Wir liefen ein paar Straßen weiter und gingen dann zum Chinesen, weil Samra keinen Bock auf Döner hatte. Die Jungs unterhielten sich angeregt über alles mögliche, während ich nur stumm meine Nudeln in mich rein stopfte. Ich konnte es kaum erwarten, dass ich Vladislav heute endlich wieder sehen würde. Manchmal hatte ich das Gefühl viel mehr Zeit mit Samra zu verbringen, als mit ihm. Und dabei wusste ich die meiste Zeit nicht einmal, wo er sich herum trieb. Eigentlich wusste ich ziemlich wenig über ihn. Ich kannte nicht mal seine Eltern. Irgendwie wusste ich mehr über Samra, als über meinen Freund. Wenn man es so sah war Samra ja eigentlich kein schlechter Mensch. Ich dachte, er wusste manchmal einfach nicht wohin mit seinen Emotionen. Er versteckte sich hinter einer dicken, schwarzen Mauer, durch die absolut niemand durchdringen konnte. Vielleicht hatte Nima recht? Vielleicht empfand er wirklich etwas für mich? Und vielleicht war genau das er Grund für seine abweisende Art? Weil er Angst hatte. Angst, dass es jemand herausfinden und ihn verurteilen könnte. Natürlich konnte ich in dem Moment nur spekulieren. Ob ich ihn irgendwann brechen könnte, wusste keiner.
„Soll ich dir ein Foto von mir schicken? Dann hast du länger was davon" bemerkte Samra grinsend und riss mich damit aus meinen Gedanken. Anscheinend war ich gerade so vertieft, dass ich gar nicht bemerkt hatte dass ich ihn die ganze Zeit angestarrt hatte.
„Sorry" murmelte ich verlegen und stocherte in meinen Nudeln herum, während ich spürte wie meine Wangen rot anliefen.
Er grinste kurz und widmete sich dann wieder dem Gespräch mit Nima. Manchmal konnte er ja echt lieb sein. Aber manchmal eben auch nicht.„Wir können ja die Woche mal zusammen ins Studio. Dann ist Capi auch wieder mit dabei." Schlug Samra vor, als wir uns von Nima verabschiedeten.
„Sehr gerne Bruder" antwortete er und sie klatschten sich ab. Danach kam er auf mich zu und schloss mich ein eine feste Umarmung.
„Red mit ihm. Und ruf mich an wenn was ist." flüsterte er mir ins Ohr und ließ dann wieder von mir ab. Ich lächelte ihn an und signalisierte ihm damit meine Zustimmung.
Dieses mal wartete Samra auf mich, anstatt vorne weg zu rennen. Die ganze Zeit überlegte ich, wann ich ihn am besten ansprechen sollte. Heute Abend wäre es unpassend. Und jetzt wollte ich das auch nicht machen.
„Wo gehen wir jetzt hin?" fragte ich, als ich merkte dass wir nicht Richtung Parkplatz liefen.
„Ich muss noch Kippen holen" sagte er und wir gingen zu einem kleinen Kiosk.
„Meinst du nicht, dass du ganz schön viel rauchst?"
Er bezahlte den Mann hinter dem Tresen und steckte sich die drei Schachteln in seine Bauchtasche. Gelassen drehte er sich um und schob das Restgeld in seine Hosentasche.
„Meinst du nicht, dass du das lieber mir überlassen solltest?" fragte er rhetorisch und stupste mit seinem Finger auf meine Nasenspitze.
„Ich mach mir doch nur Sorgen. Wenn du weiter so viel rauchst wirst du vielleicht noch nicht einmal 50"
„Josy. Ich weiß selber, was gut für mich ist und was nicht. Ich glaube, du solltest dir viel lieber Sorgen um dich machen. Khalil wird nämlich nicht locker lassen, bis er dich hat. Wenn er dir schon in der Stadt auflauert..." Schnell holte ich den kleinen Abstand auf, der zwischen uns entstanden ist und lief still neben ihm her. Er hatte Recht. In der Stadt waren Leute, die uns hätten sehen können. Nicht einmal das hatte ihn davon abgehalten, mir aufzulauern. Wie weit würde er noch gehen?
„Wir gehen ins Studio. Ich will bisschen an meinem Album weiterarbeiten." Beschloss Samra, als wir an seinem Auto angekommen waren.
„Okay" sagte ich nur und stieg ein. Wir fuhren locker 20 Minuten, bis wir endlich da waren. Gemeinsam stiegen wir aus und gingen in das große Gebäude. Ich ließ mich seufzend auf die Couch nieder und beobachtete Samra, wie er alles einschaltete.
„Wenn dir langweilig ist kannst du mir ein Bier holen" sagte er, während er den Computer startete.
„Ich bin nicht dein Sklave" entgegnete ich nur genervt und zog mein Handy aus der Tasche.
„Noch nicht" murmelte er nur grinsend. So ein Idiot.Hey 💓
Lange nichts mehr von dir gehört 🙈 Wie geht's dir? Wann sehen wir uns mal wieder?Es war Lea. Stimmt, wir hatten uns wirklich lange nicht mehr gesehen. Das letzte mal als wir Kontakt miteinander hatte war, als Samra so ausgerastet ist weil sie meinen Eltern das mit Khalil erzählt hatte. Naja – beinahe erzählt hatte. Das war Wochen her.
Hey 😊
Ja, ist schon ne Weile her...ich weiß nicht, ist gerade alles kompliziert. Wegen der Sache mit Khalil steh ich naja...irgendwie unter Arrest. Die Jungs lassen mich nirgendwo alleine hin. Ich darf nicht mal alleine in meiner eigenen Wohnung sein. Aber vielleicht ist es besser, er hat mir heute in der Stadt aufgelauert...Schrieb ich zurück und wartete auf ihre Antwort, während Samra mit seinem Text beschäftigt war.
Oha, ernsthaft? Ich dachte der Typ gibt endlich mal Ruhe...🙄
Na klasse, hast ja richtig viele Freiheiten 🤦 Ich kann doch auch zu dir kommen. Dann ignorieren wir die Jungs eben. Wo bist du?Im Studio. Vladislav ist in Florenz und ich sitz hier mit Samra 😕 Der wollte an seinem Album arbeiten
Frag ihn halt, ob ich mit hinkommen kann. Glaube zwar nicht dass er ja sagt, aber kannst es ja versuchen.
Ok
„Samra?"
„Hm?" Er war gerade ziemlich in seine Arbeit vertieft und schaute weiter auf sein Handy.
„Ist es okay wenn Lea her kommt?" Plötzlich schaute er hoch und sein Gesichtsausdruck wurde wieder finster.
„Deine nervige Freundin? Abfahrt" spuckte er und hing dann wieder über seinem Handy.
„Und wenn ich dir im Gegenzug ein Bier hole?"
„Versuchst du jetzt mich zu bestechen oder was?" fragte er mürrisch.
„Jap" gestand ich und zuckte mit den Schultern.
„Oh man. Lass dir was anderes einfallen, dann sag ich vielleicht ja" sagte er abwesend und konzentrierte sich wieder. Ich überlegte kurz, und dann kam mir die Idee
„Okay" sagte ich entschlossen und ging zu ihm rüber.
„Schreib du weiter an deinem Text, und ich massier dich 10 Minuten lang nebenbei okay? In der Zeit kann Lea herkommen" schlug ich ihm vor und legte meine Hände auf seine Schultern.
„Du machst mich fertig. Ja mach halt." seufzte erGeht klar. Kannst herkommen. Ich schick dir Standort 😏
Schrieb ich schnell und steckte das Handy wieder weg. Ich atmete tief ein und aus und fing dann an, seine Schultern zu massieren.
„Fuck ist das geil" stöhnte er und ließ komplett locker.
„Ich weiß" freute ich mich und zog das ganze 10 Minuten lang durch.„Du warst mega verspannt. Und ich hab wahrscheinlich morgen Muskelkalter in den Händen." Stellte ich fest und ließ von ihm ab.
„Ist ja auch kein Wunder, wenn ich ständig auf dich aufpassen muss."
„Niemand hat gesagt dass du das musst."
„Doch, Capi." Er stand auf und streckte sich in alle Richtungen.
„Ich bitte dich. Du würdest es niemals machen, wenn dir nichts an mir liegen würde."
„Ich hab nie gesagt dass mir nichts an dir liegt." Er kam auf mich zu und sah mir direkt in die Augen.
„Warum bist du dann so?" meine Stimme wurde leiser, je näher er mir kam.
„Wie bin ich denn?" nun stand er mir direkt gegenüber. Und wieder begann mein Herz zu rasen.
„Abweisend. Ignorant. Arrogant. Du behandelst mich, als wäre ich 10 und ein nerviges kleines Kind dass dir ständig am Bein hängt."
„Naja. Theoretisch bist du das ja auch" grinste er und kniff mir in die Wange.
„Nicht lustig" sagte ich beleidigt und schob seine Hand weg. Wieder kam er näher, und ich rückte ein Stück zurück.
„Ich meine das ernst, Samra. Warum kannst du nicht einfach normal zu mir sein?"
„Ich bin doch normal" sagte er unschuldig und rückte immer näher auf.
„Dann hör auf damit" hauchte ich, als ich die Wand an meinem Rücken spürte.
„Womit?" grinste er und lehnte seine Hand an der Wand neben mir ab.
„Damit. Du weißt was ich meine"
„Nö, keine Ahnung" Er stellte sich dumm. Für ihn war das mal wieder alles nur ein Spiel.
„Man kann einfach nicht normal mit dir reden. Warum mach ich mir überhaupt die Mühe" sagte ich beleidigt und rutschte an ihm vorbei, doch er hielt mich sanft am Arm fest.
„Wir reden später darüber" flüsterte er in mein Ohr, und in dem Moment klopfte es an der Tür.
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Mademoiselle
FanfictionJosy begegnet zwei Menschen, die ihr Leben komplett auf den Kopf stellen - und das nicht gerade auf die gute Weise. Zum einen Capi, der sie wegen seiner kriminellen Geschäfte immer wieder alleine lässt, und zum anderen Samra, der sie wie Dreck beha...