Zehn Minuten später siezte ich mit einer großen, heißen Tasse Tee auf einem roten zerschlissenen Sofa im Wohnzimmer meiner Tante. Nicht nur von außen ist das Haus möglichst freundlich gestaltet. Auch hier drinnen wurden die Wände mit hellen Farben gestrichen. Bunte Bilder von Blumenwiesen und Fotografien schmücken die Wände. Die Einrichtung ist alt aber bequem. In einer Vase auf dem kleinen Tisch vor dem Sofa stehen die gleichen Blumen wie draußen auf der Veranda.
Während Marie den Tee zubereitete hat stand ich, mich unwohl fühlend, neben ihr. Immer wieder hatte sie mich fasziniert angeschaut als könne sie nicht glauben, wer da vor ihr steht.
„Es tut mir leid, dass es hier so unaufgeräumt ist, aber ich habe wirklich nicht mit Besuch gerechnet." Sie stellt einen Teller, der schon einen kleinen Sprung hat, mit Schokokeksen vor mich.
„Ist schon in Ordnung. Ich habe meinen Besuch ja auch nicht angekündigt."
„Das stimmt.", sie lässt sich mir gegenüber in einem blauen, mit bunten Flicken übersäten, Sessel nieder, „ Na dann erzähl doch mal. Was verschafft mir die Ehre deines Besuches."
„Naja", ich druckse etwas herum, „ich habe heraus gefunden, dass es dich gibt und da wollte ich dich einfach mal besuchen."
„Das ist aber nicht die ganze Geschichte, oder?"
„Ja..."
„Na komm, erzähl deiner alten Tante was los ist. Auch wenn ich dich zuletzt gesehen habe als du zwei Jahre alt warst, bist du trotzdem schon immer meine Lieblingsnichte gewesen."
„Soweit ich weiß bin ich aber auch deine einzige Nichte."
„Das eine schließt das andere ja nicht aus." Sie zwinkert mir zu.
„Du hast recht. Ich stehe halt gerade vor der Wahl meines C.B. Programms und habe noch 3 Monate bis zur Deadline. Aber ehrlich gesagt weiß ich nicht was ich machen lassen will. Ich erwarte von dir jetzt auch keine Hilfe oder so, deshalb bin ich nicht hier. Aber ich wollte recherchieren was andere aus meiner,„ korrigiere mich, aus unserer Familie gemacht haben. Und als ich so unseren Stammbaum ansehe steht da dein Name. Aber als ich Mom und Dad darauf angesprochen habe, meinte er nur, dass du kein Teil unserer Familie mehr seist. Da habe ich beschlossen, ich will erst recht raus finden wer du bist. Weißt du, ich habe mir schon immer eine Tante oder einen Onkel gewünscht."
Marie lächelt traurig. „Deine Eltern halten mich also immer noch für Abschaum."
Ich schaue sie bedrückt an, „ich weiß nicht. Es ist eher Dad als Mom glaube ich."
„Ich glaube es ist an der Zeit, dass ich dir erzähle wie es dazu gekommen ist. Am besten ich verschweige dir nichts. Du würdest letztendlich eh die Wahrheit heraus finden. Du bist genauso neugierig wie ich früher."
Es macht mich so traurig zu sehen, wie sie die alten Erinnerungen quälen.
„Also ich stand genauso wie du jetzt, kurz vor der Wahl meines C.B. Programmes. Da habe ich Ben kennen gelernt" Ihre Augen fangen bei den Gedanken an ihn an zu leuchten, „er war toll. Zwei Jahre älter als ich und ein Aussätziger." Bei den letzten Worten bekommt ihre Stimme einen frustrierten Unterton. „Er hat mich dazu gebracht mich für kein C.B. Programm einzuschreiben. Als ich das meinen Eltern, also deinen Großeltern verkündet habe, haben sie getobt. Mir Hausarrest gegeben, dass ich meine Meinung noch ändere. Sie haben deine Mutter, die 15 Jahre älter als ich ist und damals die einzige Person war mit der ich noch geredet habe, regelmäßig zu mir geschickt, damit sie mich davon überzeugt doch daran teilzunehmen. Aber ich bin standhaft geblieben. Und als die Frist abgelaufen war, wurde ich noch zwei Wochen geduldet, bevor sie mich auf die Straße gesetzt haben. Sie konnten den Gedanken nicht ertragen eine Aussätzige in ihrer Familie zu haben. Seit dem wohne ich hier. Deine Mutter kam das erste Jahr immer mal wieder vorbei und hat mir Essen und Fotos mitgebracht. Aber irgendwann hat dein Vater ihr das verboten. Seit dem habe ich nichts mehr von euch gehört. Bis jetzt."
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Nirnay
Science FictionWenn du eine Entscheidung treffen musst, die über deine gesamte Zukunft entscheiden wird.