Die Flucht der fetten Dame

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Zoe schlug die Augen auf und blickte geradewegs auf das sommergrüne Blätterdach eines uralten Baumes. Ein sanfter Wind strich über ihr Gesicht und kitzelte sie leicht. Das Säuseln der Blätter erfüllte die Luft. Ohne darüber nachzudenken, setzte sie sich auf und saß nun mit dem Rücken zu dem dicken Stamm des Baumes.

Die Sonne war kurz davor hinter der großen Gebirgskette zu verschwinden. Sie sah hinüber, zu dem kleinen Haus, das einige hundert Meter abseits stand, und in dem Licht brannte. Der Anblick war für Zoe vertraut und ihr Herz wurde von einer wohltuenden Wärme umhüllt.

Hier war sie Zuhause.

Sie stand auf, weil es an der Zeit war, ohne sich den Schmutz von den Kleidern zu klopfen und trat den Heimweg an. Ihre Schritte fühlten sich staksig und unkontrolliert an und ein seltsamer, unheimlicher Nebel zog auf.

Eine kleine Ewigkeit schien zu vergehen, bis Zoe die offene Gartentür erreicht hatte. Im Rahmen blieb sie schließlich stehen und schaute hinein. Aus der Küche kam ein verführerischer Duft. Das Mädchen erkannte ihn sofort: Ihre Mutter hatte offenbar einen Johannisbeerkuchen gebacken. Durch den Spalt unter der Küchentür leuchtete ein sanfter Lichtschein hervor und die vertrauten Stimmen, die sie hörte, waren eindeutig die ihrer Eltern. Zoe frohlockte. Endlich war sie Zuhause.

Mit unsichereren Schritten, steuerte sie die Küche an. Dabei nahm sie einen Gegenstand vom Sideboard, der ihr sehr vertraut vorkam und ohne darüber nachzudenken.

Sie sah ihre eigene Hand, die Küchentür aufdrücken, sah, wie sich ihre Eltern liebevoll lächelnd zu ihr umdrehten und wie sich ihre Gesichter verwandelten: in blasse, haarlose Fratzen mit blutroten Augen. Und sie kamen auf Zoe zu, mit spindeldürren Fingern griffen sie nach ihrer Tochter. Hallendes Gelächter erfüllte die Küche und Schreie, dessen Ursprung sie nicht sehen konnte. Dann legte sich eine eiskalte, blasse Hand um Zoes Handgelenk, zog sie zu sich heran und das letzte, was das Mädchen sehen konnte, waren blutrote Iriden mit schlitzförmigen Pupillen bevor der Raum in gleißendes grünes Licht getaucht wurde ...

„NEEEEIN!", schweißgebadet schreckte Zoe auf und saß gleich kerzengerade im Bett.

„Was ist passiert?"

„Wer ist da?!"

„War das Zoe?"

„Ich glaube schon ..."

„Zoe?!?"

„Alles in Ordnung mit dir?"

Zitternd lauschte Zoe den Stimmen ihrer Zimmergenossinnen. Sie hörte, wie Tracey den Vorhang ihres Bettes einen Spalt breit zur Seite zog und aus ihrem Bett schlich.

„Bist du ok?", fragte sie besorgt.

„Tut mir leid!", entschuldigte sich Zoe sofort. „Ich ... ich hab nur schlecht geträumt."

Pansy am anderen Ende des Zimmers zischte genervt.

„Wie viel Uhr ist es?", fragte Daphnes Stimme.

„Halb fünf", antwortete Millicent verschlafen.

Tracey steckte ihren Kopf durch den Vorhang von Zoes Bett und fragte: „Bist du sicher?"

Zoe nickte. „Danke, ich hau mich gleich wieder hin."

„Ok."

Die nächsten Minuten waren etwas unruhig, während die Mädchen sich wieder bequem in ihre Betten kuschelten und noch das ein oder andere Wort miteinander wechselten. Zoe lauschte dem mit klopfenden Herzen.

Zoe Dumbledore und der Gefangene von AskabanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt