Kapitel 39.

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Sayurie

Ich wusste nicht wohin ich ging, alles was ich wusste war dies: Die letzten Jahre meines Lebens waren alle eine Lüge gewesen. Die Lüge eines selbstsüchtigen, manipulativen Schmugglers, der mich hat glauben lassen, dass er an jemand anderen als nur an sich selbst denken konnte, der mich hat glauben lassen, dass ich...

Ich kniff feste meine Augen zusammen, salzige Tränen kullerten meine Wangen hinunter und hinterließen nasse Spuren. Blind schlug ich die nächste Richtung ein, mein Herz hämmerte mit einem unaufhörlichen Druck in meiner Brust weiter, der sich anfühlte als ob mein Brustkorb jeden Moment wie Glas zersplittern würde. Meine Hände hatte ich zu Fäusten geballt, als ich in einer Sackgasse angekommen war. Die Wände der großen Grotte um mich herum waren von einem tiefen Rot, durch das Eisen welches durch die andauernde Feuchtigkeit rostete. Der Geruch von Eisen lag in der Luft und erinnerte mich an Blut, welches ich durch die vielen Verbrechen unter Sturmhund und den Schweigenden Schwestern an meinen Händen kleben hatte. Und warum hatte ich es getan? Warum hatte ich mir die Hände schmutzig gemacht? Warum hatte ich nicht einfach in Frieden und mit einem reinen Herzen mich meinen Ahnen stellen können?

Weil ich an etwas geglaubt habe, weil ich dachte, es gäbe etwas wofür es sich zu kämpfen lohnt, weil mir falsche Hoffnungen gemacht wurden.

Das entfernte Rauschen eines unterirdischen Flusses drang an meine Ohren. Die Sackgasse in der ich mich befand, ging nicht weiter. Ein großes schwarzes Loch statt eines festen Steinbodens an seiner Stelle, versperrte mir den Weg. Würde man eine Laterne hinunterlassen, würde man bestimmt einen tiefen Abgrund erblicken, den man wohl nur mit Ausrüstung erklimmen konnte, wenn überhaupt. Am Boden des tiefen Lochs musste wohl der Fluss sprudeln, der irgendwo wieder aus der Grotte hinausführte.

Mit einem erstickten Laut ließ ich mich gegen die Wand fallen und rutschte auf den nassen Boden. Meine Beine fühlten sich kraftlos an, wackelig, ohne jegliche Anmut. Es war als ob sie einer anderen Person gehörten. Ein tiefes Schluchzen war von mir zuhören, welches vermutlich durch die engen Wände hallte, als ich meinen Kopf auf meine Knie legte und mein Körper zu beben anfing.

Krampfhaft presste ich meine Augen zusammen und versuchte so die Bilder, welche in meinem Geist umherschwirrten, verblassen zu lassen. Doch egal was ich tat, das Bild einer vernarbten Hand, mit einem Leib Brot und einem Taschentuch in der Hand wollten nicht verschwinden.

„Hier." Klang eine Jungenstimme in meinen Gedanken nach. Es war beinahe so, als ob er direkt neben mir stehen würde. Seine Stimme hatte noch nichts Tiefes an sich, wenn überhaupt, war er erst in den Stimmbruch gekommen.

Fest schüttelte ich den Kopf. Ich will das nicht sehen! Doch ich konnte nichts gegen meine Erinnerungen tun, die über mich schwappten, wie Wellen über Sand. Ich spürte den warmen Teig des Brotes unter meinen Fingern, welches mir in die Hand gedrückt wurde und bildete mir sogar ein, wie ein weißes Taschentuch über meine Wange fuhr und meine Träne abwischte.

Wo diese Erinnerung Tage zuvor wie ein Leuchtturm meinen Weg erhellt hatte und mich hatte glauben lassen, der Junge in der Erinnerung wäre meine Insel, so war sie jetzt nur noch ein Sturm, der drohte meinen Mast in Einzelteile zu zerreißen und mich gegen die spitzen Klippen zu werfen.

Wie all die Jahre zuvor wanderte meine Hand in meine Tasche und umschlossen den nun rauen Stoff des Taschentuchs, welches nach all der Zeit nur noch ein Lumpen war. Ein dicker Kloß befand sich in meinem Hals, als ich versuchte meine Wut und meinen Hass hinunterzuschlucken, nur um weitere Tränen meine Wange entlang fließen zu spüren.

Ich wollte es zerreißen, ich wollte es in all seine Einzelteile zerstückeln und es seinem Besitzer ins Gesicht werfen. Ich wollte ihn leiden sehen und wie er zusammengesunken auf dem Boden lag.

Shadows of Arwerina Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt