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Ich starrte die weiß gestrichene Decke an und fing wie jeden Tag an, die vielen kleinen Lämpchen zu zählen. Ich kam bis vierundzwanzig, als ich ein Klopfen an der Tür wahrnahm.

„Herein“, rief ich und zählte weiter.

Die Türe öffnete sich mit einem langgezogenen Quietschen und leise Schritte hallten über den Boden. Kein ‚Hallo’?

Ich wandte den Kopf.

„Hey Kleines“

„Damien“, quiekte ich aufgeregt, breitete meine Arme aus, bereit ihn zu umarmen. Einige Sekunden lang hangen wir aneinander wie Ying und Yang.

Wir waren genauso; er der dunkel gekleidete Draufgänger, die Schattenseite, und ich das fröhliche Sommerkind, die Helligkeit in Person- zumindest war ich das einmal. Nun war meine Zukunft grau, ebenso wie die Farbe Damiens Shirt. Er streifte seine Schuhe ab und kletterte über meinen Körper hinweg auf die andere Seite des Krankenbettes, wo er sich an der Wand hinunterschleifen ließ, seine Beine über meine legte und solange herumrutschte, bis er eine bequeme Position eingenommen hatte.

„Wie geht’s dir?“, fragte er mich. Wollte er wirklich Smalltalk beginnen? Was auch immer, ich ging darauf ein.

„Mir geht es blendend, und selbst?“

„Auch, auch. Was sprechen die Ärzte neustens?“ Er knabberte an seiner Unterlippe, ein Zeichen dafür, dass er mich mit der Frage nicht verletzen will. In letzter Zeit gingen alle Leute in meinem Umkreis viel zärtlicher mit mir um, als wäre ich eine zerbrechliche Porzellanpuppe, die jeden Moment auf den Boden fliegen und in tausende Einzelteile zerspringen könnte. Ich seufzte leise und nahm die Hand meines besten Freundes in meine, verschränkte unsere Finger, bevor ich begann, ihm von meiner Krankheit zu berichten.

„Sie meinen dass mein Herz nicht richtig funktioniert, dass irgendwelche Bakterien es überfallen und einen klitzekleinen Teil davon beschädigt haben und dass ich möglicherweise irgendwann eine Herztransplantation brauche. Aber frühestens erst in ein paar Jahren. Meinem Kopf hingegen geht es besser als je zuvor“

Er pustete die Luft, die er derweil angehalten hatte, langsam aus. Anscheinend gefiel ihm das ganz und gar nicht.

„Hey“, flüsterte ich. „Es geht mir gut“ Mit einem aufmunternden Lächeln auf den Lippen drehte ich seinen Kopf zu mir, damit er in meinen Augen sehen konnte, wie wahr meine Aussage war. „Wirklich“

Er entriss sich meinem Griff und sah stattdessen auf unsere Finger. „Eine Herztransplantation?“

„Wenn überhaupt dann erst in ein paar Jahren“, versicherte ich ihm. Wieso sich jeder immer um mich sorgen musste.

„Wirst du dich dann auch so ändern, wie die Leute in den schlechten Hollywoodfilmen?“ Er lächelte verschmolzen, ich kicherte.

„Natürlich nicht. Ich bleibe wie ich bin“

„Das ist gut“

Ich versuchte die Infusion anhand der Nadel an meinem Handrücken zu mir zu ziehen, sodass ich mich an Damien kuscheln konnte. In diesem Moment war es mir reichlich egal, wie sehr ich schwitzte und stank, denn es war Damien.

„Okay, vielleicht sollte ich doch duschen gehen“, meinte ich mit einem scherzenden Unterton.

Damien roch übertrieben auffällig an mir und zog danach seine Nase kraus. Mit den Worten „Vielleicht solltest du das tun“ scheuchte er mich aus meinem Bett.

Als er dann jedoch bemerkte, wie schwer es mir fiel, meinen Körper auf die Beine zu bekommen, hielt er mich an meiner Hand zurück. Mein verwirrter Blick lag auf ihm, er verzog seine Lippen jedoch nur zu einem warmen Lächeln und stand selbst auf. Während meine Beine über den Bettrand hangen und ich mich mit meiner Linken an die Stange der Infusion klammerte, schob Damien seine Arme unter meinen Körper und hob mich an. Ich behielt die metallene Stange fest in meinem Griff, weswegen sie hinter uns her rollte, als ich ins Badezimmer getragen wurde.

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