Oakland

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Wie abgefuckt dein Leben wirklich ist, weißt du erst, wenn deine Eltern dich aus dem Ghetto, in dem du aufgewachsen bist, in das nächste Ghetto zu deiner Tante bringen, die du noch nie zuvor im Leben gesehen hast.

Ich bin Maria. Ich bin 16 Jahre alt und komme aus Lynwood. Dass ich dort geboren und aufgewachsen bin, ist nicht meine Schuld. Mein Vater ist ein Säufer, der früher eine gute Arbeit hatte und meine Mutter und mich hätte ernähren können, stattdessen hat er unser Geld versoffen und verspielt. Meine Mum zwingt sich immer dazu, positiv zu denken und das beste aus allem zu machen, doch jeder Mensch hat eine Belastungsgrenze. 

Ich glaube, diese Grenze ist nun erreicht.

Seitdem die Kriminalität an meiner Schule außer Kontrolle geraten ist und regelmäßig jemand umgebracht, ausgeraubt oder vergewaltigt wird, sorgt sie sich noch mehr um mich. In ihren Augen bin ich ein hübsches, schüchternes Mädchen, das zu intelligent ist, um auf dem Pausenhof abgeschlachtet zu werden.

Ich gebe zu, dass ich manchmal Angst habe, wenn mal wieder die Sirenen aufheulen und Schreie widerhallen. Auf meine Schule könnte ich gut verzichten, wären dort nicht meine Freunde. Ich habe keine Ahnung, was hier auf mich zukommen wird.

Wir folgen dem Schild mit der Aufschrift >Oakland< und biegen rechts ab. „In einer halben Stunde sind wir da.", sagt mein Vater. Er hat schon seit Wochen nicht mehr getrunken, doch findet trotzdem keinen Job. Zuletzt hat er versucht, unser Haus anzuzünden und sich danach so erschrocken, dass er versprach, trocken zu werden. Eigentlich war er immer der stille Alkoholiker, der sich einfach zufrieden zurücklehnt und seinen Rausch genießt, aber das änderte sich schleichend, bis zu der besagten Nacht...

Wir biegen in eine kleine Seitenstraße und halten vor einem hübschen, gelben Gebäude mit weißen Fensterrahmen. Es sieht schick aus, vielleicht lande ich hier ja doch nicht bloß in einer weiteren Bruchbude. Aus der Tür kommt eine blonde, zierliche Frau. Sie hat sich die Haare zurückgebunden und man sieht ihr schon aus dieser Entfernung an, dass sie müde und kaputt vom Arbeiten ist. Wir steigen aus und meine Mutter umarmt sie fest. Die besagte Frau ist ihre Schwester und beide haben sich schon Jahre nicht mehr gesehen. Auch mein Vater steigt aus und umarmt sie. Dann starren sie mich an. 

Das ist wohl mein Einsatz. Ich lege meine Kopfhörer zur Seite und verstaue meine Handy in meiner Hosentasche. Ich steige aus und gehe langsam auf die drei zu. „Hallo Maria, ich bin deine Tante Melinda.", sagt sie freundlich, doch ich antworte nicht. Sie streicht mir über den Arm und wir gehen rein.

Der Haupteingang führt direkt durch ihr kleines Café. Die Wände sind weiß, der Boden grau und die Möbel in Holzoptik sehen sehr edel aus. „Das ist mein ganzer Stolz. Ich habe dieses Café vor einigen Jahren eröffnet und immer wieder einen Teil renoviert, sobald das Geld ausreichte. Ich freue mich darauf, dass du mir hilfst, es weiter so gut am Laufen zu halten."

Ich weiß nicht, ob ich ihr dabei wirklich helfen kann, aber ich nicke. Wir gehen weiter und gelangen in den privaten Bereich. Sie hat ein großes, offenes Wohnzimmer, führt uns zur Küche und zu den Schlafzimmern oben. Sie hat ein kleines Zimmer extra für mich umgeräumt und ein paar Möbel gekauft. Es stehen dort ein Bett, ein Schrank, eine Kommode und ein Schreibtisch. Alles in weiß, der Boden besteht aus beigem Teppich und die Wände sind weiß-gelb. Es ist ganz schön, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das nun mein zu Hause werden soll. 

Was haben sich meine Eltern bloß dabei gedacht?

Wir setzen uns unten in die Küche und die drei unterhalten sich noch eine Weile. Die Situation ist ziemlich angespannt und Melindas prüfender Blick wandert immer wieder zu meinem Vater. 

Meine Eltern brechen auf, nachdem sie ihre Tasse Tee ausgetrunken haben. Meine Mutter kann sich die Tränen nicht verkneifen und drückt mich viel zu fest. Mein Vater umarmt mich kurz, denn er ist nicht so der emotionale Typ.

Als sie gehen, gehe ich hoch in 'mein Zimmer' und sortiere meine Sachen ein. Ich habe nicht viel mit, also findet alles schnell seinen Platz. 

Dann steht Melinda in der Tür und räuspert sich. „Ich hoffe, du fühlst dich wohl hier. Ich werde versuchen, dir ein gutes zu Hause zu bieten, Maria." Ich schaue sie an und bedanke mich. „Ich bin ziemlich müde, also werde ich gleich schlafen gehen, wenn das ok ist..." Durch meine raue, belegte Stimme merke ich, dass ich gerade zum ersten Mal seit einer Stunde gesprochen habe. 

„Natürlich, das kann ich verstehen. Ich habe dich hier in der Schule bereits angemeldet. Sie geht morgen um 8 Uhr los. Also wecke ich dich um 7, ist das ok?" Ich nicke und verkneife mir den Kommentar, dass ich einen Handywecker habe. Mir wird schlecht bei dem Gedanken daran, auf eine neue Schule zu gehen. Gerade wenn ich daran denke, was mit den neuen Schülern auf meiner alten Schule so gemacht wurde...

Trust me, I am a Bad Boy. / AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt