Ticci Toby - Teil 1: Familie und Hoffnung

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Ich schlief mal wieder sehr unruhig. Das tat ich immer seit jenem Tag. Es waren bereits sechs Jahre vergangen und ich war kein 17jähriger Teenager mehr. Ich lebte in meiner eigenen Wohnung und galt als geheilt. Ich war nach der Sache in der Psychiatrie gelandet. Man stufte mich als akute Gefahr für mich und andere ein, dabei habe ich niemals jemandem was getan, aber aus irgendwelchen Gründen glaubte man, dass ich ihm damals geholfen hatte. Aber das hatte ich nicht...doch ich weiß, dass ich es getan hätte, wenn er mich darum gebeten hätte. Ich verstand, warum er es getan hatte. Nach dem Unfall war er nicht mehr der Gleiche gewesen. Er hatte sich verändert, hatte etwas von einem Mann ohne Gesicht geredet und dass er ihn zu sich holen würde. Für mich klang das alles, als hätte Toby damals dringend Hilfe gebraucht. Aber die hatte er nicht bekommen. Wen wunderte es da, dass er ausgerastet war? Und um ganz ehrlich zu sein hatte sein Vater es nicht besser verdient. Er hatte es doch selber provoziert. Es war klar, dass Toby sich irgendwann gegen die Schläge wehren würde. 

Ich stand auf und ging ins Bad, wo sich meine Schlaftabletten befanden. Als ich in den Spiegel blickte, sah ich nur eine Hülle. Ich war blass und abgemagert, hatte dunkle Augenringe und blasse Haut. Ich war nicht mehr der Mensch, der ich mal gewesen war. Ich hatte Toby immer gemocht und war wohl der einzige Mensch, den er als Freund bezeichnen konnte. Ich war nicht unbeliebt gewesen, hatte viele Freunde gehabt, aber Toby war etwas besonderes gewesen. Er war nicht so oberflächlich wie der Rest. Ich hatte ihn wirklich gemocht und nie verstanden, warum die Anderen ihn immer fertig machen mussten. Nur weil er stotterte und mit seinen Knochen knackte? Er war ein so freundlicher und offener Mensch gewesen. Wie hatte nur ein Killer aus ihm werden können? Ich öffnete den Medizinschrank, griff nach den Tabletten und schluckte zwei ohne Wasser herunter. 

Wie immer wusste ich nicht, was danach geschah, aber ich wachte in meinem Bett auf. Ich war zugedeckt und ein Glas Wasser stand auf meinem Nachttisch. Ich trank es und stand auf um mich fertig zu machen. Dann machte ich mich auf den Weg zu U-Bahn. Ich besuchte Tobys Mutter häufig seit ich entlassen worden war. Sie hatte niemanden mehr seit ihre Tochter bei einem Autounfall ums Leben gekommen war und ihr Mann von ihrem Sohn ermordet worden war. Seitdem suchte die Polizei nach ihm, aber niemand hatte ihn bisher gefunden. Er war wahrscheinlich längst sonst wohin geflohen. Wie immer begrüßte Mrs. Roberts mich mit einer Umarmung und bot mir Tee und Kekse an. Wie jedes Mal sagte sie mir, dass sie gar nicht mit mir gerechnet habe, obwohl ich immer zur gleichen Zeit an den gleichen Tagen herkam. Sie lebte immer noch in dem Haus, in dem sie mit ihrer Familie gewohnt hatte. Sie hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass Toby eines Tages zurückkommen würde. Sie hasste ihren Sohn nicht für das, was er getan hatte. Sie hatte die Gewalt ihres Mannes am eigenen Leib erfahren. Sie wollte nur ihren Sohn zurück. Ich hatte es bisher nicht übers Herz gebracht, ihr zu sagen, dass ihr Sohn nie wieder zurückkehren würde. Selbst wenn er wieder herkommen sollte, wäre er nicht mehr der Toby, den sie großgezogen hatte. Inzwischen schrieb man "Ticci-Toby" mehrere Morde im ganzen Land zu. Aus dem lieben Jungen war ein kaltblütiger Killer geworden. "Sie vermuten ihn irgendwo im Süden", erzählte sie mir gerade. "Er kommt also wieder näher. Vielleicht kommt er zurück. Nur kurz, verstehst du. Er hat mir damals nichts getan, er wird mich ja wohl vermissen. Ich bin ja seine Mutter." Ich lächelte nur. Ich wusste nicht, ob Toby seine Mutter vermisste. Ich wusste nur, dass ich ihn vermisste...

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