Ich lief alleine durch die noch düster und karg wirkende Winkelgasse. Es war nun schon Mitte Juni und der Morgen war warm, doch der Himmel war, wie immer mitten in London, von Wolken verhangen. Vielleicht war es aber auch einfach nur schlechtes Wetter, wenn ich gerade in der Stadt war. Wundern würde es mich nicht.
Vor drei Tagen hatte sich, als ich gerade meinen ersten morgendlichen Kaffee genoss, ein Störenfried durch das Küchenfenster in mein Heim gequetscht. Ich erkannte ihn als eine der Schuleulen und war nicht besonders überrascht darüber, einige Momente später einen Brief von Minerva in den Händen zu halten. Das alte Weib hatte wohl ein schlechtes Gewissen. Ich verzog meinen Mund zu einem diabolischen Grinsen, was aber, als ich die wenigen Zeilen las, wieder erstarb. Sie wollte sich mit mir treffen und "reden". Tja, entschuldigen wollte sie sich also nicht und ja, ich konnte es ihr noch nicht einmal vorwerfen. Mein Schauspiel war gewiss sehr überzeugend und hatte in seinem Höhepunkt viele Opfer gefordert, so auch das Vertrauen von Minerva.
In ihrem Brief stand nur: "Ich glaube, es ist an der Zeit sich auszusprechen. Ich erwarte dich in Hogwarts. Novum initium. Minerva" Mehr stand nicht in dem Brief, Zettel, und ich musste dieser Frau, wie schon so oft in meinem Leben, meinen Respekt zollen. Novum Initium? Ein Neubeginn? Mhm... ein Passwort, das sich Longbottom sicherlich nicht merken könnte.
Wir hatten uns im Beisein von Albus, in Portrait-Form, ausgesprochen. Wir waren beide der gleichen Auffassung, dass der alte Kauz zu viel verlangt hatte und viel zu viel für selbstverständlich hielt, besonders wenn es den Jungen betraf. Als das Gespräch in Richtung Potter abzurutschen drohte, spürte ich, wie mich ein Schaudern durchlief. Doch Minerva giftete gerade Albus an und ihnen entging, zum meinem Glück, der rote Schimmer, der sich über mein Gesicht zog.
Verdammt, seit wann hast du dich denn nicht mehr unter Kontrolle? Das wird ja immer besser! Bald wirst du rot, wenn du den Jungen alleine schon aus weiter Ferne siehst. Was bei den Träumen, die ich hatte, auch nicht verwunderlich wäre.
"Albus, bei allem Respekt! Harry war viel zu jung für deine Strippenzieher-Machenschaften und im Übrigen..." Genervt unterbrach ich Minervas Gezeter. "So furchtbar gerne ich mir deine verbalen Ergüsse gegenüber unserem hoch geschätzten, wie nanntest du ihn gerade? Strippenzieher? ...anhören würde, habe ich dennoch besseres zu tun." Minerva blickte etwas pikiert zu mir, blinzelte dann und fragte mich bissig: "Ach ja, was denn? Gifte mischen? Soweit ich weiß, muss im Moment niemand getötet oder hintergangen werden, Severus. Setz dich! Ich möchte dir ein Angebot unterbreiten." Und so schlug mir die Schulleiterin vor, die vierte bis siebte Klasse in Zaubertränken zu unterrichten, da "unser lieber" Horace nun doch etwas angeschlagen sei. Angeschlagen, dass ich nicht lache! Dieser Faulpelz von einem Möchtegern Zaubertrankmeister! Doch ich nahm das Angebot von Minerva, nach etwas formellen Protest und ein, zwei verächtlichen Blicken und Kommentaren über Slughorns Unfähigkeit, schließlich an. Denn wenn ich die Panschereien der ersten bis dritten Klasse nicht über mich ergehen lassen muss, hatte ich genügend Zeit für meine eigenen Forschungen.
In meinen Gedanken versunken, wanderte ich über die nassen Pflastersteine der Winkelgasse.
Allzu viel war noch nicht los. Trotzdem lockten die herrlichen Gerüche von frischen Kräutern und Backwaren mich immer tiefer in den Trubel der Märkte und Läden hinein. Ich trat gerade aus einem der neuen Läden, "Krauts und Kräuter", der von einem jungen, aber sehr fähigen, deutschen Kräuterkundler geführt wurde. Er war groß, breit gebaut und hatte blonde, kurzgeschnittene Haare. Seine Augen waren dunkelbraun und warm. Er sah gut aus und hatte mir etwas länger, als es die Höflichkeit verlangte, in die Augen gesehen, während er mir das Wechselgeld in die Hand gab. "Ein schöner Mann...", dachte ich mir, aber leider ganz und gar nicht mein Typ. Was war denn eigentlich "mein" Typ? Ich wusste es nicht. Gedankenverloren streifte ich weiter in die Tiefen der Gasse. Der Trubel und der Lärm wurden immer größer, je älter der Morgen wurde und es schien mir plötzlich, als würde der Tumult mich verschlingen wollen. Mir wurde es zu viel. Die Gerüche, die Geräusche, sie engten mich ein, erdrückten mich. Meine Sinne wurden überflutet und ich konnte mich nicht mehr konzentrieren. Luft, ich brauchte frische Luft. Kurz entschlossen bog ich in eine der vielen engen Gassen ab, die sich wie kleine Ausläufer, wie Äderchen, von der großen, pulsierenden Hauptschlagader der Winkelgasse abzuspalten schienen. Ich lehnte mich dort in eine Nische nahe der Hauptgasse, die verdreckte Hausmauer irgendeines noch immer vom Krieg zerstörten Ladens in meinem Rücken. Eine ganze Weile stand ich mit geschlossenen Augen da und ließ mir mit erhobenem Kopf den feinen und für London so typischen Nieselregen auf mein Gesicht tropfen. Ich hatte dieses Gefühl noch nie, hatte noch nie so sehr die Kontrolle über mich und meinen Körper verloren. Die dunklen, letzten paar Jahre sind wohl auch an mir, nicht ohne Spuren zu hinterlassen, vorbei gezogen. Dennoch, bald wäre ich wieder im Stande zu apparieren und könnte raus hier aus diesem Trubel und Lärm und all diesen wuselnden sich schubsenden, dummen Kreaturen, die sich Menschen schimpften. Meine Hände zitterten, doch bevor mich dieses Gefühl von Schutzlosigkeit erneut vereinnahmen konnte, wurde es weggedrängt. Weggedrängt von etwas vertrautem, seidig warmen, das sich, wie so oft, um mich schmiegte und ohne auch nur die geringste Gegenwehr meinerseits, in mich eindrang und sich in meinem Innern ausbreitete. Harry, er war zurück in London, hier in der Winkelgasse. Verdammt, er durfte mich nicht so sehen. Ob er wohl wusste, dass ich hier war. Nein, mittlerweile war ich mir ziemlich sicher, dass nur ich diese Empfindungen hatte, wenn seine Seele meine streifte. Das Gefühl wurde stärker und ich beruhigte mich langsam. Er musste jetzt ganz in der Nähe sein. Ich entspannte mich, dort in dieser dreckigen Gasse und fühlte mich stärker, wohler, befreiter. Ich holte tief Luft, um mich von den letzten, erdrückenden Gefühlen zu lösen und mich ganz Harrys, wohl nicht gerade freiwilliger, Hilfe hinzugeben. Ich hatte das Gefühl, seinen Geruch in der Luft erhascht zu haben. Vermischt mit dem Duft des Regens und der frischen Kräuter, die ich bei mir trug, ergab es, für mich zumindest, eine unwiderstehliche Symphonie von Gerüchen und Düften. Langsam schloss ich meine Augen und genoss die Ruhe, die sich in mir ausbreitete. In meinen Gedanken blitzen plötzlich Bilder auf. Bilder von Harry, wie er in meinem Unterricht Kräuter schnitt, wie er sie in seinen Fingern zerrieb und sie in den Topf vor ihm fallen ließ. Harry auf seinem Besen, wie er sich elegant in der Luft bewegt, seine Hände fest an den Besenstiel geklammert, die unglaublichsten Manöver flog. Wie sich sein Haar im Flugwind noch mehr zerzauste. Harry, versteckt im Garten seiner Verwandten am Sonnenbaden, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, so dass sein Shirt nach oben rutschte und die feine, helle Haut über seinem Hosenbund entblößte. Ich stellte mir vor, wie es sich anfühlen würde, mit meinen Fingerspitzen über die freigelegte Stelle zu fahren. Stellte mir vor, wie es wäre, Harry damit ein Seufzen zu entlocken, ihn schließlich dort zu Küssen und mit meiner Zunge... warte was? Meine Zunge? Als ich, geschockt über meine Gedanken, die Augen aufschlug, war das seidige Gefühl verschwunden und ich ärgerte mich. Jetzt hatte ich noch nicht einmal mehr meine Tagträume unter Kontrolle? Und überhaupt, seit wann träumte ich tagsüber? Bei Merlin, Severus, gleich fängst du an zu sabbern! Ich brauchte eine Dusche, eine kalte Dusche und mit dem Gedanken an das erlösende Eiswasser, das mich von meinen schändlichen Gedanken und der aufkommenden Lust befreien würde, löste ich mich lautlos in schwarzem Neben auf.
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your soul, my freedom ¦ Snarry ¦ deutsch
ParanormalHarry Potter und Severus Snape ihrerseits Zauberer und beide überlebende der Schlacht um Hogwarts, decken nach und nach das Geheimnis, welches sie beide verbindet auf...? Meine Geschichte knüpft nahtlos an die Geschehnisse im Bootshaus bei der Schl...