Kapitel Fünfzehn

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Die nächsten Auserwählten waren ein paar Mädchen in meinem Alter, die die Köpfe zusammengesteckt hatten und tuschelten. Manchmal fingen sie an zu kichern, während sie ein paar Jungs heimliche Blicke zuwarfen. Kopfschüttelnd wandte ich mich ab. Das war dann nicht das, was ich unbedingt sehen müsste. Als ich wieder zu Satumar sah, grinste mich dieser schief an. Sofort hob sich meine Stimmung wieder und ich spürte, wie ich ebenfalls lächelte. Sanft drückte ich seine Hand und schob mich etwas näher zu ihm. Schon lehnte ich halb an ihm, an meinem Rücken seine Brust, während meine Beine hingegen noch etwas Spielraum hatten. Satumar drückte mir einen federleichten Kuss auf meinen Kopf, so wie es meine Mutter immer gemacht hatte, als ich noch klein war. Mit einem wehmütigen Lächeln dachte ich an diese schöne, sorglose Zeit zurück, als es für mich nur unser Schloss und meine Familie gab. Die Erinnerung an meine Eltern schmerzte, doch ignorierte ich diesen Schmerz und dachte stattdessen an die schönen, gemeinsam erlebten Ereignisse zurück. So auch, als ich das erste mal beim Training der Krieger zu sehen durfte. Ich wusste noch, dass ich stundenlang gebettelt hatte, bevor mein Vater es endlich erlaubt hatte. Dort angekommen standen wir am Rand von einer runden Sandfläche, auf der die Krieger mit Holzschwertern übten. So wie Satumar und ich es mittlerweile jeden Tag taten. Am Ende des Trainings hatte jeder Krieger unzählige blaue Flecken und manche hatten auch ein paar Wunden, dass aber auch nur, wenn sie sehr unachtsam waren. Ich weiß noch, wie ich mir wünschte, dass niemals Krieg sei, weil ich nicht wissen wollte, was passiert, wenn sie gegen Krieger mit echten Schwerter kämpften. Das dies brutal enden würde, wusste ich schon, bevor mein Vater mich am nächsten Tag wieder zum Training schleppte. Auch diesmal war es eher freiwillig, aber da das Training sehr früh anfing, schlief ich noch innerlich, als er mich dort hin zog. Während der Zeit trainierten die Krieger mit normalen Schwertern und schlugen auf Strohpuppen ein, die mannsgroß waren. Die Puppen waren an einem dicken Holzstock befestigt, welcher tief in der Erde steckte. Der Kopf der Puppen war auch aus Holz und jede einzelne von denen waren in einer Rüstung, damit es etwas schwerer war und auch, weil kein vernünftiger Krieger ohne Rüstung in eine Schlacht ging. Schon nach ein paar Minuten waren die meisten in Schweiß gebadet, schlugen aber noch mit voller Kraft auf die Puppe ein. Bei einigen sah diese schon sehr demoliert aus, während andere noch fast heile wirkten. Damals hatte ich meinen Vater angefleht, ob ich das nicht ausprobieren dürfte. Fast sofort erschien ein Lächeln in seinem Gesicht und er sah mich von oben herab an. Gut erinnerte ich mich noch daran, als er mir weiß machen wollte, dass ich so ein Schwert wahrscheinlich nicht einmal hoch heben könnte. Herausfordernd hatte ich das Kinn erhoben und ihn gefragt, ob ich ihn von dem Gegenteil überzeugen kann. Grinsend stimmte er ein und rief nach einem der Soldaten. Dieser zuckte zusammen, als er seinen Namen hörte und kam mit gesenktem Kopf auf uns zu. Wie ein getretener Hund sah er meinen Vater an und fragte leise, was los sei. Sanft hatte mein Vater ihm erklärt, dass ich ein Schwert heben möchte. Der Soldat bekam große Augen, nickte dann aber schnell, als mein Vater ihm einen ungeduldigen Blick zuwarf. Zitternd hielt er mir das Schwert hin und mit leuchtenden Augen nahm ich den Griff in die Hand. Meine zarten Finger schlossen sich um den lederumwundenen Griff. Sobald der Soldat das Schwert los ließ, fiel dieses nach unten und riss mit der gleichen Bewegung an meinem Arm. Doch so schnell würde ich nicht aufgeben. Trotzig packte ich den Griff mit beiden Händen und spannte alle Muskeln an. Dann hob ich das Schwert langsam. Lange konnte ich es nicht halten, aber trotzdem spürte ich Stolz durch meinen Körper strömen. Nach einigen Sekunden musste ich das Schwert wieder auf den Boden stellen, aber das war mir egal. Für mich war nur wichtig, dass ich es geschafft hatte das Schwert zu heben. Als ich meinen Vater ansah, war sein Blick nachdenklich auf das Schwert gerichtet. Plötzlich wandelte sich sein nachdenklicher Blick in einen wütenden und er riss mir regelrecht das Schwert aus der Hand. Ängstlich hatte ich gefragt, was los sei, doch er hatte nur geschnaubt, dem Soldaten das Schwert wieder gegeben und mich dann am Arm gepackt und mich weggezogen. Schmerz zuckte durch meinen Arm und ich versuchte mich aus seinem Griff zu befreien. Doch sein Griff glich dem eines Schraubstockes und jeder Versuch blieb erfolglos. Als ich dann irgendwann schrie, dass er mich loslassen soll, weil er mir wehtat, drehte er sich zu mir um. Ein Schleier hatte sich über seine Augen gelegt und er sah durch mich hindurch. Er rief mir zu ihm zu schwören nie wieder ein Schwert zu berühren. Unter Tränen meinte ich, dass ich es schwöre, sofern er mich denn wieder loslässt. Sofort hatte er mich losgelassen, als hätte er sich an mir verbrannt. Einen Moment hatte er mich noch eindringlich angesehen, bis er sich umgedreht hatte und in Richtung des Schlosses gegangen ist. Warum er mir verboten hatte ein Schwert zu berühren, wusste ich bis heute nicht.

Eine federleichte Berührung an meiner Schulter riss mich aus meinen Gedanken. Erschrocken sah ich nach hinten, nur um in Satumars fragende Augen zu sehen.

»Worüber hast du nachgedacht?«, wollte er sanft wissen.

Kurz zögerte ich noch, bevor ich anfing zu erzählen.

»...was er damals sagen wollte weiß ich nicht«, schloss ich nach einigen Minuten, in denen Satumar meiner Erzählung aufmerksam gelauscht hatte. Er hatte mich kein einziges Mal unterbrochen, wofür ich ihm still dankte. Ich konnte es nicht gut haben, wenn man mich unterbrach, da ich dann immer den Faden verlor.

»Da kann ich dir auch nicht helfen«, murmelte er dann leise und sah in die Ferne.

Leicht lächelnd schüttelte ich den Kopf. Ich hatte auch nicht erwartet, dass er mir sagen kann, was sich mein Vater damals dachte. Auch ich dachte daran, was er wohl meinte, aber nach kurzer Zeit gab ich auf. Gern würde ich das wissen, gleichzeitig hatte ich Angst vor der Antwort. Vielleicht hatte er auch Angst, dass ich mich irgendwann dabei verletze würde, wenn ich mit einem Schwert übe. Doch mit seinem Verbot erreichte er das Gegenteil. Ich wollte immer mehr über Waffen wissen und verbrachte viele Stunden in unserer Bibliothek, wo ich Bücher über Waffen und Kriege las. Als mich mein Vater dort mal fand, schrie er mich an, dass ich was anderes lesen soll und mich sowas nichts anging. Damals hatte ich ihn auch gefragt, wieso ich das nicht darf und er meinte einfach nur, dass Frauen und gerade Prinzessinnen nichts damit zu tun haben sollte. Das sei etwas für Männer. Am gleichen Tag fand ich dann auch das Schwert, was ich seitdem mein Eigen nannte und auch mitnahm, als ich geflohen bin.

Unbewusst hatte ich mich bei den Erinnerungen angespannt und dabei von Satumar gelöst. Als ich das bemerkte versuchte an was anderes zu denken und lehnte mich wieder an ihn an. Unter meiner Schulter spürte ich seine Brust vibrieren.

Der rote MorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt