7.

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Ein muskelbepackter Arm legt sich um meine Schultern. Ich hebe den Kopf nach links und schaue in Adrians hübsches Gesicht.
„Na, Katie Kat."
Mit dem Zeigefinger drücke ich auf den seitlichen Knopf um mein iPhone zu schließen und schiebe es in die hintere Hosentasche meiner rosa Jeans.
„Na, Adri Ad?", erwidere ich zweifelnd, hinsichtlich des gewählten Spitznamens.
Er gibt ein kehliges Lachen von sich. Wir laufen weiter auf dem Weg Richtung Uni, Adrian hat immer noch den Arm um mich gelegt. Ein paar Mädchen schauen ehrfürchtig zu mir rüber. „Wie wärs? Hast du Lust heute einen Kaffee trinken zu gehen?"
Ich seufze und schiebe seinen Arm von meinen Schultern. „Ich habe leider keine Zeit."
Das entspricht sogar der Wahrheit. Heute habe ich nach den Kursen einen Termin mit einem jungen Schauspieler, der neue Headshots haben möchte.
„Dann morgen... ich höre erst auf zu fragen, wenn du ja sagst, Kate.", er strahlt mich an, während er das sagt.
Ich nehme zwei dicke Strähnen meiner Haare und ziehe daran, um den Zopf wieder fester zu haben. „Es haben sich schon Leute tot gefragt, wusstest du das?"
Er zieht einen Schmollmund und mir fällt sein leichter Drei-Tage-Bart auf. Mit den markanten Gesichtszügen, dem braunen Teint und diesen wirklich tollen locken, ist Adrian wirklich eine Augenweide. Und das weiß er auch.
Ab und zu frage ich mich, warum er nicht vor sondern hinter der Kamera steht. Als ich ihn kennengelernt habe, war ich regelrecht versessen darauf, ihn zu fotografieren, aber er hatte nicht zugestimmt. Durch ein Projekt, in dem wir unseren Alltag fotografieren sollten, habe ich aber wenigstens ein Foto von ihm neben Chase in der Bibliothek ergattern können.
An einen der Bäume gelehnt kann ich Ashlyn ausmachen und gehe erleichtert in ihre Richtung. Adrian kann wirklich hartnäckig sein. „Kate?", sagt er, kurz bevor wir unsere gemeinsame Freundin erreichen. „Wenn es da jemanden gäbe, würdest du es mir sagen, oder?"
Fast wünsche ich mir, dass es so wäre. Dann würde er wenigstens seinen Mund halten.
Allerdings stelle ich mich auch ziemlich gemein an - bei einem Kaffee trinken Date läuten schließlich nicht gleich die Hochzeitsglocken.
„Okay.", willige ich ein. Wahrscheinlich werde ich diese Entscheidung schon bald bereuen.
Adrian klatscht in die Hände. „Ist das dein Ernst?"
Wir erreichen Ashlyn, die die blonden Haare zu einem Zopf geflochten hat. „Was ist ihr Ernst?", fragt sie, als wir uns zur Begrüßung umarmen.
„Katherine geht einen Kaffee mit mir trinken."
Ich stöhne auf und blicke auf meine blauen Converse hinunter. Ashlyn sieht mich mit hochgezogener Augenbraue an.
„Was?", frage ich.
„Du gehst mit Adrian Lopez aus?"
„Du tust fast so, als wäre er Justin Bieber."
„Wohl eher Shawn Mendes."
Chase Stimme ertönt hinter uns. Er trägt zerrissene Jeans und einen grauen Hoodie, das schwarze Brillengestell auf der Nase.
Adrian und Ashlyn sehen mich fragend an. Ich schaue zu Chase rüber um ihn klar zu machen, dass er bloß nicht von dem Nummernaustausch erzählen soll.
„Habt ihr es denn noch nicht gehört? Sie geht mit ihm auf Tour."
Ashlyns blaue Augen werden so groß, dass ich fast ein bisschen Angst habe, dass sie rausfallen. „Ist das dein scheiß Ernst?"
Aufgeregt schultert sie ihre rote Tasche.
Ich zucke mit den Schultern, als wäre es keine große Sache. Aus irgendeinem Grund habe ich nicht besonders viel Lust darüber zu reden. Ich weiß nicht, wie ein so großer Auftrag bei meinen Kommilitonen ankommt.
Wir gehen in Richtung des Gebäudes, an dem die lila Flagge der NYU hängt.
Die NYU Tisch School of the Arts ist eine von fünfzehn Fakultäten der NYU. Als ich mir der Fotografie anfing, war es immer mein Traum, hier zu studieren.
Manchmal kann ich selbst kaum glauben, tatsächlich in New York groß geworden zu sein und eben diese Möglichkeit zu haben.
Mit der Fotografie habe ich angefangen, als meine kleine Schwester Gabriella auf die Welt gekommen ist. Sie war ein Frühchen und ich habe jeden Tag ein Bild von ihr geschossen um festzuhalten, wie es ihr von Tag zu Tag besser ging. Wie sie sich entwickelt hat.
Aber neben Ella, der es stetig besser ging, wurden auch die Fotos von Tag zu Tag besser. Während auf dem ersten Bildern noch ein bisschen Schatten zu sehen ist, ist er auf den letzten Bildern komplett weg.
Besonders Onkel Jim ist diese Entwicklung aufgefallen und er hat mich gefragt, ob ich nicht mal in seinem Studio ein paar Fotos schießen möchte.
Damals war ich selber gerade mal zehn.
Jedenfalls war das der Moment, in dem ich Blut geleckt habe. Ich wusste, dass ich Fotografin werden wollte und wenn dein Onkel ein Fotostudio hat, ist das natürlich unwahrscheinlich praktisch.
Ich bin jedes Wochenende ins Reed Photography gegangen, habe die Bilder für die Schülerzeitung gemacht und Familienfeste dokumentiert.
Seit dem ich sechzehn bin, habe ich meine Social Media Kanäle und meine Website. Zu Beginn noch als Katie, mit Anfang meines Studiums als Kate. Das war auch der Anfang meiner Tätigkeit im Studio.
Und auch das Reed Photography ist in den letzten Jahren um einiges größer geworden.
Mein Onkel hat es 2001 eröffnet, als normales Fotostudio für Passbilder und Bewerbungsfotos, aber in den letzten sechs Jahren sind immer größere Kunden auf uns aufmerksam geworden.
So auch Shawn.
Gestern habe ich auf seine Nachricht bloß mit einem „Ja und ich freue mich drauf" geantwortet.
Er hat daraufhin mit einem Daumen hoch Emoji reagiert.
Darauf hatte ich wiederum keine Antwort, zumindest keine gute. Obwohl ich das Gespräch sehr gern im Gang gehalten hätte.
Als wir in dem Hörsaal ankommen, in dem wir heute die „Visual Thinking" Vorlesung haben, setzen wir uns nebeneinander nach hinten. Ich setze mich zwischen Adrian und Chase, in der Hoffnung, dass Brittany mich nicht wieder die ganze Zeit über voll labern würde.
Ashlyn sieht mich empört an. „Du nimmst dir immer den besten Platz und ich muss..."
„Was musst du?", Brittany steht eine Reihe vor uns. Das macht sie immer wenn wir vor ihr da sind, um uns zu begrüßen.
„Neben Adrian sitzen."
Mit einem breiten Lächeln sieht sie Brittany an. Im Gegensatz zu mir kennt sie Brittany schon seit dem Kindergarten.
Die beiden waren nie wirklich befreundet, aber Brittany hatte sich an neuen Orten immer an Ashlyn gerichtet.
Ich bin mir sicher, dass Ashlyn im Gegensatz zu Chase nichts gegen sie hat, aber Brittany ist vom Typ her einfach Grund verschieden. Ashlyn ist ruhig und gelassen und lässt sich von nichts aus der Ruhe bringen.
Brittany hingegen ist das krasse Gegenteil. Sie ist laut und bunt, was sich auch in ihren Fotos widerspiegelt.
Während Ashlyns Fotos hauptsächlich in der freien Natur entstehen, die eine gewisse Ruhe ausstrahlen, ist Brittany immer an überfüllten Orten.
Trotzdem liebe ich ihre Fotos. Sie kann sich inmitten eines Gedrängels einfach auf ihren kleinen lila Hocker stellen und das Getümmel fotografieren. Das ist ziemlich beeindruckend.
Die beiden setzen sich schließlich nebeneinander und während der gesamten Vorlesung, kann ich Brittanys Flüstern hören.

Shawn Mendes: We keep this love in a photographWo Geschichten leben. Entdecke jetzt