Kapitel Elf

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Verwundert blickte ich ihn an. »Wieso ist er dann euer Bürgermeister?«

»Es war kein anderer da, der Bürgermeister werden wollte«, erklärte er. »Uriel war der einzige, der es freiwillig machen wollte.«

Trocken lachte ich auf, was mir einen verwirrten Blick einbrachte.

»Was für eine Ironie des Schicksal«, meinte ich. »Der Einzige, der Bürgermeister werden will, wird vom Volk gehasst.«

Langsam nickte Satumar. »So ist es leider. Mir wäre es auch lieber, wenn jemand anderes Uriel ablösen würde, aber ich darf noch nicht, da ich zu jung bin und es will einfach kein anderer.«

»Wie kommt es überhaupt, dass er so gehasst wird?«, wollte ich neugierig wissen.

»Er denkt nur an sich. Er versucht es so einzurichten, dass er immer das Beste vom Besten abbekommt. Die einzigen Momenten, in denen er nett ist, ist wenn jemand in unserem Dorf ist, der dafür sorgen könnte, dass er abgesetzt wird oder wenn jemand seinen Platz bedroht, auch wenn er dann manchmal sehr fies sein kann«, erklärte Satumar. »Meistens versucht er demjenigen Angst einzujagen, sodass er freiwillig unser Dorf verlässt.«

Verstehend nickte ich. Kein Wunder, dass er nicht gern als Bürgermeister gesehen wurde.

»Ich glaube, am Liebsten würde er sein eigenes Königreich gründen, wenn ihr nicht da wärt«, knurrte Satumar.

Nur zu gut konnte ich ihn mittlerweile verstehen. Uriel war mir von Anfang unsympathisch, aber nach Satumars Erklärung mochte ich ihn noch weniger.

»Fühlst du dich berei, dich ihm erneut auszusetzen oder sollen wir ihm aus dem Weg gehen?«, fragte Satuamr nach ein paar stillen Sekunden, in denen ich mich umsah.

Jetzt blickte ich wieder zu Satumar, bevor ich kurz überlegte. »Es wäre höflicher, wenn wir noch einmal mit ihm reden«, meinte ich dann unwillig.

Bestätigend nickte Satmar. »Das wäre es wohl.« Aus seiner Stimme hörte ich gut den Unwillen heraus. Er wollte genauso wenig noch einmal mit Uriel reden wie ich, doch es blieb uns nichts Anderes über. So gingen wir langsam wieder zu Amandiel und Uriel, die uns schon neugierig beobachteten. Mein Gesicht verzog sich, sobald ich Uriel bemerkte, wie er sich prächtig mit Amandiel verstand. Dieser wirkte jetzt, wo ich wusste, dass Uriel nicht sehr beliebt war, auch nicht sehr angetan von ihm. In seinen Augen bemerkte ich ein feines Glitzern, als er sich sehr langsam zu seinem Gesprächspartner wandte. Auch um seinen Mund herrschte ein harter Zug, der sonst nicht zu sehen war. Seine gesamte Haltung sprach Unwillen aus, aber Uriel bemerkte es entweder nicht oder er ignorierte es gut, denn er redete sorglos immer weiter auf Amandiel ein, während sein Blick auf uns ruhte. Seine harten grauen Augen schweiften über unsere Hände bis hin zu unseren Köpfen. Er musterte jeden Teil meines Körpers lange, bevor er sich dem nächsten zuwandte. In mir keimte der Drang auf, meine Arme schützend vor meinem Körper zu verschränken, doch diese Blöße gab ich mir dann nicht. Als Uriel bemerkte, dass ich gesehen hatte, wie er mich beobachtete, grinste er diabolisch, was mir einen kalten Schauer den Rücken runter jagte. Am gesamten Körper bekam ich eine Gänsehaut und ich wollte nur noch weg. Ohne es zu bemerken verkrampfte ich mich, was Satumar dazu brachte besorgt zu mir zu sehen.

»Ist alles in Ordnung?«, fragte er dann auch schon.

Als Antwort schüttelte ich nur den Kopf, während ich Uriel nicht aus den Augen ließ. Satumar folgte meinem Blick und sofort bemerkte ich, wie auch er sich anspannte. Sein mittlerweile kalter Blick ruhte auf Uriel und aus seinen Augen sprach reine Mordlust.

»Sollte er dir auch nur ein Haar krümmen...«, knurrte er und ließ den Satz unbeendet in der Luft hängen.

Beruhigend drückte ich kurz Satumars Hand. »Das würde dein Vater nicht zulassen«, versuchte ich ihn zu beruhigen.

»Du hast Recht. Sollte er es trotzdem wagen dir etwas zu tun, dann kommst du sofort zu mir, hast du mich verstanden?«, fauchte Satumar mit kalter Stimme.

»Nichts anderes hatte ich vor«, antwortete ich etwas eingeschüchtert von dem Hass in Satumars Stimme. Dabei konnte ich ihn nur zu gut verstehen. Wenn ich könnte würde ich Uriel am liebsten selbst davon abhalten, doch befürchtete ich, dass ich nicht stark genug wäre.

Dies schien Satumar zu beruhigen, denn er warf Uriel noch einen kurzen Blick zu, bevor er sich von ihm abwandte und stattdessen die Menge beobachtete. Sein Blick huschte über die Massen an Menschen, die heute erschienen waren. Als er seine Mutter und Vraldes entdeckte, lächelte er sogar.

Zu schnell waren wir dann auch schon bei Amandiel und Uriel angelangt. Beide sahen uns entgegen und über Uriels Gesicht huschte ein Ausdruck, den ich nicht deuten konnte. Amandiel dagegen schien erleichtert, dass wir ihn nicht länger alleine ließen. Doch als er Satumars Gesicht sah, zog er fragend eine Augenbraue hoch. Ich konnte regelrecht sehen, wie es in seinem Kopf ratterte, bis er Satumars Blick zu Uriel folgte. Dann schien er verstanden zu haben und er drehte sich wieder zu uns. Aufmunternd lächelte er mich an.

»Geht es jetzt wieder?«, fragte er dann, als wir bei den Beiden ankamen.

Dankend schenkte ich ihm ein Lächeln und nickte dann. Das Kratzen in meinem Hals war fast vollständig verschwunden und das Einzige, was mich jetzt noch plagte, war der Hunger, denn ich kam noch nicht dazu, etwas zu essen.

»Also Ramura«, begann Uriel nach einigen stillen Momenten. »Was willst du machen, wenn deine Eltern tot sind?«

Scharf sog ich die Luft zwischen meinen zusammengebissenen Zähnen ein. Sofort spürte ich Satumars besorgten Blick auf mir ruhen.

»So genau weiß ich das noch nicht«, knurrte ich ausweichend, nachdem ich eine Zeit lang über die Frage nachgedacht hatte. Ich wusste wirklich nicht, was ich dann machen würde. Bisher hatte ich immer angenommen, dass sie lange leben würden, aber Uriel hatte Recht, ich sollte mir so langsam mal überlegen, was ich machen würde, wenn sie nicht mehr da sein sollten.

Mit funkelnden Augen nickte Uriel. »Ich vermute, dass du dir dann einen Berater holst?«, meinte er daraufhin.

»Natürlich meldest du dich freiwillig, richtig?«, fauchte Satumar neben mir, was ihm einen tadelnden Blick von Amandiel einbrachte.

Uriel entging die Schärfe in Satumars Stimme nicht, denn seine Augen verengten sich zu Schlitzen, bevor er sich zusammenriss und unschuldig antwortete: »Natürlich. Ich will schließlich nur das Beste für unser Königreich.«

»Ich werde über dein Angebot nachdenken, sollte es soweit kommen, dass ich einen Berater brauche«, antwortete ich und wählte meine Worte mit Bedacht.

»Mehr kann ich nicht erwarten«, schnurrte Uriel und ein kleines Grinsen konnte er sich nicht verkneifen.

Neben mir hörte ich Satumar abfällig schnauben, was aber glücklicherweise nicht sehr laut war, sodass Uriel es nicht zu hören schien.

»Uriel!«, hörte ich plötzlich jemanden den Bürgermeister rufen und direkt darauf erschien ein Junge in meinem Blickfeld, der mich erst dann bemerkte, als er neben mir zum Stehen kam. Beschämt entschuldigte er sich bei mir und verbeugte sich, bevor er sich wieder abwandte und leise auf den Bürgermeister einredete. Dieser nickte kurz, bevor er sich wieder uns zuwandte.

»Ich muss mich entschuldigen, doch die Pflicht ruft«, sprach er mit einem entschuldigendem Lächeln, bevor er sich verbeugte und mit dem Jungen verschwand. Kurz sah ich ihnen noch hinterher, aber dann wandte ich mich schulterzuckend ab. Insgeheim war ich dem Jungen dankbar, denn ich hätte es nicht mehr lange in Uriels Nähe ausgehalten, bis ich unhöflich geworden wäre. Irgendwas störte mich an dem Bürgermeister. Bevor ich aber weiter darüber nachdenken konnte, was dies war, hörte ich Satumars sanfte Stimme nahe meinem Ohr.

»Komm, lass uns ein bisschen spazieren gehen.«

Von dem Klang seiner rauen, tiefen Stimme bekam ich eine Gänsehaut und mein Herz fing wie verrückt an zu klopfen. Langsam drehte ich mich um. Unsere Lippen waren nur ein kleines Stück von einander entfernt und ich spürte seinen Atem auf meinem Mund.

Der rote MorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt