1. Die Insel der Verlorenen alias Dreckloch

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Reign's POV:

,,Aufwachen, Prinzessin!", kreischte mir die schrille Stimme meiner Mutter ins Ohr. Ich öffnete blinzelnd die Augen und blickte meiner Mutter entgegen, die mich beinahe zu Tode erschreckt hätte. Ihre Haut war wie immer kreideweiß, die Wangen rosa und das kupferrote Haar hochgesteckt. Was mich allerdings erschreckt hatte, war das rot gemalte Herz auf ihren Lippen. ,,Mom, wasch dir das Herz ab", meinte ich zur Begrüßung, regte mich und schwang elegant die Beine von dem Bett, welches wohl das einzige auf der Insel war, das nicht danach aussah, als würde es jeden Moment zusammenbrechen. Die Herzkönigin zog empört die Brauen zusammen. ,,Das, Liebes, ist schön." Ich setzte ein falsches Lächeln auf und trat vor sie, wobei ich sie fast um einen halben Kopf überragte. Dabei war ich mit meinen 1.67 nicht unbedingt so groß. ,,Mom, vielleicht war das ja noch in, als du regiert hast", lächelte ich schief, ,,Und das war nochmal wann? Vor zwanzig Jahren oder so?" Geschlagen schnaubte meine Mutter, welche in einem rot-schwarzen Kleid steckte, dessen Kragen ihr den Hals verdeckte. ,,Na gut, ich wasch es mir ab." Damit war die gestürzte und verbannte Königin aus meinem Zimmer verschwunden. Ich lächelte zufrieden und ging mich dann mit den einzigen gut riechenden Ölen waschen, die es hier gab, bevor ich mir mein heutiges Outfit raussuchte. Schließlich fiel meine Wahl nach langer Überlegung auf ein schlichtes hellrotes Kleid, welches mir knapp bis vor die Knie reichte. Dazu steckten meine Füße in weißen High Heels und ich zog mir eine kurze, weiße Jacke über. Anders als die meisten auf dieser Insel, achtete ich stets auf ein gepflegtes Aussehen, ein strahlendes Lächeln und hielt mich so gut es ging von den dreckigsten Gassen der Inseln fern, wobei eigentlich die ganze Insel der Verlorenen als einziges Dreckloch bezeichnet werden konnte. Seufzend fiel mein Blick aus dem kleinen Fenster, auf das Gewässer zwischen der Insel der Verdammten und Auradon. Auradon ... dieser wunderschöne Ort voller Prinzen und Prinzessinnen, wunderschönen Kleidern und sauberen Zimmern und Straßen. Eine gewohnte Sehnsucht stieg in meiner Brust auf. Wie sehr ich doch dorthin wollte ... schon als Kind träumte ich davon, diese Insel zu verlassen, auf die Auradon Prep zu gehen und irgendwann einen gut aussehenden und reichen und charmanten Prinzen zu heiraten.

,,Reign, komm frühstücken!", rief meine Mutter mir aus dem Raum zu, der als Küche diente. Ich wandte meinen Blick schweren Herzens vom Horizont ab und lief in die Küche, wo meine Mutter bereits das Frühstuck auf den hölzernen Tisch umgeben von zwei hölzernen Stühlen zubereitet hatte. Das Frühstück bestand aus denselben Lebensmitteln, wie immer: Laktosefreie Mandelmilch und Haferflocken zusammengerührt in einer Schale. Während ich mit dem Löffel in der kleinen Schale herumstachelte, fragte ich mich, was die Schüler der Auradon Prep jetzt wohl aßen. Vielleicht Erdbeeren und Croissants? ,,Ich weiß, was du gerade denkst ...", riss meine Mutter mich aus den Gedanken. ,,Sei dankbar, dass wir überhaupt etwas zu essen haben. Es gibt viele aus der Insel, denen es am Essen mangelt", meinte die rothaarige Frau mit den hohen Wangenknochen. ,,Ich weiß und gerade das stört mich ja. Es ist generell unfair, dass die Kinder von euch Bösen auch auf der Insel verrotten müssen", erwiderte ich und verstärkte den Griff um den Löffel kurz, sodass meine Knöchel weiß hervortraten. ,,Naja", lächelte meine Mutter, ,,Wie sagt man so schön? Wie die Eltern, so das Kind." ,,Oh, ich bin ganz sicher nicht so wie du. Ich bin ein guter Mensch und niemals im Leben würde ich etwas so böses tun, wie du", erklärte ich und ließ den Löffel fallen, stand auf. ,,Ach komm, alles was ich tat, war notwendig", sagte meine Mutter gleichgültig und winkte mit einer Hand ab. Es schien ihr tatsächlich egal zu sein, das sie mit einem lauten Ab mit dem Kopf! so viele Leben beendet hatte. Ich schüttelte den Kopf und verzog die Lippen zu einem Strich. ,,Du hast Köpfe abgehackt!" Meine Mutter verdrehte die Augen: ,,Ein notwendiges Übel." Ärgernis blitzte in meinen Augen auf, so schnell sie auch wieder verschwand. ,,Ich geh zu Izzy", entschied ich kurzerhand und verließ das Haus.

Isidora's POV:

,,Morgen, Kleines", begrüßte mein Dad mich, der auf einem knarzenden Hocker saß und ein Buch auf seinem Schoß las, wobei ihm das zottelige, dunkelbraune Haar ins furchige Gesicht viel. Ich gab nur ein müdes Grummeln von mir, schleifte an ihm vorbei an den Tisch, wo eine Scheibe Brot mit einer dünnen Scheibe Fischbelag und ein Glas Wasser für mich bereit standen. Es war dasselbe Essen wie immer, doch es war besser als nichts. Also setzte ich mich und nahm einen Schluck Wasser, als der Kater meines Vaters auf den Tisch sprang. ,,Geh weg!", zischte ich dem hässlichen Viech mit dem zotteligen schwarzen Pelz und dem einen blinden Auge zu, aber es war zu spät. Balder hatte sich den Fischbelag gekrallt und fraß ihn nun genüsslich auf dem Boden. Wütend trat ich nach dem Vieh, woraufhin Balder fauchte und sich mit dem Fisch verzog. Na toll. ,,Wie oft noch, du sollst Balder in Ruhe lassen, Izzylein", bemerkte mein Vater ohne Aufzusehen. ,,Er hat den Fisch gestohlen", erklärte ich, ,,Schon wieder." ,,Weißt du, manchmal wünsche ich mir, du wärst mehr wie Reign, mehr wie eine Lady", meinte mein Dad seufzend und ich hob eine Braue. ,,Wir sind hier auf der Insel der Verdammten. Reign ist auch die einzige hier, die nicht böse ist. Und deshalb ist sie auch meine beste Freundin, selbst wenn ihr ständiges Lächeln manchmal echt anstrengend ist." ,,Deshalb sollst du dir auch ein Beispiel an ihr nehmen. Und ein wenig mehr Lächeln würde dir nebenbei bemerkt guttun", entgegnete Rumpelstilzchen nur keck und schlug das staubige Buch zu, als ein Klopfen an der Haustür (ein schäbiges Brett, das an die Wand befestigt wurde) erklang - so hell und sanft wie das Gezwitscher eines Vogels. Reign, schoss es mir sofort durch den Kopf. ,,Wenn man vom Teufel spricht", kommentierte mein Dad, der auch gemerkt hatte, dass es Reign sein musste. Ich lief zur "Haustür" und riss sie auf. Hinter ihr stand ein natürlich blasse Schönheit mit ordentlich gekämmten, kupferroten Haaren, die über die sauber helle und schicke Kleidung fielen. Sie fiel mir lachend um den Hals. ,,Hi, Izzy!", begrüßte sie mich mit dem üblich unschuldigen Lächeln. Ich ließ sie eintreten und schloss danach die Tür. ,,Hallo, Reign", erwiderte ich mit leicht gehobenen Mundwinkeln, was sogar fast an ein Lächeln erinnerte. ,,Was machst du so früh hier?", wollte ich wissen und sah meine beste Freundin fragend an, welche mit mir in den Raum des Schuppens ging, der als Wohn- und Esszimmer und Küche gleichzeitig fungierte. Reign sah zu mir. ,,Früh? Sweetheart, wir haben acht Uhr", trällerte sie und musterte mich dann kritisch. ,,Ich bin eben erst aufgewacht", erklärte ich immer noch verschlafen und auf die stumme Frage hin. ,,Sehe ich ... wow, du siehst wirklich schrecklich aus." ,,Wo sie Recht hat, hat sie recht", kommentierte mein Dad von seinem Hocker aus. ,,Danke", meinte ich daraufhin ironisch. Schon hatte Reign mich am Handgelenk gepackt und zerrte mich in meine winzige Schlafkammer. Gefüllt war diese mit nicht mehr als einem schäbigen Bett, einer Kiste mit einem Haufen von Klamotten drin und einem schmalen Schrank, der dem Betrachter das Gefühl vermittelte, er würde gleich in sich zusammenbrechen. Reign ging zielstrebig auf die Kiste zu und wühlte darin herum, bis sie irgendwas gefunden hatte, was nicht völlig unakzeptabel war. Schließlich hielt sie mir ein kurzes, weinrotes Sweatshirt-Kleid, unter dem ein grün karierter Rüschenrock hervorlugte, der bis zu den Knien reichte vor und betrachtete mich und das Kleid zynisch. ,,Das Ding ist zwar nicht unbedingt schön, aber was besseres habe ich nicht gefunden", Reign seufzte, ,,Wir müssen mit dir unbedingt zu Drizella's Schneiderei." ,,Ja klar, wenn ich tot bin vielleicht." Reign verschränkte die Arme vor der Brust. ,,Na los, zieh dich um."

,,Ich will nicht", stöhnte ich, während Reign mich hinter ihr am Handgelenk mitführte. ,,Ich aber und du weißt, du entkommst mir und der Mode nicht." ,,Ich weiß", seufzte ich. Plötzlich blieb Reign auf der Straße stehen und ich lief direkt in sie hinein. Ich hielt mir die Nase. ,,Was ist los?", fragte ich und stellte mich neben die Tochter der Herzkönigin, die es tatsächlich schaffte, allein durch ihre Anwesenheit alle Blicke der Bewohner der Insel auf sich zu ziehen. Das war mir immer am Unangenehmsten: im Mittelpunkt zu stehen, auch wenn ich wusste, dass Reign ja die im Rampenlicht war. Dennoch konnte ich missbilligende Blicke auf mir spüren. ,,Mal und ihre Freunde sind los", antwortete Reign auf meine Frage hin und ich konnte die Verachtung in ihrer Stimme hören. Es gab wirklich niemanden, den Reign wirklich hasste - man mochte glauben, sie war gar nicht imstande dazu - außer die Töchter von Maleficent und der Bösen Königin und die Söhne von Jafar und Cruella de Vil. Naja, vor allem aber Maleficents Tochter Mal konnte sich nicht ausstehen, die anderen kümmerten sie genauer betrachtet nicht. Warum Reign Mal nicht mochte? Nun, vielleicht weil sie von allen anderen Kindern der Bösewichte die fieseste war. Die Lilahaarige in der lilagrünen Lederkleidung sprühte gerade Long Live Evil in die schwarz gesprühte Silhouette ihrer Mutter.

,,They say I'm trouble, they say I'm bad, they say I'm Evil, that makes me glad", fing Mal an zu singen, und Reign verdrehte die Augen.

Reign's POV:

,,A dirty no-good, down to the bone. Your worst nightmare, can't take me home", hörte ich Jays Stimme etwas weiter weg hören. Mal entdeckte Izzy und mich und lief zu uns. ,,Oh, how nice, nice to see you, Reign, what is, do you step in? Or are you good for it, do you go along with?" Ich lächelte Maleficent's Tochter schief entgegen, als Jay dazu kam. ,,Come on, have a bit of fun and join in, you're the Queen of Hearts within!", ermunterte mich Jafars Sohn lächelnd dazu, zu singen. ,,You people know I'm not like you, I'm not a witch", ich warf Mal einen Blick zu, ,,and I don't need to be a thief to be rich." Der letzte Part ging an Jay, in dessen Augen etwas aufblitzte, was ich nicht ganz deuten konnte. Ich hielt seinem Blick herausfordernd stand, dann gingen er und Mal, zu Evie und Carlos um mit ihnen weiter zu singen. Ein triumphierendes Lächeln schlich sich auf meine Lippen, ich sah zu Izzy, die von den anderen ignoriert wurde, wie sie eigentlich von an allen ignoriert wurde. Ich war die einzige, die so reinherzig war, und sich mit ihr abgab. ,,Komm", sagte ich Rumpelstilzchens Tochter, die das abstehende, rabenschwarze Haar etwa schulterlang trug und stolzierte auf Drizella's Schneiderei zu.

REIGN - the daughter of the queen of heartsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt