Chapter 4

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Harry's POV

Ich werde es tun, ich werde es sowas von tun. Menschen die durch harte Zeiten, geprägt mit schlaflosen Nächten, kaum ertragbarem Anwesend-sein und regelmäßigen Stichen in das Herz, die Lunge oder sonst wo am Körper, gegangen sind, haben genau das gleiche getan wozu ich jetzt zurückgreifen werde. Es wird Überwindung kosten, aber danach bin ich frei. Ich bin dann frei, wenn es effektiv ist. Das wird es sein.

Mary wird das schon schaffen.

Was rede ich eigentlich?

Woher der Optimismus? Der einzige Grund wieso ich das machen werde, ist, damit sich meine Schwester endlich mal zusammenreißt und wieder anfängt ihr eigenes Leben zu leben. Ich komme mir vor wie ein 3 jähriges Kind, das keine lächerlichen 2 Schritte machen kann ohne beobachtet, geführt und kontrolliert zu werden.

Momentan stehe ich vor dem Haus in das ich noch keinen Schritt gewagt habe. Zu groß ist die Angst mich jemandem anzuvertrauen. Ich kenne nur Menschen, die über mich her ziehen, die mich vor die Bahngleisen schubsen möchten, weil ich es nicht wert bin zu Leben. Dennoch trete ich durch die Haustüre.

Der Aufzug ist defekt, also werde ich wohl die Treppen benutzen müssen.

Ich merke wie mit jeder Stufe die Aufregung größer, die Selbstzweifel stärker und die Realisierung einprägender wird. Schon lange ist es her, dass ich überhaupt irgendetwas spüren konnte, außer der Leere in mir. Es wird nicht helfen, es ist Geldverschwendung und die Leute werden mich verurteilen. Dann werden alle dahinter kommen und ich werde mich entgültig umbringeben müssen, weil mich alle durchschauen können.

Ich bleibe vor der Türe, die zur Praxis geht, stehen. Zu groß ist die Paranoia, etwas auf der anderen Seite zu finden, das mich enttäuscht. Ich sollte womöglich einfach umdrehen, mir eine Schachtel Zigaretten holen und mich auf irgendeine Bank, mit einer schönen Aussicht, setzten. Dort den restlichen Tag, und auch die Nacht, verbringen. Meine überschlagenden Gedanken werden mich schon unterhalten. Uni habe ich in nächster Zeit sowieso nicht mehr, meine Zukunft ist kaputt und ich bin es auch. Also was mache ich hier überhaupt?

In dem Moment als ich mich dazu entschließe umzudrehen, geht die Türe zur Praxis auf und eine Jugendliche, vielleicht 15-jährige, öffnet die Türe. Sie schaut mich expressionslos an, hält mir aber mehr oder weniger die Türe auf. Na klasse, jetzt bin ich dazu gezwungen rein zu gehen.

Ich schaue das Mädchen an, sie lächelt verlegen und das gibt mir einen Ruck.

Ich laufe in die Praxis. Ich weiß nicht was mich erwartet, aber die Holztheke, die den Empfang darstellt sieht schonmal recht 'heimlich' aus.

Mary sitzt an dem Empfang, ist aber gerade mit einem Telefonat beschäftigt. Dann aber schaut sie hoch und sieht mich auf sie zu gehen. Sie lächelt mich an. Wow, ich habe heute schon zwei Menschen zum lächeln gebracht. Scheint so, als wäre heute ein guter Tag. Zwei Menschen ein Lächeln ins Gesicht gezaubert zu haben ist natürlich kein Meisterwerk, aber ich muss mich an solchen Dingen festhalten, sonst würde ich mich direkt an der Garderobe erhängen.

Angekommen am Empfang, hat Mary bereits aufgelegt. Ich habe nicht mitgehört was sie am Telefon gesagt hat, zu vertieft war ich in meine Gedanken.
„Deine Schwester hat gefragt ob du da bist"sagt sie mit einem nicht-entzifferbaren Gesichtsausdruck. Ich nicke nur. Mary versteht und fängt gleich an zu erzählen. "Okay, also Frau Frey ist meine Chefin. Es war schwer sie davon zu überzeugen, dass ich dich übernehme. Ich bin recht zuversichtlich, aber falls ich eben nicht mehr weiter weiß, dann hoffe ich dass es okay ist wenn ich sie um Rat frage?",fragt sie und ich nicke ein zweites Mal. "Okay, dann komm mal mit",fordert sie mich auf, kommt hinter dem Thresen hervor und führt mich in den ersten Raum der sich links von dem Empfang befindet.

EmpathieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt