Liam konnte nicht sprechen während Hannah sich auf eine Bank setzte, die sehr nahe am Abgrund stand, doch weit genug entfernt um sich nicht in Gefahr zu begeben.
Liam stand da, die Gedanken in seinem Kopf kamen wie eine Sintflut und ertranken ihn auf die selbe Art.
Eben einfach Hannah dachte sich Liam und begann erneut, ihr eine Frage zu stellen
"Ich will es verstehen, für wen tust du das alles?"
Liam setzte sich auf die Bank neben Hannah. Diese gab ihm keine Antwort und sah in den Horizont, der Moment, der mit Melancholie kaum gefüllter hätte sein können und somit auch die Stille, welche jenen Ort von diesem Moment an benetzte zerbrach mit den Worten von Hannah "Wir sehen die Sonne jeden Tag untergehen, wir tun so, als wäre es nicht wichtig aber was, wenn es der letzte Tag ist, den man selbst hat. Was wenn wir unseren letzten Sonnenuntergang sehen und selbst nicht einmal merken, dass es unserer letzter sein sollte.
Vielleicht wachen wir einfach nicht mehr auf."
Liam fragte sich, ob Hannah grade nur Philosophierte oder ob sie ihm mit dieser Frage, welche die Melancholie - entgegen der Erwartungen - Liams nicht zerstörte sondern diese auf eine andere Ebene brachte, etwas sagen wollte. Doch selbst, wenn er verstand, was sie ihm damit sagen wollte, hätte er ihr nicht darauf antworten können, denn all seine Worte verstummten in seinem Kopf und nur die Worte Liams "Ich denke, dass wir deshalb jeden Sonnenuntergang so ansehen sollten, als wäre es das letzte, was wir je zu Gesicht bekommen würden."
"Es wäre traurig jeden Tag zu leben, als würden wir nachts sterben, ich würde den Sonnenuntergang wegen der Schwerelosigkeit und Irrelevanz zwar lieben aber ich würde ihn wegen dem willen zu leben, der irgendwo in meinem Kopf wohl noch zu existieren scheint ebenfalls fürchten."
Liams Gesicht bekam nun endlich wieder etwas Farbe und sein Kopf etwas Freiraum.
"Eine Eintagsfliege sein" scherzte Liam.
Hannah allerdings sagte dazu nur: "Eine Eintagsfliege weiß nicht, wann sie stirbt, sie fliegt einfach. Ich denke, es wäre schlecht eine Eintagsfliege zu sein, Jahre mit Erwartungen zu füllen doch letztendlich nur einen Tag davon wirklich zu erleben, und dieser Tag muss ja nicht einmal gut sein, vielleicht erlebt irgendwo eine Fliege den schlimmsten - und dein einzigen - Tag ihres Lebens.
Hannah rückte ein Stück näher an Liam und Liam ein Stück näher an Hannah und so legte Hannah ihren Kopf auf Liams Schulter und Hannah begann, mit einer Sanften stimme zu sprechen: "Du bist der erste Mensch, der so viel über mich weiß." Liams Gesicht formte sich zu einem Lächeln als sie hinzufügte "Der Moment ist nackt."
Liam sah die Sonne immer mehr hinter den großen Hügeln verschwinden bis sie schließlich nicht mehr zusehen war.
Ab diesem Moment saßen die beiden in vollkommener Dunkelheit, die nur durch das helle funkeln der Sterne einen Schleier bilden konnte.
Nach einiger Zeit, in welcher Liam den Moment genoss hörte er ein leises schluchzen, welches Hannah entstammte. Er sah Hannah an und bemerkte es, Hannah weinte. Er legte seinen Arm vorsichtig um ihren kalten Körper und drückte diesen langsam an sich heran, er begann, sie zu umarmen. Das schluchzen von Hannah wurde mit jeder Träne lauter. Liam sagte nichts, er wusste, dass jedes Wort, welches er hätte sagen können, ins nichts verlaufen wäre. Die Nacht wurde mit jeder Minute kälter - zumindest fühlte es sich für Liam so an -. Liams Kopf war wieder einmal überfüllt mit fragen, es gibt so viel, was er verstehen möchte. So vieles, was er fragen möchte und so vieles, was er ihr raten möchte. Doch er schweigt, so wie er es immer tat.
Hannah stotterte mit einer gebrochenen, dünnen stimme in einem Flüsternden Ton zu Liam: "Ich habe sie umgebracht."
Liams Augen wurden groß und Hannahs schluchzten verstummte. In diesem Moment konnte Liam nichts mehr bis auf einen schrillen ton in seinen Ohren hören, seine ganze Sicht verschwamm und seine Arme begannen zu zitten. Hatte ich sie grade richtig verstanden? Wen hat sie umgebracht? Ist sie ein Mörder? War es wirklich ihre schuld? Diese Fragen stellte sich Liam während er sein Herz mit jedem Atemzug ein bisschen lauten hören konnte.
Liam wusste nicht, was er ihr darauf antworten sollte, er ging tausende Szenarien binnen Sekunden durch, doch er kam zu der Entscheidung, ruhig zu bleiben. Er holte tief Luft bevor er ein selbstsicheres "Nein" von sich gab. Hannah stütze sich von Liams Körper ab und fügte hinzu "Die Hannah, die ich kenne, ist keine Mörderin." Hannah sah ihn mit ihren glasigen Augen an, doch ein mildes Lächeln zierte ihre Lippen. "Danke."
Hannah sprach zu Liam "Ich danke dir". Hannah legte sich auf die Bank und seinen Kopf auf Liams schoß. "Ist das okay?" fragte Hannah, während sie ihren Kopf auf seinen beinen positionierte. "Mit einem Lächeln und dennoch leicht erschrocken antwortete Liam "Ja, ist okay" Hannah schloss ihre Augen und Liam legte eine Hand auf ihren Kopf mit welcher er begann, an einer ihrer Haarsträhnen herumzuspielen.
Hannah fragte Liam "Liam, kannst du mir etwas versprechen?"
Liam antwortete, ohne groß zu überlegen "Natürlich, was immer du willst?"
Hannah bat ihn "Bleib bei mir und vergiss mich nicht, selbst wenn der Schnee fällt."
Tränen bildeten sich in Liams Augen "Versprochen, selbst wenn der Schnee fällt."
Liam konnte spüren wie Tränen auf seinen schoss fielen, so legte er seine Hand auf den Kopf von Hannah und begann, diesen zu Streicheln.
Hannah schlief ein und Liam war ratlos, was sollte er nun tun. Er sah sich um und erblickte Hannahs Jacke, diese war über die Bank gelegt, er nahm diese und deckte Hannah mit dieser zu. Hannah kuschelte sich ein Stück weiter an Liam.
Er saß da, fernab vom lärm der Stadt und von nun an, ganz allein. Er war die einzige Wache Seele an diesem Ort und begann, leise zu weinen. Obwohl er selbst nicht verstand, wieso er weinte war es, als wäre er in diesem Moment das erste mal seit einer langen Zeit wirklich allein gewesen. Was er nicht wusste war, dass es für Hannah das erste mal seit einer sehr langen Zeit war, dass sie ohne Schmerzmittel einschlief. Es war nicht so, als bräuchte sie diese, denn Körperlich ging es ihr gut. Und dennoch hatte sie schmerzen.
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Herbstregen
PuisiLiam ist nicht wirklich der, der er zu sein scheint, doch wer hätte gedacht, dass ein unzuferlässiger Freund gleich zwei Leben verändern kann, ohne es zu merken