Prolog

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„Francis?", fragte sie mit zittriger Stimme. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass es bald vorbei war. Sie hatte noch nie jemanden sterben sehen, doch sie spürte es. Trotzdem wollte sie es nicht wahrhaben, konnte es nicht glauben. Er durfte nicht sterben, bald würden sie heiraten. Blut rann langsam aus seinem Ohr und bahnte sich seinen Weg auf den belaubten Waldboden. Josephine schluchzte, sie rüttelte an ihm, doch es tat sich nichts. Francis' Puls war schwach und sie waren nun alleine im Wald. Keiner konnte ihnen helfen, niemand konnte sie hören. „Francis sag doch etwas!", flehte sie. Die Verzweiflung in ihr übertönte die Wut. Wut auf die Männer, die ihren Geliebten so brutal hergerichtet hatten. Francis hatte ihr Leben gerettet und das seine dafür gegeben. Sie wollten nicht Francis, sie wollten Josephine. Noch bevor einer der drei Männer sie erreicht hatte, griff Francis ein und kämpfte bis zum letzten Mann. Es brauchte nur einen Schlag um einen zu töten. Francis schlug zwei Mal. Als er zum dritten und letzten Mal ausgeholt hatte, ergriff der Mann seine Hand, drehte seinen Arm um und trat mit voller Wucht gegen Francis' Knie, sodass diese nachgaben. Mit einem Aufschrei sank er zu Boden. Josephine erinnerte sich, dass sie nach einem Ast griff und nach dem Angreifer schlug, doch auch dies wehrte er ab. Er schien der Stärkste von allen drei zu sein, und der Größte. Wütend blickte er auf und holte aus, doch Francis nutzte die Ablenkung, um ihn von sich zu stoßen. Die beiden rollten ein Stück bis der Riese Oberhand gewann und Francis' Kopf packte. Er schlug seinen blonden Lockenschopf auf den Boden, wieder und wieder. Josephines Schrei durchdrang die grausame Kulisse. Sie wusste sich nicht anders zu helfen, als nochmals mit voller Wucht auf den Angreifer zu stürzen. Mit Händen und Füßen schlug und trat sie nach ihm, bis er von ihrem Geliebten abließ, um auch ihren Kopf zu zertrümmern. All' seine letzte Kraft nutzte Francis Valoir, um einen Stein zu greifen und den Riesen tödlich am Kopf zu verletzen. Nachdem der Stein gegen den Schädel des massiven Mannes prallte, ging dieser nicht weit von Francis ebenfalls zu Boden. Dies war das Ende von Francis. Josephine wusste es noch bevor er die Augen öffnete um ihre ein letztes Mal zu erkunden. „Ich habe dich immer geliebt, Josephine Saint Clair.", sagte er, während er sie intensiv musterte. Er wollte sich alles einprägen. Jeden Zentimeter ihres wunderschönen Gesichts. Die vollen, rosigen Lippen, die kleine, geschwungene Nase. Doch vor alldem ihre braunen Augen, die selbst mit Tränen gefüllt heller strahlten, als die Sonne, die den Schnee im Frühling zum Schmelzen bringt. Seine Augenlieder gaben nach und er versuchte krampfhaft, sie offen zu halten. Nun konnte Josephine, die über ihm gebeugt auf dem Waldboden kniete, die Tränen nicht mehr zurückhalten. Nun wusste sie was zu tun war. Eigentlich wusste sie es die ganze Zeit über, sie hatte bisher nur nicht den Mut gehabt, es sich einzugestehen. „Francis, es gibt eine Möglichkeit, wie wir zusammen sein können. Du weißt es.", brachte sie unter Tränen hervor. Francis' Augen begannen zu flimmern, sein Atem stockte. „N-nein. Das - du darfst das nicht tun. Nicht wegen mir." Doch die Entscheidung war gefallen. Sie war gefallen, als Josephine erkannte, dass ihre einzige große Liebe sterben würde. Es gab eine Möglichkeit, wie sie wieder zusammen sein konnten, wie sie sich ihre gestohlene Zeit zurückholen konnten.
Bevor Josephine aufstehen konnte, ergriff Francis ihren Arm. „Wenn du es wirklich tust, werde ich dich finden. Ich werde dich heiraten Josephine, wenn nicht in diesem Leben, dann in meinem nächsten." Josephine musste sich beeilen, denn Francis wurde immer schwächer, sein Atem immer unregelmäßiger. Sie rannte über die Lichtung zu einer der Leichen, die Francis getötet hatte, und zog ein Schwert aus der eisigen Hand. So schnell sie konnte, rannte sie zu Francis zurück, doch es war zu spät. Er atmete nicht mehr. Er war tot. Josephine schrie, rüttelte an ihm, doch er rührte sich nicht. Sie wischte sich mit dem blutigen Handrücken eine Träne fort und versuchte zwanghaft einen klaren Verstand zu bewahren, denn den brauchte sie, für das was sie vorhatte. Francis' blaue Augen starrten ihr entgegen, also schloss sie sie behutsam mit der nicht blutverschmierten Hand. Es war für sie unerträglich, ihren Liebsten so zu sehen. Mit belegter Stimme sprach sie die Worte, die sie nach ihrer Wiedergeburt wieder zusammenführen würden. Wieder und wieder wiederholte sie die Sätze wie ein Mantra. Ihre Mutter hatte sie die Kunst der Kräuterkunde und Magie gelehrt. Alles würde sie nun aufgeben. Josephine würde nie wieder ihre Mutter wiedersehen, nie wieder ihre Geschwister. In ihrem nächsten Leben würde sie mit großer Wahrscheinlichkeit keine Hexe mehr sein. Doch in diesem Leben würde sie ohne Francis leben müssen. Allein die Vorstellung bereitete ihr den größten seelischen Schmerz, denn sie sich je vorstellen konnte. Das gab ihr die Kraft, den Zauber durchzuführen. Zu guter letzt brauchte sie einen Gegenstand, der Francis gehörte. Sie musste nicht lange suchen, bis sie seinen Ring fand. Da sie vorgehabt hatten, schwimmen zu gehen, hatte er ihn in der Kutsche abgezogen und in seiner Hosentasche verstaut. Genau dort fand sie ihn. Der rote Juwel schimmerte wie das Blut, dass sich um den blonden Lockenschopf gebildet hatte. Sie steckte ihn sich selbst an den zierlichen Ringfinger und sprach erneut die magischen Worte. Josephine ergriff Francis' reglose Hand, die in der Zwischenzeit schon kalt geworden war. In der anderen Hand hielt sie das Schwert. Der Eisengriff fühlte sich ebenso kalt an. Noch ein letztes Mal küsste sie ihn, dann stach sie sich mit voller Wucht die Klinge in den Bauch.

Hey, schön dass du hergefunden hast. Ich hoffe, der Prolog hat Dir gefallen.☺️
(Die Szene ist angelehnt an die Serie „Reign".)

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