Das fünfte Rad am Wagen

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Er trat ein ... ganz in schwarz gekleidet mit einem bleichen Gesicht, das sicher hübsch wäre, würde es nicht so verzogen werden. Sein blondes langes Haar klebte am Schweiß, der sich allmählich auf seiner Stirn bildete. Seine grauen Augen zuckten ängstlich durch den Raum.

Er warf sich hastig auf den Boden und beugte zitternd seinen Kopf nach unten, so dass sein Haarschopf den Boden berührte. Meine Hand umfasste Vaters und drückte sie aufgeregt. Vater strich mit seinem Daumen über meinen Handrücken und drückte mich leicht zu sich.

„Bleib mir treu, kleiner Engel." Ohne auf eine Antwort von mir zu warten, richtete er seine Worte an seinen unterwürfigen Folger.

Langsam öffnete ich meine Augen und streckte mich lang. Nach einem herzhaften Gähnen schlug ich die pinke Decke zurück und stand vom Bett auf. Schnell öffnete ich Vorhänge und Fenster, machte mein Bett und legte meine Puppe ordentlich hin.

Von der Küche her konnte ich schon die Pfannkuchen mit Honig riechen und das Summen von Emm, die wie immer irgendein Lied im Radio mitsang. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen, während ich mit Schlafanzug aus dem Zimmer schlüpfte.

Mit nackten Füßen tapste ich über den Holzboden und wollte gerade die erste Stufe nach unten nehmen, als ich jemanden neben mir entdeckte. Vor Schreck zuckte ich zurück und konnte mich nur noch grade so am Gelände festhalten.

Zwei braune Augen fixierten mich, während ich mich immer noch fangen musste.
„Sorry", wurde mir zugenuschelt, „ich wollte dich nicht erschrecken."

Schweigend schauten wir uns kurz an ... beide in Pyjama, zerzausten Haaren und verschlafenen Augen. Und erst in diesem Moment realisierte ich richtig, dass Philo nun mein Bruder war. Das wir ab jetzt unter dem gleichen Dach leben würden, die gleiche Mutter hatten und uns egal in welchen Lebenslagen nun fast immer sehen werden würden.

Wir würden zusammen essen, nebeneinander im Badezimmer stehen und Zähneputzen, werden zusammen sitzen und lesen, die Wochenenden miteinander verbringen.

Immer mehr Gedanken geisterten in meinem Kopf herum: Wie ich in seinem Zimmer sitze und mit Philo rede, wie er seine Haare macht und mir von seiner ersten Freundin erzählt und mir gleichzeitig versucht weiß zu machen, dass ich niemals einen Freund haben werden solle. Wie Philo an die Badezimmertür rüttelt und mir zubrüllt endlich da drinnen schneller zu sein. So, wie die ganzen älteren Brüder der Hauptcharaktere in meinen Büchern.

„... hey, hörst du mir überhaupt zu?" Philo fuchtelte mit seiner Hand vor meinen Augen herum. Wie hatte er sich von heute auf morgen so verändern können? Der hatte doch gestern noch gar kein Wort zu Stande gebracht, oder war das nicht der richtige Philo?

Ich schreckte aus meiner Starre hoch und blickte nun meinen Stiefbruder an. „Ich hab gesagt, dass wir jetzt besser runter gehen sollten."

Immer noch gedankenverloren nickte ich und ging Philo hinterher in das Wohnzimmer. Emm stand dort schon in Morgenmantel vor dem Herd und backte Pfannkuchen, während sie zu „where is the love" im Radio mitsang.
Als sie uns  Kinder entdeckte, hörte sie jedoch auf und deutete uns uns zu setzten.

Schnell waren die Pfannkuchen verdrückt und die Teller leer. „So ihr beiden, und was wollt ihr heute machen?"
Stille ...*grübeln*
„Wir könnten zum Beispiel in den Zoo ..."
Ich stöhnte: „Auf gar keinen Fall."
Meine Ziehmutter schenkte mir ein verärgertes Augenverdrehen, doch das war mir egal. Ich wollte nur bloß nicht in den Tiergarten! Die Streiterei vom letzten Mal hatte ich immer noch im Kopf und die wollte ich wenn es geht auf keinen Fall mehr wiederholen.

„Wie wäre es, wenn wir ins Schwimmbad gehen? Drei Becken kann man jetzt zu dieser Jahreszeit ja auch noch benutzen."
Philo schien recht begeistert von Emms Vorschlag zu sein, doch ich hatte wieder einmal keine Lust. Was sollte ich zwischen dreckigen Muggeln in einem verseuchten Wasserbecken machen?

Emm schien meinen nicht gerade erfreuten Gesichtsausdruck bemerkt zu haben, denn sie stöhnte verärgert und fragte mich dann offen heraus: „Was willst du denn machen Alecto, und jetzt sag bloß nicht, dass du zuhause bleiben und lesen willst. Heute ist nämlich ein Familientag und das bedeutet, dass wir drei etwas Schönes zusammen unternehmen."

Mein Mund verzog sich, eigentlich hatte ich mich schon auf einen ruhigen Tag in der Hängematte mit einem Buch gefreut. „Können wir in die Bibliothek?"
„Das kommt gar nicht in Frage!"
Naja, ein Versuch war es wert. „Sucht ihr es doch aus, ich will bloß nicht in den Zoo."

Emm nickte und begann dann mit Philo zu diskutieren, wobei sie jedoch fast immer auf seine Wünsche einging. Einmal kam der Vorschlag „Winkelgasse" zu sprechen, wobei ich gleich hellhörig wurde, da ich dort schon immer hin wollte, doch dieser Vorschlag wurde gleich wieder von anderen ach-so-tollen Ideen weit nach hinten geschoben.

Irgendwann waren sich die beiden Unternehmungslustigen im Haus endlich einig und drehten sich wieder zu mir ... beide mit einem breiten Lächeln im Gesicht.

„Na das kann ja heiter werden", murmelte ich.

„Philo und ich haben uns dazu entschieden, dass wir zu meiner Muggelfreundin Caroline auf den Bauernhof fahren und uns dort ein bisschen umsehen."

Ich hatte keinen Plan, ob ich jetzt genervt davon sein sollte oder mich freuen, da ich Tiere halbwegs gerne hatte. Schließlich entschied ich es bei einem Kopfnicken zu belassen und mich nachher noch zu entscheiden.

Caroline war eine nette ältere Frau, die uns mit Keksen und Kuchen begrüßte und uns anschließend den ganzen Hof zeigte.

Philo war besonders von den Schweinen und Hühnern angetan, wohingegen ich einen Narren an den kleinen Babykaninchen fraß. Denn egal wie sehr mich alles Böse und Gefährliche anzog, ich war immer noch ein kleines Mädchen, das niedliche kleine flauschige Dinge süß fand. Die kleinen Kaninchen hoppelten ausgelassen durch ihren Stall und spielten mit ihren Geschwistern fangen. Dabei flogen ihre langen Ohren durch den Wind und vor ihre riesigen schwarzen Knopfaugen.

Am liebsten hätte ich sie alle mit nach hause genommen und für immer geknuddelt. Doch leider ging auch dieser - wie ich mir eingestehen musste - schöner Tag zu Ende und hinterließ nur eine schöne Erinnerung in meinem Kopf. Eine schöne Erinnerung an den ersten richtigen Tag mit einem Bruder, den ich nie wirklich haben wollte, und der mir dann doch irgendwie vor die Füße gelegt wurde. Was genau das jetzt bedeutete - ob ich ihn gerne mit den Füßen treten wollen würde, oder dann doch lieber knuddeln - wusste ich noch nicht.

***

Dankeschön wegen der lieben Kommentare und Votes von hannalchtr und JulianaBlack2005, ihr motiviert mich wirklich sehr!

Ich weiß nicht, ob ihr da eine Benachrichtigung bekommt, oder nicht - ich hab noch nicht so viel mit Wattpad am Hut - aber ich hoffe, es stört nicht, dass ich immer wieder alle Kapitel korrigiere, umformatiere etc. Wenn ich es nicht erwähne, sind die Veränderungen aber nie so groß, dass man sie nachlesen muss, nur vielleicht für zukünftige LeserInnen angenehmer zu lesen.

Ps. Lasst mich wissen, wenn euch die Updates zu schnell gehen, oder euch sonst etwas stört 🙂.

Die Tochter des dunklen Lords (Harry Potter Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt