Die ganze Fahrt ins Krankenhaus über hält Leo ihre Hand. Er hofft, dass sie es schaffen wird. Die Notärzte konnten glücklicherweise die Blutung kurz nach ihrem Eintreffen stoppen. Sie haben versucht ihn zu beruhigen, indem sie ihm erklärten, dass ihr Herz nicht von der Kugel getroffen wurde. Beruhigt hat ihn dies jedoch nur wenig. Er will und kann sie nicht verlieren. Nicht jetzt. Sie ist die Einzige, die weiss, wer die wahren Täter sind und sie ist die Einzige, die er je geliebt hat. Er will sie nicht aufgeben. Sie deutet ihm zu viel. Er hatte doch noch solche Pläne mit ihr. Er hat noch so manches Date geplant. Die Ideen hatte er bereits in seinem Kopf. Warum hat sie nicht auf ihn gehört und einfach die Badezimmertür verriegelt? Sie hätten ihr so kein Haar krümmen können. Er hätte den Tätern Geld geben können. Er hätte...
"Wir sind da", unterbricht einen Stimme Leos Gedanken. "Wir werden sie sogleich notoperierten. Haben Sie Papiere da?" Wortlos reicht Leo ihnen die Tasche. Er hätte nachsehen können, wer sie ist, fällt ihm in diesem Moment auf. Es wäre nie so einfach gewesen wie jetzt. Doch irgendwie weiss er, dass er will, dass sie es ihm sagt. "Gehen Sie nach Hause und ruhen sich auf, wir können Sie gerne anrufen, wenn Sie aufwacht." "Ich möchte bleiben", entgegnet Leo. Die Notärzte eilen mit ihr davon und Leo bliebt alleine zurück. Er muss noch die Polizei informieren, fällt es ihm ein. Er wählt die Nummer.
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Als die Operation Stunden später vorbei ist, hält Leo ihre Hand. Er kann sie nicht ansehen. Er fühlt sich so schuldig. Plötzlich hört er eine aufgeregte Stimme. Ein Polizist eilt auf das Krankenzimmer zu.
"Emilia", schreit er. "Wie geht es ihr?", fragt er Leo.
"Sie ist noch nicht aufgewacht", entgegnet Leo und schaut ihr ins Gesicht. Die Ärzte haben vor der Operation ihre Schminke entfernt und er sieht nun (endlich) ihr Gesicht. Obwohl sie abgekämpft aussieht, ist sie wunderschön. Ihre Haut ist leicht gebräunt, ihre Nase lang und schön. Die Augen wirken ohne die schwarzem Umrandungen eindringlicher. Es ist Emilia Kraft. Er kann es kaum glauben. Er hatte sich schon ein paar Mal mit ihr unterhalten. Er hat sie jeden Tag gesehen, aber doch nie erkannt. Er schaut auf den Polizisten, der sich besorgt über Emilia beugt. Auf seinem Namensschild steht "F. Kraft". Er ist ihr Vater. Wie Schuppen fällt es ihm von den Augen. Emilia hatte alle diese Informationen, weil ihr Vater bei der Polizei arbeitet. Vielleicht war es ihre Art verdeckt zu ermitteln ihr Gesicht zu schminken.
"Was ist passiert?", fragt Emilias Vater.
"Sie wurde angeschossen", antwortet Leo.
"Ich habe den Bericht gelesen. Wer war es?"
"Ich habe gedacht, dass sie mir das sagen könnten."
"Nein. Können Sie bitte auf die Polizeistation gehen, damit wir eine Täterskizze erstellen können?"
"Ich möchte bei ihr bleiben. Ich will sie nicht allein lassen. Ich glaube, sie kennt diese Leute."
Dem Polizist bleibt die Luft weg. Erschrocken starrt er Leo an. "Sie kennt sie? Wie kommst du darauf?"
"Sie hat sie geduzt. Dem Typen hat sie einen Namen gesagt."
"Wie war der Name?"
"Etwas mit B."
"Benjamin, Björn, Bastian, Benedikt, Bruno?", zählt der Polizist verschiedene Männernamen auf in der Hoffnung Leo damit auf die Sprünge zu helfen.
"Ich glaube, es war Bernd", fällt es Leo schliesslich wieder ein.
"Bernd?" Der Polizist runzelt die Stirn. "Bist du sicher? Aber warum sollte Bernd? Er mag sie doch!"
"Er wollte mich treffen", sagt Leo schuldbewusst. Er schweigt eine Sekunde betreten. "Emilia hat sich selbst in die Schusslinie gebracht."
Der Polizist schweigt betreten. "War eine braunhaarige Frau dabei? Warte, eine, die so aussieht?", fragt er Leo und steckt ihm ein Bild der Mittäterin entgegen.
"Genau. Woher...?" Mehr kann Leo gar nicht sagen. Der Polizist ruft ihm nur noch kurz zu: "Ich schreibe die beiden zur Fahndung aus" und ist dann weg. Leo sieht wie er während des Gehens den Kopf schüttelt.
Auf dem Bett bewegt sich etwas. Leo merkt, dass Emilia zu sich kommt. Er streichelt ihr sanft übers Haar.
"Leo?", fragt sie leise.
"Ja, meine Schöne", antwortet er.
"Wie geht's dir?" Er ist verdutzt. Sie fragt, wie es ihm geht, obwohl sie diejenige ist, die gerade erst angeschossen wurde.
"Gut", lächelt er sie an. "Wie geht es dir?"
"Es tut etwas weh", entgegnet sie und bringt ein gequältes Lächeln zu Stande.
"Ich rufe den Arzt", sagt er. "Du siehst trotzdem noch wunderschön aus", flüstert er ihr ins Ohr bevor er davoneilt, um der Schwester Bescheid zu sagen.
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Emilia merkt, dass die Schmerzen stärker sind als sie vor Leo zugeben wollte. Sie versucht tief ein-und auszuatmen, aber es hilft nur begrenzt. Sie verzieht das Gesicht vor Schmerzen. Ihr fällt ein, dass sie keine Gelegenheit hatte, ihm zu sagen, wer die Täter sind. Oder wer ihr Vater ist. Oder wer sie ist. Sie weiss, dass sie den richtigen Augenblick, wenn es diesen überhaupt gibt, verpasst hat. Doch was soll sie ihm zuerst sagen? Die Wahrheit über ihren Vater wird ihn wohl am meisten dazu bringen, ihr weiterhin zu vertrauen. Wegen des Schmerzes kann sie nicht klar denken. Doch werden ihr die Medikamente dabei helfen? Was soll sie nur tun? Sie will ihn nicht verlieren. Nicht jetzt. Aber sie will ihn auch nicht weiter belügen oder Dinge vor ihm verheimlichen. Denn ihre Identität ist nicht ihr grösstes Geheimnis.
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Hidden truths
RomantikNach dem Mordversuch taucht plötzlich eine geheimnisvolle junge Frau auf. Sie bietet ihre Hilfe bei der Aufklärung an, ihr Gesicht ist jedoch wie ein Totenkopf geschminkt und sie weigert sich ihre Idenrität Preis zu geben? Eine Liebesgeschichte übe...