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"Bist du dir sicher? Auf dem Schild steht, dass er nichts für unerfahrene ist. Du hattest doch noch nie einen Hund, Dazai-san."

Ein anderer Junge (wobei das Wort "Mann" es vielleicht besser traf) tauchte vor seinem Sichtfeld auf. Der Vater des Jungen konnte es nicht sein - ein Freund der Familie? Onkel? Bekannter? Was auch immer für Beziehungen normale Menschen untereinander hatten? Der Junge nahm seine Hand wieder runter. Ein müdes Lächeln zierte sein mädchenhaftes Gesicht.

'Zerbrechlich', kam er nicht hinweg zu bemerken. 'In meiner Welt hätte er keine zwei Tage überlebt.'

"Und wenn schon. Wenn der Hund mich nicht mag, kann er mich meinetwegen immer angreifen. Er kommt trotzdem mit in diese Geisterstadt die dieser Mann sein Zuhause nennt. Dafür wurde das Geld doch schließlich an meinen ehemaligen Vormund gesendet, Oda-san."

Beim sprechen ließ der braun Haarige den Blick keine Sekunde von ihm weg wandern, starrte ihn aus seinem müden, dunklen Auge unentwegt an. Seine Kleidung sah nicht gerade so aus, wie aus zweiter Hand, bemerkte Chuuya, die Sichtweise eines Diebes nicht einfach abzulegen. 'Wo ich lebte, hätte man dafür morden können.'
Der Mann neben ihm seufzte lächelnd (ein müdes Lächeln. Beide schienen sehr müde zu sein), ehe er nickte.

"Du hast recht. Ich gehe nachfragen, was er kostet."

Damit entfernte sich der rot Haarige, verschwand aus seinem Sichtfeld und ließ ihm mit dem Jungen allein. Ohne weiter zu zögern trat das Kind noch näher an seinen Käfig ran.

"Schwerer Umgang, nichts für Anfänger, was? Egal, du wirst wohl die beste Erinnerung an ihn sein, die ich kriegen kann."

Der Junge murmelte leise vor sich her, hatte sein Gesicht förmlich an das Gitter gedrückt, zwängte seine Hand durch die Stäbe hindurch. Er war nicht viel jünger als er selbst, höchstens 2 Jahre, dachte sich Chuuya, während er vorsichtig seine Pfote auf die krankhaft weiße Hand legte. Das Auge des Jungen weitete sich (womit hatte er bitte gerechnet? Gebissen zu werden?), er zog seine Hand zurück, machte sich daran den Käfig zu öffnen. Das Quietschen der Türen wurde von einem erschrockenen "Sie dürfen ihn nicht einfach rauslassen, dass ist gefährlich!" begleitet, als das falsche Mysterium mit roten Fell aus seinem vorübergehenden Gefängnis heraus hüpfte, leise auf dem Boden landete, direkt vor den schwarzen Schuhen des kränklichen Jungen.

Der rothaarige Mann kam, alarmiert vom Geschrei der Angestellten hinter einem der Regale hervor, beruhigte sich aber sofort wieder. Chuuya beachtete ihn nicht weiter, sah zum Jungen hoch, wartend. Er war immer schon kleiner als andere gewesen, fühlte sich nicht unwohl, vom braunen Auge nieder gestarrt zu werden. Immerhin konnte er den Hals dieses Menschen mit einem sicheren Biss durchbrechen, wenn er wollte. Nicht, dass er wollte. Der Junge ließ seine Krücke plötzlich fallen, landete genau vor ihm auf dem Boden, streckte seinen heilen Arm nochmal nach ihm aus. Wieder legte er seine Pfote in die Hand hinein, wurde an ihr direkt in den Schoß des Jungen gezogen.

"Ich hab heute noch einen unglaublich langen Flug vor mir und du wirst mitkommen", flüsterte das Kind in einem Ton der vielleicht drohend hätte sein können, "Benimm dich, und du wirst in deinem neuen Zuhause niemals angekettet oder in eine Box gesperrt. Du musst dich nur für diese 14 Stunden benehmen, dann darfst du tun was du willst, mich hassen, mich beißen, mich verletzen. Nur für diesen einen Flug, ja?"

Bevor Chuuya weiter darüber nachdenken konnte, schob der Junge ihn wieder beiseite, bat den Mann lächelnd, ihm doch hoch zu helfen.

"Das hätte ziemlich böse enden können, Dazai-san."

"Aber was redest du da? Tiere lieben mich schließlich."

Von blutigen Schleifen und schwarzen Tränen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt