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Als ich die Schule verlasse, wagt sich zum ersten Mal heute die Sonne hinter ein paar Wolken hervor. Ohne Kira und Clay, die aufgrund anderer Kurse noch Unterricht haben, mache ich mich, nach dem ich mich von ein paar entfernten Freunden verabschiedet habe, auf den nicht allzu langen Weg nach Hause. Ich gehe, den in hellen Steinen gepflasterten und von großen Eichen gesäumten Weg bis zur Straßenbahnhaltestelle entlang. Beim einsteigen in die Bahn scanne ich mein Ticket und setze mich auf einen der freien Plätze. Während draußen die hohen, weiß getünchten Gebäude vorbei ziehen und ich anfange das Geräusch der vorbeifahrenden Elektroautos mit Musik auszublenden, beginne ich mich in meinen Gedanken zu verlieren. Wie so oft vergesse ich das Leben um mich herum. Die Menschen mit ihren Prothesen, Mikrochips in ihrem Gehirn und Nanobots in ihrem Körper rücken in weite Ferne. Wie haben es die Menschen geschafft ohne diese Technologie zu leben? Zwar haben wir in Geschichte die Zeit vor der Cyborgrevolution behandelt, doch diese Zeit kommt mir so unendlich fern vor, dass ich es mir einfach nicht vorstellen kann. Alle diese Jugendliche standen damals nicht vor der Entscheidung welches ihrer Körperteile sie verändert und optimiert haben wollten. Und nun ist die Menschheit hier. An diesem Punkt angelangt, wo es eine Schande ist, keine Technologie in seinem Körper zu tragen. Umso mehr, umso besser. Und bald werde ich dazu gehören. Zu den Cyborgs. Oder wie es netter ausgedrückt wird zu den „durch wissenschaftliche Forschung optimierte Menschen". Wie jeder andere 10 Klässler habe ich bis zum 28. Juni Zeit mich für ein Cyborg- oder auch C.B. Programm zu entscheiden. Dabei wird meine Wunschfunktion und Prothese oder Technologie an meine Bedürfnisse angepasst. An mich. Sie wird sein, wie ein Teil von mir und nicht wie etwas zusätzliches. Ich bin ehrlich gesagt schon etwas nervös. Aber die Vorfreude überwiegt. Ich kann alles machen lassen. Habe alle Möglichkeiten. Nur weiß ich noch nicht was. Und mir rennt die Zeit davon.

Als meine Haltestelle angesagt wird, stehe ich auf und gehe zur Tür. Neben mir steht eine Frau. Statt Beinen aus Fleisch und Blut hat sie mechanische, die zwar täuschend echt aussehen, doch die Drähte schimmern unter der Oberfläche. Sie streicht ihren Rock glatt und lächelt mir freundlich zu. Ich erwidere das Lächeln. So könnte ich auch bald aussehen. Wenn es nach meinen Eltern gehen würde, sollte ich mir aber viel Lieber einen Mikrochip einoperieren lassen oder ein Auge, mit beiden kann man nämlich eine Verbindung zum Internet aufbauen und hat so viel mehr Kontrolle um alles um sich herum. Man kann den Aktuellen Fahrplan aufrufen, mit Freunden reden und viele mehr. Vor allem für Menschen die für Behörden oder bei der Polizei ist das sehr sinnvoll.

Gesichtserkennung und DNA Analyse gehört als Kontrolle der Menschen mittlerweile zum Alltag. So etwas wie einen Personalausweis gibt es schon lange nicht mehr. Man braucht nur ein bisschen DNA oder das Gesicht und schon haben die Behörden oder man selber Zugriff auf ein vollständiges Datenbild einer Person. Im ersten Moment klingt das gruseliger als es ist. Es garantiert Sicherheit und ist wie ein Beweis das eine Person die ist als die sie sich ausgibt. Denn schon nach der Geburt wird von jedem Bewohner eine vollständige DNA Analyse erstellt und aller zwei Monate muss man sich fotografieren lassen, so dass dem Gesichtserkennungsprogramm keine Fehler unterlaufen und immer Aktuell bleibt. Mit dieser neuen Technik ist es unserer Regierung auch gelungen unsere Stadt zu einer der sichersten zu machen, da Straftäter enorm schnell gefasst werden und die Straftaten eh im Vorhinein vereitelt werden. Das Persönlichkeitsprofil, jeder einzelnen Person, welches auch immer wieder erweitert und aktualisiert wird, und viele Statistiken zum Thema „wer eher Straftaten begeht als andere" haben dazu beigetragen. So muss man als Eltern kaum Angst haben abends sein Kind alleine durch die Stadt laufen zu lassen. Meine Eltern haben natürlich trotzdem Angst.

Die Straßenbahn hält und ich verlasse zügig den Waggon. Vor unserem Haus angekommen nehme ich meine Hand aus der Jackentasche und halt sie an den Scanner. Es piepst, die Tür öffnet sich und ich trete ein.

NirnayWhere stories live. Discover now