Schweigend gingen die beiden Reisenden auf der Landstraße nebeneinander her, Komar hatten sie vor etwa einer Stunde hinter sich gelassen, zusammen mit den ersten Kaufleuten und Abenteurern, die sich aufmachten mit dem Anbruch des Tages zusammen in die Welt zu ziehen. Um sie herum erstreckten sich die weiten Ebenen von Akimera, in der Ferne waren die Ausläufer des Waldes von Sion zu sehen, die Grenze zum Reich der Magie und des Wilden, und noch weiter dahinter der Tam, die Gebirgskette, die Akimera, Ferenys und die Wälder Sions überragte. Wie Zähne schienen sich die Spitzen in den Himmel zu bohren, weißer Geifer, der an ihnen herablief. Das Grün der Wälder hingegen wirkte sowohl bedrohlich als auch verheißungsvoll.
Sal hatte seine Zeit damit verbracht, über den Brief zu grübeln, der ihm rezitiert worden war. Er fragte sich, weswegen jemand in die Bibliothek Asrasos einbrechen würde, sie verwüstete, doch nichts stahl. Es ergab keinen Sinn. Als Kapitän der Grenzwächter war es Sals Pflicht, Hilfeersuchen nachzugehen und die Sicherheit der Ländergrenzen zu garantieren, nicht, Raubüberfälle bei denen nichts gestohlen wurde aufzuklären. Vor allem kam es ihm mehr als suspekt vor, dass man die Bibliothek in Asraso überfiel. Es war nichts ungewöhnliches, das die Bibliotheken Ziel eines Überfalls wurden, doch gab es in Asraso nichts von Bedeutung. Die Bibliothek war weder besonders groß noch gab es dort etwas von Wert, was man nicht auch in anderen Bibliotheken bekommen könnte. Außer Legenden und Mythen die sich um die Stadt rankten wie um jede andere gab es nichts Besonderes an ihr. Sal verstand nicht, weswegen der Bibliothekar ihn um Hilfe bat.
„Sagt mal, Schung..."
„Ja?"
„Ihr saht irgendwie... eingeschüchtert aus, als meine Kameradin noch bei uns war. Gibt es etwas, das ihr mir sagen wollt?" Sal warf einen flüchtigen Blick auf seinen Begleiter.
Schung schien mit sich zu ringen, ehe er sich kopfschüttelnd an den Kapitän wandte. „Eure Begleiterin wirkt Magie." Kurz pausierte der Mann, sprach jedoch nach wenigen Schritten weiter. „Ohne Sigile."
Sal stutze. „Sie hat Magie gewirkt ohne Sigile?"
„Vor meinen eigenen Augen." Schung fröstelte es. Er wusste, dass es möglich war, Magie ohne eigenes Zutun zu wirken, diese Praktik war sogar weit verbreitet unter Personen, die zwar ein Talent für das Magische besaßen, doch nie unterrichtet wurden, man nannte es Wildmagie. Doch Magie zu wirken, ohne Sigilen zu nutzen, durch welche man den Zauber kanalisierte und einen klaren Befehl erteilte, das war...
„Seltsam, den letzten, vor dem sie das gemacht hat, hat sie mitsamt seinem Verbrecherhaufen zu Asche verbrannt." Sal grinste, er erinnerte sich gut an diese Mission. Er und Leikeima hatten zusammen in Akimera in einem der Fürstentümer einen Tipp erhalten laut dem sich ein gesuchter Mörder in einem Inn verstecken würde. Sal und Leikeima waren diesem nachgegangen und hatten beschlossen, dass eine Verurteilung vor dem Rat nicht nötig war. Die Wächterin hatte die Exekutierung vor Ort vorgenommen und den Mann bei lebendigem Leibe in Brand gesetzt und zugesehen, wie er unter Qualen zu einem kläglichen Rest Ascheflocken zerfiel. Anschließend hatten sie sich den Betreibern des Inns gewidmet, die ihm nicht nur Zuflucht sondern auch Hilfe bei seinen Verbrechen gewährt hatten. Sie waren ihm gefolgt.
Schung wich das Blut aus den Wangen, als er die Worte des Wächters vernahm. „Ihr wisst, dass sie verbotene Künste praktiziert!" keuchte er, seine Augen funkelten, ob vor Freude oder Angst vermochte man nicht zu sagen.
„Verboten ist keine Kunst der Magie." Erwiderte Sal. „Nur bestimmte Sigilen, die zu gefährlich oder grausam sind, um sie zu nutzen. Außerdem tut Leiki das nicht willentlich."
„Wie meint ihr das?" Die Neugierde des Forschers war geweckt, die Angst vor der Wächterin, welche ihn um gut einen Kopf überragte vergessen. Nein, nicht vergessen, sie war immer noch da, immer noch präsent, doch wurde sie von seiner Neugierde über diese Frau überdeckt. Der Kapitän der Wächter schenkte ihm jedoch nur ein Lächeln, statt Antworten.
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Sigils
FantasíaEin altes Geheimnis, verborgen vor den Menschen. Ein Mann der nach Macht hungert, wenige, die ihn stoppen können. Nach einem Überfall auf eine Bibliothek beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit selbst für vier Menschen. Nur können sie diesen nicht allei...