Castor:
Ich will das nicht mehr.
Ich kann das nicht mehr.
Und damit meine ich nicht den Entzug, sondern die Abhängigkeit.
Ich weiß, dass es mir schadet.
Ich weiß, dass es mir Dinge vorspielt, die nicht real sind.
Ich weiß, dass ich Seth nicht liebe und nie geliebt habe, dass er mich wieder abhängig gemacht hat aber genauso gut weiß ich, dass ich das selbst zu verantworten habe.Ich war so schwach, habe diese eine Pille genommen, die mich durch diese Entscheidung zurück in den Konsum dieses Teufelszeugs gerissen hat.
Immer noch nicht weiß ich, was ich da überhaupt genommen habe. Es fühlt sich an, wie nach meinem Heroinentzug, nur schlimmer.
Bisher hatte ich nie das Bedürfnis, mich selbst zu verletzen, aber jetzt schon. Vor allem, weil ich weiß, dass ich mir diese körperlichen Schmerzen nur einbilde.
Naja, jetzt nicht mehr, denn jetzt habe ich eine reale Wunde.Außerdem wollte ich mich bestrafen. Verdient hab ich es ja.
Was ich mir selbst antue, was ich Lucas antue, gehört bestraft. Ich habe eigentlich so viel Schlimmeres verdient.
Aber ich weiß, dass auch die Vorstellungen, wie ich mir selbst wehtue, nicht mein wahres ich sind. Ich kann mir gut vorstellen, dass das Nachwirkungen von LSD sind, was bestimmt in der Pille mit drin war.
Mittlerweile glaube ich, Seth hat da alles Mögliche reingemixt. Und ich muss jetzt alles gleichzeitig abbauen, obwohl die Wirkungen immer nur nacheinander eingetreten sind.Während meine Hände verkrampfen, vergrabe ich sie in meinen Haaren und ziehe daran.
Meine Augen tränen, obwohl ich nicht weine. Vielleicht schwitzen sie einfach nur, sowie der Rest meines Körpers.
Ich schwitze an Stellen, von den ich nicht wusste, dass das möglich ist und eigentlich kenne ich meinen Körper ziemlich gut. Es fühlt sich an, als sei mein Körper voller kleiner Ameisen, die mich mit ihrer brennenden Pisse verseuchen.
Zeitgleich bilde ich mir ein, auf dem Nordpol zu stehen und zu erfrieren.Aber das schlimmste daran ist dieser Blick, mit dem Lucas mich angesehen hat. So verurteilend, nachdem er mich gefunden hat.
Noch nie habe ich diesen Blick bei ihm gesehen. Noch nie habe ich mich so wertlos gefühlt, als er mich angeschaut hat.
Aber das verleitet mich nicht dazu, mir noch mehr Drogen zu wünschen. Im Gegenteil.
Ich will stark sein, ihm beweisen, dass ich besser sein kann. Ich will ihn stolz machen.Trotzdem brauche ich für heute einfach meine Ruhe. Ich schließe mich in dem Zimmer ein, meine Worte haben Lucas so sehr verschreckt, dass ich genügend Zeit hatte, danach die Tür zuzuschließen, bis er dagegen klopfen konnte.
Jetzt ist es wieder Abend, die Versuche einzuschlafen machen alles um so viel schlimmer. Denn je ruhiger ich versuche zu werden, desto größer wird der Schmerz.
Bis zum Morgen verbringe ich Stunden alleine in meinem Bett.
Sie kommen mir vor wie Jahre.
Aber irgendwann muss ich auch mal auf Toilette. Daher schlage ich vorsichtig die Bettdecke zurück und drehe den Schlüssel im Schloss um.Als ich auf den Gang trete und mich umsehe, erkenne ich, dass Lucas auf dem Boden sitzt und schläft.
Die Position sieht nicht gerade gemütlich aus, aber meine volle Blase ist auch nicht angenehm, weshalb ich zuerst pinkeln gehe, dann meine Zähen putze und schließlich zurück zu Lucas gehe.Ich knie mich vor ihn auf den Boden, bemerke dabei, dass ich vor 20 Stunden noch zusammen gebrochen wäre bei dieser Bewegung. Jetzt halte ich es aus.
Ich streiche ihm über die Wange, bis er wach wird und verschlafen blinzelt. Meine Hand nehme ich trotzdem sofort weg, als er wach ist. Ich weiß ja nicht, ob er gerade lieber abstand will.
„Wie geht's dir?", murmelt er gähnend, während er sich aufrichtet.
Wortlos umarme ich ihn. „Ich hab das gestern nicht so gemeint"
Er streicht mir durch die Haare. „Ich weiß, Cassy. Das weiß ich doch. Und jetzt sag mir wie es dir geht. Hast du geschlafen?"
Kopfschüttelnd umarme ich ihn fester.
Er seufzt. „Sollen wir es mal versuchen?"
Ich nicke, da ich mehr als müde und einfach nur fertig bin.Lucas und ich legen uns zusammen ins Bett, ich kuschele mich an ihn.
Ich zittere zwar noch, aber ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt, genau wie an den dumpfen Schmerz an meinem gesamten Körper.
Ich will mich nicht zu sehr an ihn drücken, weil ich es auch nicht lecker finden würde, wenn er seinen Schweiß an mir abwischt, doch er zieht mich so nah an sich heran, dass meine Wange es sich in seiner Halsbeuge gemütlich machen kann.
Dann fängt er an zu summen. Die Vibration seiner Stimmbänder in Kombination mit dem Pulsieren seiner Schlagader beruhigt mich. Ich konzentriere mich einfach nur darauf. Solange, bis ich einschlafe.Im Verlauf der Woche bemerke ich, wie es mir immer besser geht. Vor allem, weil Lucas mir Aufgaben gibt, die ich erledigen soll.
Zwar sind die Scheiße und langweilig, aber es lenkt mich ab, darüber nachzudenken, wie behindert ich es finde, das ich putzen muss.Als nach einer Woche meine Muskeln endlich aufhören ständig zu zittern, will Lucas, dass ich wieder Gitarre spiele.
Das lenkt mich dann noch besser ab, weil ich auch noch Spaß dabei habe.Während ich das tue, sitze ich auf dem Sofa und Lucas kocht in der angrenzenden Küche, doch ich höre ihn singen.
Seine Stimme macht mich einfach glücklich, seine Anwesenheit gibt mir die Kraft, daran zu denken, was ich wirklich brauche.
Keine Drogen, kein Seth, keine Flucht vor der Welt und all ihren Eindrücken, sondern nur Lucas.Ich bin ihm so unendlich dankbar dafür, dass er in all dieser Zeit nicht einmal von meiner Seite gewichen ist und dass er alle, die nach mir sehen wollten, abgewimmelt und in der Schule behauptet hat, ich hätte eine Grippe.
Ich bin nicht stolz auf mein Drogenproblem und Lucas weiß das.
Doch er wird das Geheimnis für sich behalten, da bin ich mir ganz sicher.
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Liebe ist auch nur eine Sucht (boyxboy)
Подростковая литератураAchtung! Dies ist nicht die Geschichte einer Liebe wie sie beginnt, sondern wie sie endet. Aber vielleicht sollten wir doch erstmal von vorne anfangen: Es waren einmal zwei Jungs, beste Freunde, die unzertrennlich waren. Sie wuchsen zusammen auf un...