I.

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Der Tag hatte wie immer begonnen. 04:00 Uhr aufstehen, Kaffee trinken,duschen und ab zur Arbeit. Und hier saß ich nun. Die Übergabe lief schon seit etwa einer viertel Stunde und ich freute mich schon all die neuen Patienten zu begrüßen. Es war immer so interessant die neuen Charaktere, ihre Geschichten und die damit verbundene Freude oder Traurigkeit zu erleben. Gerade auf der onkologischen Station auf der ich arbeitete, war das Leid besonders groß. Doch auch zu sehen wie die Menschen das hier und jetzt genossen und sich über die kleinsten Dinge freuten, erfüllte mein Herz mit unglaublich viel Freude. Diese Menschen machten in ihrem Leben soviel durch und waren dennoch so glücklich über jeden Tag den sie noch mit ihren Familien und ihren liebsten verbringen durften. Jeder Tag war ein Segen für sie. Aber auch ein Segen für mich. Ich genoss die Zeit die ich auf der Arbeit verbringen durfte, denn hier konnte ich etwas für diese Menschen tun, Ich konnte ihnen Helfen, zumindest jeden Tag ein bisschen. „Im Zimmer 416 kam diese Nacht ein junger Mann. 24 Jahre alt. Herr Anderson. Kommt aktuell mit starkem Erbrechen, Exsikkose,bei zustand nach Chemotherapie. Hat in der Vorgeschichte einen Lungen- CA, ohne Metastasen und kein Lymphknotenbefall. Hat von uns eine 1000 Jono erhalten. Soll heute noch ein MRT zum Staging erhalten.", erzählte die Nachtschwester. Ich schrieb mir auf meine Stationsgrafik das Alter und die Diagnose. Mit 24 schon zustand nach einem Lungentumor. Das Leben war so ungerecht. Mein Blick wanderte über die Frühschichtbesetzung. Wir waren wieder nur zu zweit. Das hieß heute Mittag länger bleiben. Aber das war schon in Ordnung,ich könnte den ganzen Tag hier verbringen. Als die Übergabe beendet war, nahm ich mir mein Kardex und fing an durch die Zimmer meiner Patienten zu gehen, die zu wecken die noch nicht wach waren, die Vitalzeichen zu erfassen und Medikamente für den Tag zu verteilen.Das letzte Zimmer meines Bereich war das Zimmer 416. Ich wusste nie,wie ich so jungen Patienten gegenübertreten sollte. Sollte ich sie mit „Du", ansprechen, sollte ich mit ihnen Umgehen wir mit einem Bekannten, oder sollte ich sie behandeln wie die älteren Patienten auf Station ? Ich entschied mich dazu intuitiv zu entscheiden und je nach Situation. Ich klopfte zaghaft an die Zimmertür und ging hinein. „Guten Morgen Herr Anderson.", ich grinste in die Richtung des Bettes. Da war aber niemand. „Herr Anderson ?", ich sah im Bad des Zimmers nach. Es war abgeschlossen, demzufolge würde ich später noch einmal wieder kommen. „Ich komme später noch einmal, Herr Anderson.", rief ich. „Nicht nötig, ich komme.",kam es aus dem Bad wieder heraus. Ich trat einen Schritt zurück und fing schon einmal an seine Medikamente zu kontrollieren. „Tilidin, Novalgin und Pantozol", flüsterte ich vor mich hin. Ich hatte vollkommen vergessen, dass Herr Anderson noch im Bad war. Ich blickte von der Akte nach oben, als ich ein räuspern vernahm. „Ehm, tschuldigung" , stammelte ich „Ich bin Emilia, heute morgen ihre zuständige Pflegekraft.", ich reichte ihm die Hand. Seine weißen Zähne bildeten zusammen mit seinen vollen Lippen ein atemberaubendes Lächeln. Er ergriff meine Hand und schüttelte diese etwas zu lag.„Jason Anderson.", stellte er sich vor. Aber das wusste ich natürlich schon längst. „Ich weiß.", erwiderte ich und hätte mich im nächsten Moment dafür Ohrfeigen können. Was für eine dämliche Antwort. Noch immer lag ein lächeln auf seinen Lippen. Die blauen Augen strahlten eine unheimliche Ruhe aus. Sie waren nicht so matt und glanzlos wie die der anderen Patienten. Die meisten von ihnen waren allerdings auch dem Tode geweiht, so gemein das auch klang, aber so war es nun mal. Auch einer der Gründe warum ich meinen Job so liebte, nicht weil hier die Menschen starben. Sondern weil ich einer der Menschen war, die sie auf diesem Weg begleitet. Esist einfach mehr als nur Krankenschwester sein. „Ich habe hier Ihre Tabletten.", lächelte ich und hielt ihm das Tablettenschälchen mir den darin enthaltenen Tabletten für Morgens, Mittags, Abends und Nachts hin. Das Lächeln aus seinem Gesicht verschwand und er griff nach dem Schälchen. „Dankeschön.", murmelte er und kehrte mir den Rücken zu. Ich wollte ihn gerne fragen, ob alles in Ordnung sei,doch entschied mich dazu, dass ich ihn nicht mit meinen lästigen Fragen bedrängen wollte. Ich kontrollierte seine Vitalzeichen und fragte ihn nach Schmerzen. Dabei Siezte ich ihn die ganze Zeit, es erschien mir angebrachter. „Bitte hören Sie auf mich mit meinem Nachnamen anzusprechen.", lachte er irgendwann, „Jason reicht voll und ganz." Ich nickte langsam, als ich ihn mir etwas genauer betrachtet. Seine braunen Haare standen zu allen Seiten ab. Seine Wangen schienen eine natürliche röte zu haben, welche sein Gesicht aussehen ließ wie das eines kleinen Jungen. Seine Gesichtsform und der Bart machten daraus jedoch wieder das eines Mannes. „In Ordnung. Ich bin Emilia.", grinste ich nun. Wieder dieses atemberaubende Lächeln. „Das sagtest du bereits." Ich spürte wie die Röte in meine Wangen schoss. Gott, war das peinlich. „Das Frühstück kommt dann gleich.", ich drehte mich um und ging mit meinem Wagen aus dem Zimmer. Als ich wieder am Pflegestützpunkt ankam, verräumte ich meine Materialien und fing an die Medikamente für den nächsten Tag zu stellen. „Du warst aber lange in der 16.", riss mich meine Arbeitskollegin und beste Freundin Rachel ausmeinen Gedanken. „Ja, schwieriger Fall.", winkte ich ab und hoffte, dass sie nicht weiter nachfragen würde. Aber bei Rachel wusste ich, dass sie mich wenn nicht jetzt spätestens nach dem Dienst ins Kreuzverhör nehmen würde. Sie grinste mich schelmisch und ich wusste, dass ich nach dem Dienst gezwungen war mit ihr einen Kaffee trinken zu gehen. „Rach, lass es gut sein.", mein strenger Ton erschrak mich selbst, aber nur so konnte ich Rachel klar machen,dass ich darüber nicht sprechen wollte. Sie zuckte mit den Schultern und fing an eine Infusion für einen ihrer Patienten zu richten.

Just A Nurse ThingWhere stories live. Discover now