chap 1'

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Ich schrie. Wie am Spieß. Krallte meine Nägel ins Bettlaken. Spannte meinen gesamten Körper an. Unterdrückte Tränen.

Nicht schon wieder. Meine Eltern. Wie lang war es her, dass ich das letzte Mal von ihnen geträumt hatte?

"Zoey. Traum. Nur ein Traum.", flüsterte mir jemand leise in mein Ohr und strich mit seiner Hand federleicht eine meiner vorgekrochenen Tränen weg.

Ohne die Hände von meinem verheultem Gesicht wegnehmen zu müssen, wusste ich allein schon wegen der Berührung, wer das war. Wie sehr ich ihn allein für seine fürsorgliche Art liebte. Ich liebte ihn, aber auf eine andere Art und Weise. Nennen wir es mal Geschwisterliebe.

Als ich vor fünf Jahren glücklicherweise hier ins Heim geschoben wurde, wurde ich mit diesem Typen in ein Zimmer gesteckt, der sofort damit einverstanden war. Auch wenn er mich zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht kannte, teilte er freiwillig sein ehemaliges Einzelzimmer mit mir. Auch wenn der Anfang mit mir - ähm,.. sagen wir - anstrengend war.

"Danke, Ardian...", versuchte ich ihn halbherzig anzulächeln, was er aber sofort merkte und er mir sofort mein falsches Lächeln wegtätscheln wollte.
"Du lernst wohl echt nie, dass mir dein ekelhaftes 'möchtegern-Lächeln' auffällt, nicht? Zusammen schaukeln wir das schon! Aber ohne Überschlagen und so!", grinste er mich aufmunternd an. "Komm, steh' auf! Wir müssen los zum Unterricht!"

Wie ein Zombie folgte ich ihm wieder 'echt' lächelnd einfach im Bambi-Pyjama die Treppen runter in die Küche.

Wir waren ein spezielles Heim. Insgesamt nur zu acht. So gut wie alle von uns waren nämlich schon über dreizehn, also die meisten im schwierigen Alter, wie man so schön sagt. Man konnte meinen, dass wir die Waisen waren, die keiner annehmen wollte. Die meisten waren wie ich von unseren Eltern verstoßen worden, manche weil ihre Eltern zu arm waren, manche weil ihre Eltern zu 'unfähig' waren, sie zu erziehen. Bei mir war so gut wie beides der Fall.

Vor fünf Jahren wohnten wir in einem sogenannten 'Ghetto-Viertel' in Köln, weil meine Eltern sich nicht etwas Anderes leisten konnten. Immerhin arbeitete Monster als Putzfrau, während Biest daheim war und ihren Lohn wegrauchte/wegtrank.

Bei Ardy war's jedoch ganz anders. Er hatte nie seinen Vater kennengelernt, weil dieser sich schon vor seiner Geburt aus dem Staub gemacht hatte. Seine Mutter zog ihn auf, bevor sie vor sieben Jahren verschwand. Erst nach einem halben Jahr fand man ihre Leiche im Rhein, im Bauch ein Messer. Ob sie ermordet wurde oder Selbstmord begann, wusste man nicht. Die Polizei hatte damals keinen Finger gerührt, als Ardy sie suchte.

"Zooooey, noch da?", wedelte Ardy mit seiner Hand vor meinem Gesicht.
"Uhm, sorry! War mit meinen Gedanken wo anders. Komm, lass uns gehen!", antwortete ich ihm halbtot und schulterte meinen schwarzen Vans-Rucksack auf der rechten Schulter.

Heute war der erste Schultag nach den Ferien, weshalb Ardy und ich nicht wirklich gut drauf waren. Ich mein', wir hatten nichts in den Ferien zu tun. Wirklich nichts. Meistens lungerten wir im Heim rum oder waren boarden. Unser Schlaf'rhythmus' war unser eigentliches Problem, weshalb wir beide tiefe Augenringe hatten und während des kleinen Frühstücks mit Rührei die ganze Zeit um die Wette gähnten.

Schnell bürstete ich mir noch im Bad mein Haar, band sie zu einem hohen Pferdeschwanz zusammen und musterte mich im Spiegel. Sie gingen mir leicht lockig bis zum Bauch und waren von Natur aus brünett mit leichtem roten Stich. Ich trug ein enganliegendes weißes Tanktop, drüber ein rot-schwarz kariertes Oversize-Holzfällerhemd von Ardy und eine gewöhnliche schwarze Jegging, das war's. Am rechten Arm hatte ich noch unzählige Lederarmbänder baumeln, an denen ich immer herumfummelte, wenn ich nervös war.

"Boah, Taddl, du Huurensohn, wo bleibst du?", kam es von Ardy und mir gleichzeitig.
"Chillt mal, ich bin ja schon da.", knurrte er zurück. War wohl auch nicht gut drauf.

Auch Taddl erging es wie mir. Verstoßen von beiden Elternteilen vor fünf Jahren auch ins Heim geschickt. Seine Gründe hielt er bis jetzt trotzdem sogar vor uns geheim.

Taddl und Ardy waren die einzigen auf der Welt, für die ich sterben würde und sie für mich. Das war mir bewusst. Egal, um was es ging, sie waren immer für mich da und ich für sie. Man hätte meinen können, dass sie meine nicht-Eltern waren. Immerhin waren die beiden ja zusammen, hielten es aber geheim. Aus Angst, gehatet und gemobbt zu werden, versteht sich.

Hand in Hand, Ardy links, Taddl rechts, schlenderten wir aus dem Heim. Unser Heim war nur einen halben Kilometer von der Schule entfernt, die etwas außerhalb vom Köln liegt. Auf dem Weg kassierten wir wie immer, vor allem ich, gehässige Blicke der weiblichen Seite und sie von der männlichen.

Warum Taddl und Ardy galten als DIE Bad Boys, die immer von allen Mädchen umringt waren. Wegen ihres Aussehens. Wegen ihren guten Noten. Wegen ihrem Charmes. Wegen ihrem Lächeln. Wegen alles an ihnen eben.

Wenn sie doch wüssten, dass beide homosexuell und auch noch vergeben waren... Offiziell waren sie ja Brudis und erstaunlicherweise fiel es niemandem auf.

Bei mir war's auch so, andersrum. Das mit den Blicken, natürlich. Des öfteren fragten mich Jungs, ob ich mit ihnen ausgehen würde. So scheiße das jetzt klingt aber.. Bis jetzt bekam jeder, egal wer, eine kalte Abfuhr. Mit meinen fünfzehn Jahren noch nie einen Freund oder dergleichen und hatte es auch nicht vor.

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Erstes richtiges Kapitel! Wuhuuu!

meow~
nebenexistenz

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