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Den Sonntag habe ich ohne irgendwelche Streitgespräche mit meinen Eltern überstanden, da ich den Vorwand, ich müsse für die Schule lernen, vorgebracht habe. Schulzeug geht immer als Ausrede. Für alles. Am Nachmittag ist Logan vorbei gekommen. Wie beide vermieden es über die Wahl des C.B. Programms oder Aussätzige zu sprechen und beschränkten unsere Gesprächsthemen stattdessen auf Bücher und Filme.

Auch der Montag verlief abgesehen von einem ausführlichen Gespräch mit Clay, in den er alles über meine Tante und Josh, ich ließ zwar verlauten, dass er wahrscheinlich nicht Schwul war, aber Clay meinte nur man könne nie wissen, erfahren wollte, relativ Ereignislos.

Für Dienstag plante ich wieder einen Besuch bei Marie und erzähle meinen Eltern, dass ich bis spät Abends an einem Schulprojekt mit Clay arbeiten musste. Das ist nur eine halbe Lüge. Ein Schulprojekt gibt es wirklich. Nur sind wir schon längst fertig.

Bei meinem zweiten Besuch erscheint mir der Stadtteil immer noch trostlos und traurig. Ich versuche meinen Blick möglichst nicht schweifen zu lassen um zu verhindern, dass sich mehr Bilder dieser bedrückenden Gegend in mein Gedächtnis brennen. Auf dem Weg zum Haus verlaufe ich mich ein paar mal, schaffe es aber nach 20 Minuten doch zu meinen Ziel. Wieder klopfe ich, warte aber diesmal nicht bis jemand öffnet, sondern betrete das Wohnzimmer, das direkt hinter der Eingangstür liegt. Meine Tante ist nirgendwo zu sehen. Stattdessen sitzt Josh in seinem Rollstuhl am Fenster, hat Kopfhörer auf dem Kopf und ließt. Ich durchquere mit ein paar Schritten den Raum und tippe ihm auf die Schulter. Josh zuckt zusammen und reißt sich die Kopfhörer vom Kopf.

„Oh Gott, erschrick mich doch nicht so." Er führt eine 90 Grad Drehung aus um mich anzusehen.

„Tut mir leid. Aber ich hatte keine Ahnung wie ich mich sonst hätte bemerkbar machen sollen."

„Du hättest den Ententanz tanzen könne. Dann hätte ich dich bestimmt bemerkt."

Mein verdutzter Gesichtsausdruck bringt ihn zum lachen. Er winkt ab, „Das war ein Scherz. War schon in Ordnung. Du willst zu Marie oder?"

„Ja"

„Sie kommt erst in einer Stunde wieder. Wenn du willst kannst du hier warten. Dann musst du dich aber mit mir abgeben."

„Schon in Ordnung. Ich denke, das werde ich überleben."

Ich nehme auf dem Sofa platz während Josh in die Küche rollt um Kekse und Tee zu holen. Während ich auf ihn warte, nehme ich das Buch in die Hand, welches er gelesen hat und dann auf den Tisch gelegt hat. Es ist Harry Potter und der Halbblut Prinz. Eines meiner Lieblingsbücher. Mit einem Tablett auf dem schoss, das er auf den Tisch abstellt, kommt er wieder und rollt auf die andere Seite des Tisches, so dass wir uns gegenüber sitzen.

„Okay, dann erzähl mir mal was über dich. Ich muss zugeben, als du gesagt hast, du seist Maries Nichte war ich schon etwas verwundert. Sie hat mir zwar einiges aus ihrer Vergangenheit erzählt, aber dass sie eine Nichte hat, hat anscheinend nie Platz in ihren Erzählungen gefunden"

„Ehrlich gesagt gibt es nicht viel über mich zu erzählen. Ich würde mein Leben als ziemlich normal beschreiben." Ich zucke mit den Schultern.

„Dann Frag ich dich einfach was und du antwortest so gut wie du kannst, wenn das für dich okay ist."

„Klar. Und im Gegenzug beantwortest du mir dann jeweils auch eine Frage über dich."

„Geht klar. Also was ist dein Lieblingsbuch, falls du Bücher liest und magst?"

„Ich liebe Harry Potter", fange ich an zu schwärmen, „ aber ich fahre auch auf Jane Austen ab. Ich finde es faszinieren wie diese Bücher schon über Jahrhunderte immer wieder Menschen begeistern und inspirieren. Was ist dein Lieblingsessen?"

NirnayWhere stories live. Discover now