Sayurie
Die Tür schloss sich hinter Alrik und für einen kurzen Moment blickte ich ihn nochmals hinter her. Ich betete zu meinen Ahnen, dass er ein erfülltes Leben beim Wiederstand führen würde und, dass es ein langes sein würde. Hoffend, dass meine Ahnen mich gehört hatten, blickte ich zu der Person, von der ich zwölf Jahre dachte sie würde zu eben diesen Ahnen gehören. Zu sagen sie sähe noch genauso aus, wie das letzte Mal, als ich sie gesehen hatte wäre eine Lüge. Ihre einst langen schwarzen Haare, welche sie, wie es in Katerin üblich war in einem Zopf gebunden hatte, gingen ihr nun bis zum Kinn. Ihr einst rundes Gesicht hatte nun die Form eines Ovales und auch jetzt war sie noch immer größer als ich. Doch was sich am meisten an ihr verändert hatte war ihr Blick. Der einst sanfte Ausdruck. Mit dem sie mich und meine Geschwister immer bedacht hatte war verschwunden. An Stelle dessen blickten mir harte Augen entgegen, die schon mehr gesehen hatten, als sie in solch einem Alter sollten. Ich würde sogar so weit gehen, als zu sagen, dass ihre Augen alt aussahen. Die einzige Person die ich kannte, die ebenfalls so einen Blick besaß, wenn er dachte Niemand würde es sehen war Sturmhund, doch nicht mal er hatte solch eine versteckte Welt hinter seinen Augen.
„Sayurie." Flüsterte Taru erneut meinen Namen, ehe wir uns nochmals in die Arme fielen. Meine Finger krallten sich in ihre Schultern und ich presste mein Gesicht in ihren Nacken, meine Augen waren dabei geschlossen, doch spürte ich das Brennen, welches unter meinen Augenliedern tobte und mich wissen ließ, dass wenn ich sie jetzt öffnete, Tränen daraus fließen würden. Für einen kurzen Moment sagte oder tat keine von uns etwas, bis wir uns langsam losließen.
Mit einer Armlänge voneinander entfernt, spürte ich ihren Blick auf mir, als sie mich musterte. Was sie wohl dachte? Die alte Sayurie war fort, dafür hatten die schweigenden Schwestern gesorgt. Ich konnte nicht sagen was ich jetzt war, ich konnte mich nur fragen, was sie in mir sah. Sah sie noch immer das kleine Mädchen in mir, welches mit ihr aufgewachsen ist, welche immer mit großer Bewunderung zu ihr aufgeblickt hatte? Oder sah sie vielleicht die schweigende Schwester, die nicht mehr war, als die Marionette zu der sie gemacht wurde? Egal was es war, ihre Augen kniffen sich wehleidig zusammen und ich konnte die Tränen sehen, die in ihren Augenwinkeln tanzten.
„Was haben sie nur mit dir gemacht?" Flüsterte sie und legte ihre Hand auf meine Wange. Ich wollte meinen Mund öffnen, wollte ihr erzählen was ich erleiden musste, was mir angetan wurde. Was ich war, zu wem ich geworden bin und warum ich nie wieder anders sein konnte. Ich wollte ihr alles erzählen, doch etwas hinderte mich daran. Eine Stimme in mir sagte, sie würde es nicht verstehen, sie würde mich nur bemitleiden, doch Mitleid war es nicht was ich wollte.
Doch was wollte ich?
„Du kannst nicht sprechen...stimmts?" Ihre Stimme war ein vorsichtiges Wispern. Leise wie immer nickte ich. Ihre Augen sahen mich an, als ob ich ein verletztes Tier wäre. Doch ich schüttelte nur den Kopf, ich wollte ihr Mitleid nicht. Vielleicht weil ich es nicht verdiente, vielleicht aber weil obwohl ich nicht reden konnte, man mich nicht zu schweigen gebracht hatte. Ich lebte noch immer, nach all den Dingen die man mir angetan hatte, lebte ich noch immer. Deswegen brauchte man mich nicht wie einen verletzten Vogel zu behandeln.
Langsam setzten wir uns hin und ich holte aus meinem Mantel mein Stückpapier und einen Bleistift. (Ich dachte du seist tot.) Schrieb ich in Katerin auf mein Blatt. Ich wusste nicht, ob sie die Sprache der Awerianer schreiben konnte, die ich in meiner Zeit unter Sturmhund hatte lernen müssen. Als ich hierherkam, konnte ich keinen Fetzten davon sprechen, unter den schweigenden Schwestern musste ich wenigstens die Worte kennen, um die Befehle zu verstehen. Es war uns verboten gewesen in den Sprachen unserer Länder zu reden und dann, dann als sie uns die Zungen aus den Mündern rissen, war ich nie wieder in der Lage Katerin zu sprechen. Es konnte also sein, dass meine Kenntnisse etwas eingerostet waren.
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Shadows of Arwerina
Fantasy"Schau dich um." "In einer Welt voller Lügner und Mörder, bin ich ein König." Was haben eine stumme Assasine, ein Prinz auf der Flucht, ein sarkastischer Schmugler und eine verrückte Magierin gemeinsam? Es hört sich an wie der Anfang eines schlechte...