The Beautiful People

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Baracken der Roughnecks

Waagen, Harzgebirge

04.11.2158, 09:14 Uhr, Ehemaliges Deutschland


Thomas Sattler war wahrlich ein verdammt hässlicher Bastard.

Hel vermutete, dass der Sicherheitschef von Waagen sogar der hässlichste Mensch war, den sie in ihrem langen und ereignisreichen Leben je gesehen hatte, doch ohne Zweifel war er auch einer der glorreichsten.

Sie lehnte sich gegen das rostige Geländer der Grube und grinste, als sie auf das winterliche Trainingsareal unter sich blickte. Sattler stand in der Mitte der kreisrunden Arena, lediglich gekleidet in polierte Kampfstiefel, schwarze Militär-Hosen und ein dunkles Muskelshirt, dass geschätzte 180 Kilo pure Muskelmasse – knapp ein Kilo pro Zentimeter Körpergröße – kaum bedecken konnte. Wie immer schwitzte und dampfte der kompakte Riese, ein Umstand, an dem auch die grauen Schneeflocken nichts ändern konnten, die um sie herum fielen wie die Asche einer brennenden Stadt.

Die Elfe legte den Kopf in den Nacken und fing eine der Flocken mit ihrer langen, in der Mitte gespaltenen Zunge. Kurz darauf spuckte sie aus. Bitter. Ein Säure-Blizzard war mal wieder im Anmarsch, doch noch hatte sie mehr als genug Zeit, die Show vor sich zu genießen.

Ein sinnlicher Mund, der ein bisschen zu breit war, um perfekt zu sein, verzog sich zu einem amüsierten Lächeln, als sie die zehn Roughnecks-Anwärter betrachtete, die den massiven Sicherheitschef umrundeten wie ein Pack Wölfe einen Bären. Alles kampferprobte Veteranen der Stadtwache, doch im Vergleich zu Sattler wirkten sie fast wie Kinder.

Das Wort „massiv" war für den Sicherheitschef fast schon eine Untertreibung. Die enorm dicken Muskelstränge, die unter der ölig glänzenden Haut arbeiteten, ließen ihn aufgebläht und deformiert wirken. Das feiste Gesicht war schon fast ein Kunstwerk in Brutalität – ein Umstand, der durch die leere linke Augenhöhle, die sein Gesicht dominierte wie ein Atombombenkrater eine Stadt, nur noch verstärkt wurde. Ein Sammelsurium aus Narben aller Art bedeckte seinen Körper und legte Zeugnis über die ungewöhnliche Zähigkeit des Mannes ab. Sattler war kein Veränderter, doch es gab böse Zungen, die behaupteten, dass der Sicherheitschef des Grafen mehr als ein bisschen Mutanten-Blut in sich hatte.

Hel war gewillt, diesen Gerüchten glauben zu schenken.

Der Koloss lachte ohne zu lächeln. Ein knurriger Laut, der sich an der stinkenden Zigarre zwischen seinen Backenzähnen vorbeiquälte. Er rollte die massiven Schultern und Hels Lächeln verbreiterte sich, als sie sah wie ein paar der Anwärter einen Schritt zurück wichen.

Eine verständliche Reaktion. Sattler wirkte wie ein Bulle, der sich für den Ansturm bereit machte. Er saugte sogar noch einmal an seinem Zigarrenstummel und blies den stinkenden Rauch aus seiner breiten, vielfach gebrochenen Nase. Die weiteren Zuschauer mit ihr auf dem Balkon – bis auf wenige Ausnahmen Roughnecks – schlossen in letzter Minute noch einige Wetten ab, bevor Sattler seinen Zigarrenstummel ausspuckte und damit das Auswahlverfahren begann.

Die Anwärter schossen von allen Seiten auf den Sicherheitschef zu und Hels Finger schlossen sich fest um das rostige Geländer. Sie hatte was jetzt kam schon oft miterleben dürfen, doch es war jedes Mal wieder eine Freude. Mehr noch, es war eines ihrer heimlichen Vergnügen ...

Sattler mühte sich nicht mit einer Verteidigungshaltung, blockte nicht und wich den Schlägen und Tritten, die auf ihn niederprasselten, nicht aus. Er nahm sie stoisch hin, wetterte die Angriffe wie ein Fels die Brandung – und dies waren keine zurückhaltenden Schläge, sondern mächtige Hiebe. Schläge ins Gesicht, in die Nieren, selbst auf die Knie und in den Nacken. Nur nicht in sein ihm verbleibendes Auge und die Hoden. Dies war zwar nicht verboten, machte den zähen Sicherheitschef jedoch wütend, und keiner der noch bei Verstand war, wollte sich mit einem wütenden Sattler anlegen.

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