Kapitel Neun

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Langsam strich er mit seinen Lippen über meinen Nacken und begann diesen zu liebkosen. Ein leises Stöhnen entwich mir. Vorsichtig, um diesen Moment nicht zu zerstören, drehte ich mich um und sah ihm in seine Augen. Als er den Blick erwiderte hatte ich das Gefühl, dass er bis auf meine Seele sah. Ohne dass ich etwas dagegen tun konnte, wanderte mein Blick zu seinen Lippen. Eine Sehnsucht tief in mir kam hoch und ich wollte ihn küssen. So als hätte er meine Gedanken gehört, beugte er sich langsam vor. Ich selbst stellte mich auf meine Zehen und legte eine Hand um seinen Hals. Gleichzeitig zog ich ihn weiter zu mir runter. Sanft schloss ich meine Augen, als ich auch schon seine Lippen auf meinen spürte. Seine Lippen schienen genau auf meine zu passen, so als seien sie für einander geschaffen. Da ich nicht so viel Ahnung vom Küssen hatte, oder besser gesagt gar keine, befürchtete ich alles falsch zu machen.

Nach einiger Zeit lösten wir uns wieder voneinander. Beide atmeten wir schwer und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als ihn erneut zu küssen.

Doch leider mussten wir los.

»Komm lass uns gehen. Die Anderen warten schon auf uns«, murmelte Satumar leise.

Etwas traurig nickte ich, bevor mir etwas, oder besser gesagt jemand, einfiel. »Was ist eigentlich mit Vraldes? Will sie nicht mit?«, fragte ich dann auch.

Kurz sah mich Satumar verwirrt an. »Die ist doch schon längst dort und hilft beim Aufbau, oder nicht?«, fragte er etwas irritiert.

Mit großen Augen schüttelte ich den Kopf. Hatten Limbara und Amandiel ihre Tochter vergessen?

»Mutter und Vater wollten sie doch mitnehmen«, sagte er langsam. »Sie haben sie doch nicht hier vergessen, oder doch?«, sprach er meine Gedanken aus.

»Sieht so aus«, bestätigte ich. »Jedenfalls ist sie noch im Bett und schläft.«

Leise fluchte Satumar. »Komm!«, rief er mir zu, als er in die Richtung von Vraldes' Zimmer ging.

Schnell ging ich hinter ihm her. Vor der Tür sah mich Satumar noch einmal fragend an und öffnete dann leise die Tür, als ich bestätigend nickte. Mit zwei Schritten stand er in der Mitte des Raumes und blickte auf Vraldes hinab, die tief und fest schlief. Die Decke bis zum Kinn gezogen lag sie auf ihrem Bett. Ihre langen, blonden Haare fächerten sich um ihren Kopf herum.

Als ich zu Satumar sah, bemerkte ich, wie sein Gesichtsausdruck weich wurde und ich konnte erkennen, wie sehr er Vraldes liebte. Leise machte Satumar noch einen Schritt auf sie zu und rüttelte sie sanft an den Schultern, um sie zu wecken.

Schlaftrunken öffnete Vraldes ihre Augen. »Hm?«, murmelte sie, bevor Vraldes sich erinnerte, was heute war. Sofort war sie hellwach. »Wieso habt ihr mich nicht vorher geweckt?«, beschwerte sie sich und warf Satumar und mir einen giftigen Blick zu.

»Ich habe es auch gerade erst erfahren«, entschuldigte ich mich und hob abwehrend die Hände.

Vraldes wütender Blick huschte zu Satumar. Dieser wich ihrem Blick aus und warf mir einen hilfesuchenden Blick zu. Irgendwie war es süß, dass er so hilflos war.

»Ich dachte, dass dich Mutter und Vater schon mitgenommen hatten«, brachte er dann doch heraus. Daraufhin musste ich schmunzeln. Es war echt süß, dass er seiner Schwester so ergeben war.

Diese sah ihn noch einen Moment vernichtend an, bevor sie nickte. »Hauptsache, ihr habt mich überhaupt geweckt«, grummelte sie dann, stand auf und wühlte in ihrem Schrank nach etwas Passendem zum Anziehen. Triumphierend hielt sie nach einiger Zeit ein rotes Kleid hoch. Abwartend sah sie uns dann an, bis ich endlich verstand, was sie wollte. Sanft zog ich Satumar am Arm aus dem Raum, woraufhin er mich kurz komisch ansah, dann aber verstand, dass sich Vraldes umziehen wollte.

»Ganz schön frech die Kleine«, meinte ich dann zu ihm, als wir außer Hörweite waren.

»Vor allem bei Stresssituationen«, murrte Satumar.

Leise lachte ich. Das konnte ich mir gut vorstellen. Wenn ich unter Stress stehe, dann sollte man mich auch besser in Ruhe lassen. Ich erinnerte mich noch gut daran, wie ich deswegen mal meinen Vater angeschnauzt hatte. Danach hatte er mich eine Woche lang ignoriert. Seitdem achtete ich darauf, was ich wann sagte.

Eine Zeit lang warteten wir noch und ich wollte gerade fragen, was sie so lange machte, als die Tür aufging und Vraldes herauskam. Das Kleid stand ihr sehr gut. Es ging ihr bis zu den Kniekehlen und war oben mit kleinen Steinen besetzt.

»Gut siehst du aus«, sprach ich meine Gedanken aus und beobachtete, wie Vraldes hochrot anlief und sich leise bei mir bedankte.

»Lass uns gehen«, murmelte sie dann leise und lief vor zur Tür. An dieser angekommen, drehte sie sich zu uns um und wartete, bis auch wir dort ankamen. Dann öffnete sie die Tür, schlüpfte hindurch und lief wieder etwas vor. Ihre Aufregung war ihr anzusehen. Andauernd lief sie ein paar Schritte vor, nur, um dann auf uns zu warten.

»Vraldes, bleib doch bei uns«, grummelte Satumar irgendwann genervt.

Entschuldigend senkte sie den Kopf und lief neben uns her.

»Bist du aufgeregt?«, fragte sie dann und knetete nervös ihre Hände.

Einen Moment überlegte ich, bevor ich ihr leise antwortete: »Nicht wirklich. Klar, bin ich schon etwas nervös, aber es hält sich noch im Rahmen.«

Liebevoll sah mich Satumar an und griff dann nach meiner Hand. Beruhigend drückte er diese leicht und lächelte mich an.

Schon nach kurzer Zeit konnte ich lautes Stimmengewirr hören. Einmal meinte ich, Amandiels Stimme zu hören, wie er etwas rief, aber sicher war ich mir nicht. War ich bis gerade noch relativ ruhig, merkte man davon jetzt nichts mehr. Nervös fuhr ich mir immer wieder mit meiner linken Hand durch meine Haare, bis Satumar irgendwann auch diese Hand nahm, stehen blieb und mir tief in die Augen sah.

»Ganz ruhig«, versuchte er mich zu beruhigen. »Ich werde immer bei dir sein.«

Sofort spürte ich, wie meine Nervosität zwar nicht ganz verschwand, aber doch etwas abflaute. Leise bedankte ich mich bei ihm, was er mit einem Lächeln quittierte und dann meine linke Hand los ließ. Langsam kamen wir dem Stimmengewirr immer näher.

Die letzten Meter lief Vraldes wieder vor, bis sie um eine Häuserecke verschwand. Satumar rief ihr zwar nach, doch hörte sie ihn entweder nicht oder sie ignorierte ihn. Kurz schnaubte er, lief los und zog mich mit sich, da er immernoch meine Hand hielt. Ich versuchte zwar, mich loszureißen, weil ich mit dem Kleid nicht laufen wollte, aber dies ließ Satumar nicht zu. Fest hielt er meine Hand in seiner, während wir weiterliefen. Nach kurzer Zeit bogen wir um die Häuserecke, doch Vraldes war nicht zu sehen.

Der rote MorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt