"Es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht drängen. Bitte verzeih mir."
Er sitzt verzweifelt da und schaut auf die Nachricht, die er ihr geschrieben hat als er zu Hause angekommen ist. Er legt sein Handy weg. Er hat es versaut. Er hätte sie nicht drängen sollen. Aber warum kommt sie ungeschminkt, wenn sie nicht bereit dazu ist ihm ihr Gesicht zu zeigen. Als sein Handy aufleuchtet schöpft er Hoffnung.
"Es tut mir Leid. Ich bin noch nicht so weit. Meine Reaktion war unangemessen, kannst du mir verziehen?"
Ein Lächeln zaubert sich auf sein Gesicht. Sie ist nicht sauer.
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"Wie konnte ich nur so doof sein? Ich hab' ihn ja quasi gebeten mein Gesicht anzuschauen und bin dann einfach weggelaufen?", verbricht sie sich den Kopf. "Er ist so süss und entschuldigt sich noch, dabei war es nicht sein Fehler."
"Vergessen wir die Sache einfach, ja? Nächste Woche ist Halloween. Kann ich dich für ein Date gewinnen? Du kannst dann auch im Licht dein Gesicht geschminkt haben"
Sie kann es kaum fassen. Er bittet sie um ein Date nachdem sie ihn hat stehen lassen.
"Klingt toll. Du darfst auch mein Kostüm auswählen."
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Sie hat Ja gesagt. Er kann es kaum fassen. Sie flirtet auch noch mit ihm. Soll er es wagen und sagen, was er wirklich denkt?
"Verträgst du eine ehrliche, direkte Antwort?", schreibt er zurück.
"Ja. Ich glaube, du schätzt mich manchmal etwas falsch ein..."
"Mir wäre es am liebsten, du würdest gar nichts tragen."
"Vielleicht lässt sich das einrichten."
Er ist erstaunt. Meint sie das ernst?
"Trag, was du möchtest, du bist immer schön."
"Danke, du auch. Was willst du unternehmen?"
"Essen?"
"Klingt gut. Dann wähl ich das Outfit beim Essen und du bestimmst wie viel ich danach noch trage."
Wow, jetzt geht sie aber ran.
"Da sag ich nicht Nein. Ich reservier uns einen Tisch. Und ein Zimmer?"
"Du darfst gerne beides machen."
Das kann doch nicht ihr Ernst sein? Hat jemand ihr Handy geklaut? Zuerst läuft sie davon und danach ist sie offen einen Schritt weiter zu gehen?
"Ich freue mich. Sehen wir uns wie gewohnt am Montag?", schreibt Leo.
"Natürlich. Ich will immer noch wissen wer und warum."
Sie tauschen noch einige Weile Ideen und Theorien aus bis beide schliesslich über ihren Handys einschlafen.
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Die nächsten drei Nachmittage verlaufen wie gewohnt. An Halloween sind jedoch beide sichtlich nervös als sie sich wie immer nachmittags treffen. Er begrüsst sie mit einem Kuss auf den Mund, was zur Gewohnheit geworden ist.
"Eigentlich gibt es heute gar nichts Neues", sagt sie.
"Ich finde es auch nur schön so mit dir Zeit zu verbringen."
Sie lächelt.
"Findest du es langweilig, wenn ich heute Abend wieder als Königin der Lebenden komme?"
"Nein, ich habe mich an deine Schminke gewöhnt. Ich finde dich mit schön und würde dich sicher auch ohne schön finden."
"Ich werde etwas anders tragen, nur das Gesicht bleibt ähnlich."
"Wie gesagt, für mich bist du immer schön und ich werde dich immer küssen wollen", sagt er und küsst sie.
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Abends treffen sie sich vor dem kleinen italienischen Restaurant, das in der ganzen Stadt für seien exzellente Küche bekannt ist. Leo hat das Motto "Dia de los Muertos" ausgewählt und sich dementsprechend gekleidet und geschminkt. Nur auf den Hut hat er an diesem Abend verzichtet. Auf E's Stirn kleben Pailletten in rot und schwarz. Über die Nase hat sie sich ein kleines rotes Herz gemacht. Die Augen sind wie immer dick schwarz umrandet und über den mit rotem Lippenstift gemalten Lippen hat sie Striche gezogen. Ihr Haar trägt sie offen mit einer roten Rose auf der linken Seite. Sie trägt ein schwarzes Kleid, dass von Spitze gesäumt ist. Die Ärmel sind 3/4 lang und der Rock endet kurz über ihren Knien. Leo lächelt als sie auf ihn zukommt und bietet ihr wortlos seinen Arm an. Sie nimmt ihn an und lächelt zurück. Gemeinsam betreten sie das Restaurant und werden von einem Kellner zu ihrem Platz geleitet. "Du siehst wunderschön aus", berichtet Leo E staunend. "Du macht auch keine schlechte Gattung", gibt sie zurück und deutet dabei auf seinen schwarzen Anzug und das weisse Hemd. "Ich habe uns für später ein Zimmer im Hotel Esperando reserviert", sagt Leo E's Reaktion abwartend. E lächelt. "Ich freue mich", sagt sie ohne aufzuhören zu lächeln. Sie ist ihm wirklich ein Rätsel. Weshalb ist es für sie problematisch ihr Gesicht zu zeigen, aber nicht mit ihm zu schlafen? Soweit er es im Dunkeln sehen konnte, war ihr Gesicht weder vernarbt noch mit auffallend abstossenden Zügen versehen. Er bestellt je ein Glas Champagner, um den Abend zu zelebrieren. Sie stossen an und nehmen einen Schluck. Der Champagner schmeckt köstlich. Er muss bestimmt ein Vermögen gekostet haben, denkt E. Andererseits ist Leos Familie ja auch gut betucht. Aus ihrer Sicht war dies der Grund für das Eindringen der Täter ins Haus. Aber weshalb wollten sie dann Leo töten? Weshalb haben sie nichts entwendet?
"Woran denkst du?", fragt Leo E als er bemerkt wie sehr sie in Gedanken versunken ist.
"Ich überlege gerade, dass es für mich keinen Sinn ergibt, dass die Täter nichts mitgenommen haben. Ich meine sie hätten sich allein mit den Gemälden aus dem Wohnzimmer einen Lebensunterhalt verdient", erklärt E.
"Ich finde es auch seltsam. Aber lass uns das morgen besprechen. Jetzt möchte ich lieber über dich sprechen", sagt Leo und berührt dabei E's Hand.
"Was willst du wissen?", fragt sie ihn.
"Das weist du doch. Deshalb frage ich eher, was du von dir preisgeben willst."
"Ich studiere im gleichen Semester wie du. Meine Eltern sind geschieden und ich habe einen Bruder, der gerade erst die Grundschule abgeschlossen hat."
"Ist dir bewusst, dass dies das meiste ist, was du je über dich preisgegeben hast?"
"Ja." Sie lächelt.
"Dagegen weist du alles über mich."
"Nicht alles. Mir ist beispielsweise nicht klar, weshalb du Jura studierst. Weshalb nicht BWL wie dein Vater?"
"Du meinst es würde besser zu mir passend?", antwortet Leo feixend.
"Naja, du kannst schon gut den Macho aushängen lassen..."
"Ich bin anders als du denkst. Ich finde das Recht zeigt uns auf welche Werte wir als Gesellschaft haben und welche Regeln wir uns geben wollen."
Sie wirkt überrascht.
"Dachtest du, ich würde es des Geldes wegen tun?"
"Ehrlichgesagt ja", sagt sie verlegen.
"Ich sagte doch, du kennst mich nicht richtig."
"Diesen Fehler würde ich gerne korrigieren", lächelt sie.
Er nimmt ihre Hand und drückt sie. Sie ist so wundervoll.
Sie reden den ganzen Abend lang bis der Kellner schliesslich die Rechnung bringt. Leo zahlt und sie verlassen gemeinsam das Restaurant. Sie gehen in das Hotel Esperado, wo sie schöne, erleuchtende, aber auch erschreckende Momente erleben werden.
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Hidden truths
RomanceNach dem Mordversuch taucht plötzlich eine geheimnisvolle junge Frau auf. Sie bietet ihre Hilfe bei der Aufklärung an, ihr Gesicht ist jedoch wie ein Totenkopf geschminkt und sie weigert sich ihre Idenrität Preis zu geben? Eine Liebesgeschichte übe...