E zieht sich an und überprüft ihre Schminke. Sie lässt ihr Gesicht wirklich kaum erkennen. Wann endlich getraut sie sich ihm zu sagen, wer sie ist? Wann getraut sie sich ihm die Wahrheit zu verraten? Sie kann ihn verstehen. Sie versteht sich ja selbst nicht. Sie offenbart sich ihm. Schläft mit ihm, aber verdeckt ihr Gesicht und gibt ihm keine Chance ihr zu zeigen, dass sie ihm vertrauen kann. Wovor nur hat sie Angst? Dass er sie dann nicht mehr mögen könnte? Dass er sie abservieren könnte? Sie schaut sich mit traurigen Augen im Spiegel an. Sie wird ihm die Chance geben ihr Gesicht zu sehen, beschliesst sie in diesem Moment. Aber zuerst muss sie ihm noch sagen, was sie herausgefunden hat. Wenn er die Wahrheit wüsste, würde er vielleicht auch nichts mehr von ihr wollen ohne ihr Gesicht zu sehen...
Von draussen tönen Stimmen zu ihr. Eine Männerstimme und eine Frauenstimme. E öffnet die Badzimmertür. Sie stehen vor ihr. Die Täter. Leo steht auf der anderen Seite des Zimmers. E tritt aus dem Badezimmer.
"Bleib bitte drin. Verriegel die Tür", sagt Leo zu ihr. In seiner Stimme schwingt Besorgnis mit. Doch sie leistet ihm nicht Gehorsam. Sie tritt weiter aus dem Badezimmer heraus. Vielleicht kann sie die Täter überzeugen von ihm abzulassen. Schliesslich weiss sie, wer es ist. Plötzlich sieht sie die Waffe in der Hand des Mannes. Es ist eine Pistole. Sie ist gesichert. Für einen kurzen Moment ist E. wie erstarrt.
"Bitte", sagt sie in die Richtung des Mannes "bitte geh einfach. Du musst das nicht tun." Er scheint sie nicht zu erkennen. Auch seine Gefährtin ist eher verdutzt von ihrem Anblick. Ihre Schminke muss so gut sein, dass sie nicht einmal mehr von ihr bekannten Menschen erkannt wird. In diesem Moment verflucht sie sich für ihre effektive Maskerade. Sie läuft auf den Mann zu. "Bitte", wiederholt sie flehend. "Ich bitte dich, Bernd, tu es nicht." Der Mann schaut sie mit einem verwirrten Blick an. Er scheint sich zu fragen, weshalb sie seinen Namen kennt. Seine braunen Haare sind noch verwuschelter als sonst, obwohl sie so kurz sind wie nie zuvor. Sie wendet ihren Blick auf die brünette Frau und sieht sie flehend an: "Ihr müsst das nicht tun. Es gibt andere Wege zur Gerechtigkeit. Ihn trifft keine Schuld." Die Frau schaut sie irritiert an. Nicht einmal sie scheint E. zu erkennen. "Bitte, tu es für mich", sagt E.
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Leo ist verwirrt. Kennt sie die beiden Täter etwa? Steckt sie womöglich doch mit ihnen unter einer Decke? Oder woher wissen sie, dass er hier ist? Versucht sie gerade sein Leben zu retten? Warum wirken die Täter als wüssten sie nicht, wer sie ist, wobei sie die Täter genau zu kennen scheint? Ein Gedanke jagt den nächsten. Sein Gedankenkarussell wird nur durch die Stimme des Mannes unterbrochen, dessen Miene sich verdüstert hat. "Genug jetzt!", sagt er und löst die Sicherung seiner Waffe mit einer solchen Bestimmtheit, dass seine Entschlossenheit für alle Anwesenden feststeht. Er richtet die Waffe auf Leo.
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E schaut den Mann an, sieht wie er die Waffe zieht und begibt sich in die Schussbahn. Die Kugel löst sich aus der Waffe und fliegt einmal quer durch den Raum in Richtung Leo.
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Für eine Sekunde steht alles still. Leo sieht wie die Kugel in seine Richtung fliegt. Plötzlich wirft sie sich in seine Schussbahn. Warum tut sie das? Er hört wie sich die Kugel in das Fleisch bohrt und merkt, dass seine Gefährtin angeschossen wurde.
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E sackt zusammen. Ein Laut dringt aus ihrer Kehle, den Leo nicht hören kann, da er sich hinter ihr befindet. In diesem Moment verändert sich der Gesichtsausdruck der Frau. Sie eilt zu E, doch Leo ist schneller und stösst sie weg. "E" raunt es verzweifelt aus der Kehle der Frau.
"Was habt ihr nur getan?", schreit er die beiden Täter an. "Was auch immer euer Motiv ist, sie kann sicher nichts dafür."
Der Mann packt die Frau hart am Arm bevor sie sich zu dem Mädchen niederknien kann und zieht sie weg. "Wir müssen gehen", sagt er zu ihr. Sie zieht sie aus dem Zimmer und knallt die Türe zu. Leo bleibt zurück mit einer blutenden E.
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Sie merkt wie ihre Augenlider schwerer werden. Sie fühlt das warme Blut aus ihrer Wunde fliessen. Nur kurz schlafen. Sich erholen von den ganzen Strapazen.
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"Hörst du mich? E?", versucht er es. E? Ist der Buchstabe, den die Frau gesagt hat ihr Spitzname? Er kann sich gerade nicht darum kümmern. Er wählt den Notruf und folgt den Anweisungen.
"E!"
"E!"
"E!", ruft er immer wieder.
"Hörst du mich? Bleib bei mir ja? Die Ärzte kommen gleich. Ich weiss, dass du stark bist." Als Leo merkt wie sie ihm immer mehr entgleitet und die Augen zu schliessen beginnt, fleht er sie voller Verzweiflung an: "Bitte bleib bei mir, ich liebe dich."
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Hidden truths
RomanceNach dem Mordversuch taucht plötzlich eine geheimnisvolle junge Frau auf. Sie bietet ihre Hilfe bei der Aufklärung an, ihr Gesicht ist jedoch wie ein Totenkopf geschminkt und sie weigert sich ihre Idenrität Preis zu geben? Eine Liebesgeschichte übe...