Die Geschichte des Satans

1K 67 1
                                    

Ich setzte mich auf einen der übrigen Stühle und fuhr mir mit der Hand durch meine verfilzten Haare. Ich glaub ich sah schrecklich fertig aus. Mit den Kräften am Ende. Dunkle Augenringe, ungewaschene Haare und bleiche Haut ließen mich schon sehr attraktiv wirken. Mit dem rechten Ellenbogen stütze ich mich auf der dunklen Tischplatte auf. Herr Cosso sah mich skeptisch an.

„Du solltest mehr schlafen anstatt nachts zu lesen."

Wieder lachte er heißer. Dann stand er auf und verschwand in einem anderen Raum. Nach ein paar Minuten kam er mit zwei dampfenden Tassen wieder.

„Hier, trink erst mal etwas Tee. Der wärmt dich."

Dankend nahm ich die heiße Tasse und nippte etwas. Hmm das schmeckte nach Kräutertee. Ich umklammerte die Tasse und sah verträumt in meinen Tee.

„Ich hab so viele Fragen. Es passieren zur Zeit so viele merkwürdige Dinge und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich hab das Gefühl, ganz alleine zu sein und niemanden meine Sorgen erzählen zu können. Vor kurzem war doch noch alles in Ordnung. Ich war ein ganz normales Mädchen mit ganz gewöhnlichen Problemen. Und jetzt? Jetzt ist alles so mega kompliziert und ich habe keinen blassen Schimmer, worum es bei der ganzen Sache eigentlich geht."

Eine Träne floss über meine Wange und tropfte in die Tasse mit Tee. Das Alles ging mir ziemlich an die Nieren. Die letzten fünf Tage hatte ich kaum noch geschlafen. Und wenn, dann musste ich immerzu an Sam denken. Wie es ihm wohl geht. Und ob er wohl auch an mich denken musste?

„Ich werde dir mal eine kleine Geschichte erzählen und dir danach eine Frage stellen. Wirst du sie mit ‚ja' beantworten, so kommst du morgen wieder zu mir. Verneinst du sie aber, so tue als ob dieses Gespräch nie stattgefunden hat."

Ich nickte und nahm einen Schluck Tee.

„Als nun die Eltern starben und Andreas und sein Bruder ganz auf sich gestellt waren, musste der ältere Bruder Tag ein Tag aus arbeiten. Er tat alles für seinen kleinen Bruder. Die Beiden waren unzertrennlich. Brüder und beste Freunde. Der Eine hätte nicht ohne den Anderen gekonnt. Doch eines Tages suchten Hunger und Krankheit das Dorf heim. Unzählige Menschen starben aus Mangel an Nahrung oder wurden krank. Der junge Mann arbeitete stundenlang in der Stahlfabrik in der Stadt. Doch das Geld reichte für die Beiden kaum aus. Die Menschen im Dorf fingen an, sich gegenseitig zu bestehlen. Kranke verbannten sie und schickten sie in den Wald, wo sie kaum drei Tage überlebten. Immer skrupelloser wurden die Menschen. Immer dunkler ihre Seelen. Es gab für sie keine Hoffnung mehr. Sie waren dem Teufel ausgeliefert. Was sie alle nicht wussten war, dass der Teufel unter ihnen lebte. Getarnt als gewöhnlicher Dorfbewohner konnte er sein Unwesen treiben. Jede Nacht holte er sich ein neues Opfer. Er wollte jeden Einzelnen von ihnen in die Hölle befördern.

Doch eines Tages suchte er sich das falsche Opfer aus. Ein junges Mädchen mit gerade einmal zwanzig Jahren. Bildhübsch mit blondem langen Haar und blauen Augen. Keinesfalls ein Mensch, der in die Hölle gehörte. An diesem einen Abend suchte sich der Satan genau sie aus. Sie sollte seine Gefangene werden. In der Hölle leben bis in die Ewigkeit. Doch das Mädchen konnte mit List aus den Händen des Bösen entwischen und rannte zur alten Schmiede ihres Vaters. Sie versteckte sich dort die ganze Nacht und wurde erst in der Früh gefunden. Völlig aufgelöst. Sie alleine wusste nun, wer der Teufel war. Sie alleine konnte dem Übel ein Ende setzen.

Das Mädchen verließ erst zum frühen Abend die Schmiede. In der Hand ein geschmiedetes Schwert ihres Vaters. Entschlossen ging sie auf die Lichtung im Wald zu. Dort wo der Mann immer Holz fällen musste. Ja, der Holzfäller war es. Den sie, so dachte sie, doch so gut kannte. Mit großen Schritten ging sie zur Lichtung. Eine weiße Brieftaube saß auf einen der umgefällten Äste und flog direkt auf das junge Mädchen zu. Der Himmel schickte ihr ein gutes Zeichen. Sie war nicht allein. Es gab mehr zwischen Himmel und Erde, als die Leute sahen. Ein paar Schritte hinter ihm blieb sie stehen und rief seinen Namen. Er drehte sich um und sah das Schwert in ihrer Hand. Lachend hielt er sich den Bauch. Diese Mädchen sollte wohl keine Gefahr für ihn sein. Doch sie wich nicht von der Stelle. ‚Er ist der Teufel' schrie sie und alle wurden auf sie aufmerksam. Die Taube setzte sich auf die linke Schulter des Mädchens und die Klinge des Schwertes leuchtete in einem hellen blau auf. Sie machte einen Schritt nach vorne und stieß die Klinge in das Herz des Mannes. Alle schrien auf und rannten nun zum Ort des Geschehens. Die Taube flog in den Himmel und verschwand in einem blauen Licht. Der Mann hingegen zerfiel in graue Asche und mit ihm das Schwert. Das Dorf war gerettet."

Der Teufel lebt weiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt