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"Gemein, oder? Ich wollte dieses Zimmer unbedingt haben, aber Mori-san hat es nicht erlaubt, nur weil ich so klein bin. Als würde ich in dieser Kälte weglaufen! Und draußen ist auch niemand, der mich verletzten könnte! Jetzt, da Dazai gekommen ist, hat er das Zimmer sofort bekommen, ohne es auch nur haben zu wollen. Er konnte die Treppe nicht hoch? Er hat sofort das andere Zimmer mit Ausgang bekommen. Dafür könnte ich ihn wirklich hassen, aber dann wird Mori-san wütend. Und dir gefällt das sicher auch nicht, was?"

Yumenos Beschwerde von Gestern klang am Morgen als erstes in Chuuyas Kopf wieder. Er rieb sich mit der Hand über die Stirn, bemerkte, dass er erstens, noch auf dem Bett war, zweitens, wieder Menschengestalt angenommen hatte. Dazai schlief noch, schien das zusätzliche Gewicht auf seinen Beinen nicht zu bemerken.
Musste schön sein, so tief schlafen zu können.

Der rot Haarige sah auf den Boden. Die Schleifen, falls es denn alle waren, lagen noch dort wo sie gestern liegen gelassen wurden. Seufzend verwandelte er sich zurück, sprang vom Bett, sah auf die Uhr am Schreibtisch. Kurz nach 8:00. Wann hatten sie gestern gegessen, Morgens oder Mittags? War es sicher, sich ins Badezimmer zu schleichen? Er warf einen Blick auf Dazai, realisierte, dass der braun Haarige sein kleinster Gefahrenfaktor war. Also verließ er das Zimmer, tappte durch den Flur, konzentrierte sich auf jedes Geräusch. Er konnte Yumeno im Schlaf reden, - hatte er deswegen an ihn gedacht? - den Schnee vom Dach fallen hören. Elise kämmte sich gerade die Haare, verfluchte das rote Kleid, das sie trug. (Sie war im Kinderzimmer. Schlief sie dort?) Mori musste in seinem Raum sein, denn von ihm konnte er nichts hören, egal wie sehr er sich konzentrierte.

Auch als er um 8:45 zurück ins Zimmer ging, Elise in der Küche (oder im Wohnzimmer, er konnte es nicht unterscheiden) hörte, schlief sein Schützling immer noch, seine Hände fest im Kissen verkrampft. 15 Minuten später stürmte Yumeno die Treppe hinunter, riss ihre Tür auf. "Dazai! Du fährst heute in die Hauptstadt!"

"Geh weg, Q."

Yumeno ging nicht weg, wartete, bis ein Kissen in tödlicher Geschwindigkeit auf ihn zugeflogen kam, (absolut erbärmlich; selbst ein Luftballon konnte härter geworfen werden) ehe er zu Chuuya ging, ihm durchs Fell fuhr. "Wenn das so weitergeht können wir wieder den ganzen Tag zusammen spielen." Dann sprang er hoch, rannte aus dem Raum raus.
Dasselbe Spiel wie gestern spielend, sprang Dazai aus dem Bett sobald sich die Tür geschlossen hatte, zog sich seine Schuhe an, sah sich nach seinem Mantel um, schüttelte dann den Kopf.
Dann deutete er ihm mitzukommen, verließ den Raum.

♦️

"Den Hund mitnehmen? Warum sollte ich das erlauben?"

Chuuya wünschte sich zum ersten Mal, in Menschengestalt am Tisch sitzen zu können. Nicht, weil er hungrig war - war er nicht, erstaunlicherweise - sondern, weil er die Gesichter der beiden, das des schwarz Haarigen und das seines Schützlings genau sehen, die Diskussion auf Augenhöhe miterleben wollte.

"Ein asiatischer Krüppel wie ich, ganz alleine in der Hauptstadt dieses korrupten Landes? Mori-san, hast du mich die ganze Folter der Desensibilisierung nur durchmachen lassen um mich zu Tode geprügelt zurückgeschickt zu bekommen? Bevor ich meine Aussage machen kann?"

Dazai hatte, was auch immer auf seinem Teller lag, nicht angerührt, saß aufrecht, die Hände auf seinem Schoß. Mori gab einen überlegenden Ton von sich, aß etwas, ließ sich Zeit.

"Du wirst nie allein sein, dein Fahrer wird dich stets überall mit hin begleiten, die Tür vor deinem Hotelzimmer nicht verlassen - deine Sicherheit ist also garantiert. Oder ist es was anderes, das dich dazu bewegt?"

Sein Schützling fing an zu Lachen (es klang wie von Herzen. Zu sehr von Herzen), strich ihm durchs Fell, legte den Kopf etwas schief, um ihn ansehen zu können. Chuuya verstand erst später, viel später, dass er damit Moris Blick ausgewichen war, erfolgreich und natürlich wirkend. "Morgen wird der Karneval des Bösen in der Stadt gefeiert; nach dem Besuch bei der Polizei will ich gerne zu eine der Feiern hingehen - außer du hast vor, ein Machtwort zu sprechen und es mir zu verbieten." Dazais Hand zitterte, unmerklich, unsichtbar für die anderen drei am Tisch - weder Elise noch Yumeno hatten bis jetzt ein Wort gesagt, oder einen Kommentar abgegeben - im Vergleich zu den letzten zwei Tagen war es fast schon unheimlich.

"Ein Machtwort? Ich fühle mich ja richtig geehrt. Vergiss nicht, die Sachen auf den Blättern mitzubringen. Dein Fahrer kommt in einer halben Stunde."

Der schwarz Haarige hatte seine Erlaubnis gegeben, (hatte er?) das Frühstück ging normal weiter, zwei verschiedene Augenpaare sahen immer wieder zu ihm hin, schnell wieder weg. Nach dem Essen, etwa 30 Minuten später, saß der braun Haarige an seinem Tisch, starrte wütend auf die Blätter drauf.
Er versteht die Sprache auch nicht.

Als es Zeit wurde zu Fahren, Dazai zum Abschied von Mori seinen Mantel zurückbekam (der schwarz Haarige hatte einen fast schon nostalgischen Gesichtsausdruck, als er seinem Schützling rein half), zusammen mit einem kleinen Koffer voller Verbands- und Desinfektionszeug. Chuuya wurde von dem kleinen Jungen gar nicht mehr losgelassen, geradezu umarmt. Er ließ es zu, wartete, bis Mori ihn wegnahm, ins Wohnzimmer führte. Elise, die entweder schon die ganze Zeit da gewesen war, oder sich wieder aus dem Nichts manifestiert hatte, eilte ihnen hinterher, schenkte weder ihm, noch Dazai einen Blick. Chuuya hörte seinen Magen knurren, horchte auf. Es war wie ein Instinkt, ein plötzliches Aufkommen von Sorge, ob der braun Haarige überhaupt was gegessen hatte. Das falsche Mysterium schüttelte sich, verwarf die nutzlosen Gedanken. Wie weit war es von hier bis zur Hauptstadt? Wahrscheinlich eine gute Ewigkeit; wenn sie wieder fliegen würden würde er durchdrehen.

Es klopfte einmal, laut und sicher, wurde von Dazai völlig ignoriert. Nach dem vierten Mal und einem ungeduldigen "Wuff" öffnete der Junge schließlich, wurde mit einer Welle Schnee überrascht, die sich im ganzen Flur, in seinem ganzen Gesicht und auf den Haaren, im Mantel des braun Haarigen ausbreitete. Chuuya schüttelte den Schnee ab, sah zum Fahrer hoch.

"Ich bin - ah, Dazai-san, du bist es, den ich Fahren soll? Was für eine angenehme Überraschung."

Sein Schützling versuchte nicht mal zu lächeln, ging ohne ein weiteres Wort am Fahrer vorbei. Das falsche Mysterium folgte ihm, spürte den Schnee unter seinen Pfoten knirschen. Es war nicht kalt. Der Wagen in den sie stiegen sah, im Vergleich zum letzten, aus wie eine Waffe auf Rädern, von denen jedes doppelt so groß war wie Chuuya selbst. Die Sitze hinten waren mit Fellen ausgelegt, bequem und weich. Dazai kletterte in den Wagen rein (ignorierte die Hilfe, die ihm der Fahrer anbot. Vielleicht hätte er seine Krücke mitnehmen sollen), ließ sich gemütlich in die Mitte der Sitze fallen, versperrte damit jede Möglichkeit, entspannt an der Seite sitzen zu können. Chuuya ließ sich links von ihm nieder, legte seinen Kopf auf seinen Schoß.
Sie würden wohl lange fahren, die Hauptstadt, wo sie auch lag, vor morgen nicht erreichen. Er wollte seine Fähigkeit zurück haben.

"Das ist ein schönes Exemplar, dass du da hast, Dazai-san. So eins hab ich noch nie gesehen."

Dazai ignorierte die Versuche des Fahrers ein Gespräch aufzubauen weiterhin, schlug sein Buch auf. Es war dasselbe, dass auf dem Schreibtisch gelegen hatte, schien das einzige Buch in japanisch zu sein. Chuuya legte den Kopf schief, erhaschte einen Blick auf den Titel.
Eine Weile versuchte er mitzulesen, gab es kurz darauf auf. Die Zeichen zu lesen, dauerte zu lange, der braun Haarige blätterte viel zu schnell um.
Das falsche Mysterium leckte sich über die Schnauze, schloss die Augen.

Hauptstadt Besuch, Polizei Aussage, Karneval - es schien, als würde eine Menge auf das Knochengestell von einem Jungen zu kommen. Chuuya hatte zwar immer noch nicht das Bedürfnis ihn zu beschützen; aber fürs erste würde er wohl an seiner Seite bleiben. Fürs erste.

Von blutigen Schleifen und schwarzen Tränen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt