Primrue Mellark 2 | Kapitel 8

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Wieder in einem dieser Züge zu sein war surreal. Die ganze Situation wirkte einfach falsch.

Gerade eben hatten wir noch im Justizgebäude gestanden und im nächsten Moment waren wir auf dem Weg zum Bahnhof. Zu allen Überfluss hatte auch noch der halbe Distrikt dort gewartet. Das Gefühl der Endgültigkeit, die ich auch vor den Spielen gespürt hatte, war hart und scharf in meine Knochen gezogen. Nur krampfhaft konnte ich der wartenden Menschenmenge zu lächeln. Ich war froh, als die Türen sich hinter mir schlossen und ich mein Gesicht wieder entkrampfen konnte.

Immer noch stand ich hier. 

Effie war plappernd einfach weiter gegangen und Cato war ihr, nach einen kurzen Blick auf mich, gefolgt.

Ich hatte keine Ahnung wie lange wir schon fuhren, doch das gleichmäßige Summen des Zuges beruhigte mich. Vielleicht war es ja alles nur ein Traum? Heute früh war ich gar nicht aufgewacht, sondern einfach nur in eine andere Traumphase übergegangen. In meinen Ohren klang es logisch aber als Effies Stimme, die meinen Namen rief, durch meinen Gehörgang schoss, war es vielleicht doch nur Wunschdenken.

„Ich komme gleich.“, gab ich zurück und lehnte mich gegen die geschlossene Tür. Eigentlich wollte ich nicht in den Waggon gehen. Effie würde nur wieder davon zwitschern wie gut wir es hätten. Überall würde essen stehen und Getränke. Alles würde mich daran erinnern, wie es vor vier Monaten gewesen war. Nur das damals mein kleiner Bruder an meiner Seite war.

Tief durchatmen, sprach ich mir selber gut zu und zwang mich, zu den anderen zu gehen.

Effie hatte es sich gegenüber von Cato bequem gemacht und redete schon auf ihn ein. Genervt verdrehte er die Augen, unterbrach sie aber nicht. Etwas, was er vor vier Monaten noch ohne darüber nachzudenken getan hätte.

Ich setzte mich etwas abseits von den Beiden und schaute aus dem Fenster. Noch einmal versuchte ich meinen Heimatdistrikt mir einzuprägen. Niemand hatte uns gesagt wann wir wieder nach hause durften und ob es überhaupt passieren würde. Meine pessimistische Seite, sagte natürlich, dass ich mein zu Hause nie wieder sehen würde, Die Optimistische hingegen war sich sicher, bald wieder hier zu sein. Der realistische Anteil meiner Selbst schwieg hingegen. 

„...und der Ball morgen Abend wird erst herrlich.“, schnappte ich einen Fetzen von Effies Lobpreisungen auf.

„Ball?“ Es war mir herausgerutscht, bevor ich mich davon abhalten konnte. Die Köpfe von Cato und unserer Begleitung flogen zu mir herum und ich stand plötzlich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

„Ja mein Liebes. Morgen Abend“, erklärte mir Effie, als wäre ich ein kleines Kind, „Da werdet ihr den wichtigen Leuten im Kapitol öffentlich vorgestellt. Sie sollen euch ja kennen lernen, wenn sie mit euch arbeiten.“

„Und was sollen wir mit ihnen arbeiten?“, fiel auf einmal Cato Effie ins Wort und musterte sie.

„So weit ich weiß“; Sie schenkte uns kurz einen Blick der mir soviel sagte wie, dass sie keine Ahnung hatte, „Sind die Diplomaten aus den Distrikten eine Erweiterung des Beraterstammes des Präsidenten. Schon Trius Mutter hatte Berater, damit versichert werden konnte, dass keine Diktatur wieder entstehen würde und ein einzelner Mann oder eine einzelne Frau zu viel Macht erlangte. Dank deiner Beschwerde“ Effies Augen schossen zu mir und ich konnte regelrecht sehen, wie sie mich am liebsten für meine schlechten Manieren hätte rügen wollen, „vor vier Monaten, hat der Präsident beschlossen diesen Stamm um Mitglieder aus den Distrikten zu erweitern, da die Berater seiner Mutter nun alle schon mindestens dreißig Jahre im Kapitol lebten. Selbst wenn sie einmal aus den Distrikten waren, konnten sie sich an die Zeit dort nicht einmal mehr erinnern. Dem luxuriösen Leben verfällt jeder irgendwann mal.“

Primrue Mellark 2 | Ungewolltes SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt