst du denn auf so was.... ich hab doch nur kurz den Müll rausgebracht..."

"Denkst du ich wäre blöd? Ich weiß genau, dass du mir hinterher läufst!"

Jetzt wurde ich langsam wütend. Man konnte mit mir durchaus ruhig reden, doch das hatte er ja wohl erst garnicht versucht.

Kein Wunder, dass er keine Freunde hatte.

"DAS STIMMT DOCH GARNICHT!", brüllte ich ihn jetzt an. Jetzt war ich richtig sauer. Obwohl ich ihn verfolgt hatte, hatte er mich von Anfang an so angeschnauzt. Ich hatte es langsam satt, dass er mich so behandelte, ich hatte ihm doch gar nichts getan. Fehlte jetzt nur noch, dass ich anfing zu heulen.

Er zuckte zurück und ich rannte an ihm vorbei nach oben in die Wohnung.

Erst auf meinem Bett fing ich an zu weinen.

Bloodmoon (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt