10. Kapitel

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☀SHY Martin - Same old☀



K a t h a r i n a

Ich kann immer noch seine Lippen auf meinen fühlen. Und obwohl ich weiß, dass dieses Gefühl völlig irrational ist, kann ich es nicht aufhalten. Der leichte Druck der von seinen ausging, verpasste meinen ganzen Körper einen Stromstoß, der eine Gänsehaut auslöste. Ein einziger Tag darf mein Leben nicht so verändern. Zwei Tage seit wir uns kennen und er hat mich in der Hand.

Das darf nicht passieren. Lerne ich nie aus meinen Fehlern? Werde ich nie klüger? Männer ziehen mich an, obwohl sie mich immer nur verletzen. Ich verletze sie. Es ist ein ständiger Teufelskreis, aus dem ich niemals ausbrechen scheinen zu können. Wird es jemals besser?

Sein Gesicht ist voller Hoffnung. „Hast du Lust auf ein Date mit mir, Katharina Edwards?" Lächelnd drehe ich mich zu ihm um. „Wirst du mich jemals aufhören zu fragen?" Grinsend schüttelt er verneinend den Kopf. „Sowas nennt sich Nötigung!", erkläre ich ihm lachend. Meine langen Haare sind in einem Zopf zusammengefasst und ich drehe mich lachend zu meinem Spind um. Das Austauschjahr tut mir gut, auch wenn ich Ronja vermisse. „Also, kommst du?" Neckend sehe ich ihn an. „Vielleicht." Tief lacht er auf. „Du bist wirklich einzigartig, Katharina Edwards", meint der Mann vor mir. Seine hellen, grünen Augen scheinen mich zu analysieren. „Meine Eltern sind da anderer Meinung." Ruhig lehne ich mich gegen den Spind, während die Bücher in meiner Hand immer schwerer werden. Mathematik, eines meiner liebsten Fächer. Man kann nicht viel falsch machen. Es gibt klare Regeln, an die man sich zu halten hat. Es gibt kein vielleicht. „Was ist dein nächstes Fach?", reißt er mich aus meinen Gedanken. Ich sehe den Mann mit den dunkelblonden Haaren an, verstehe einen Moment lang nicht, was er gefragt hat. Die Buchstaben formen sich in Sätze und ich antworte: „Mathematik." Er gibt ein würgendes Geräusch von sich und macht eine Geste, als würde er sterben. Lachend schüttle ich meinen Kopf und meine zusammengebundenen, langen Haare fliegen durch die Luft. „Es ist mein Lieblingsfach, also komme ich gut damit klar." Ein Schimmern in seinen Augen lässt mich innehalten. Er lehnt sich zu mir nach vorne, hält einen Moment vor meinen Lippen inne. Unsere Atemzüge vermischen sich. Dann presst er seine Lippen an meine. Ein kleiner Stromstoß hallt in mir wieder. Er löst sich wieder von mir, bleibt aber trotzdem so nahe, sodass ich seinen Atem an meiner Haut spüren kann. „Einzigartig."

Wütend reiße ich die Autotür auf und gebe dem Fahrer das verlangte Geld. Den Rest halte ich in meiner Hand. Karg verabschiede ich mich. Ich werfe die Türe mit einer Wucht zu, sodass das ganze Auto wackelt, aber ich entschuldige mich nicht dafür. Viel zu wütend bin ich über diesen verdammten Teufelskreis, indem ich feststecke. Genervt suche ich meine Schlüssel und werde schnell fündig. Ich steige die unzähligen Treppen nach oben, bis ich angekommen bin. Ich hasse es. Ich hasse es, das Opfer spielen zu müssen. Ich hasse es, die Stromstöße fühlen zu müssen. Ich hasse die Spannung in der Luft. Ich hasse mich. Oh Gott, ich hasse mich. Ich atme schwer und nehme das erst Beste was mir in die Hand kommt und werfe es gegen die nächste Wand. Ich versuche das Gefühl zu verdrängen, doch es scheint nur mäßig zu gelingen.

„Morgen Abend, um sieben Uhr hole ich dich bei dir zu Hause ab." Verwirrt sehe ich ihn an. „Was?" „Du hast morgen offiziell ein Date." „Ähm... Ich bin schlecht in solchen Sachen, aber braucht man da nicht so etwas wie ein Zugeständnis?" Ich lege meinen Kopf noch ein bisschen mehr in den Nacken, damit ich ihn ansehen kann. Riese. „Du tust dir schwer in Entscheidungen. Ich helfe dir nur. Außer, du willst wirklich nicht. Aber ich glaube nicht, dass irgendwer meinen Charme wiederstehen kann." „Träum weiter, Arschloch. Du nimmst mir keine Entscheidungen ab." Meine Fäuste sind angespannt. Ich weiß nicht, weshalb ich genau so emotional reagiere. Hauptsächlich, weil er mich richtig gelesen hat. Ich wurde mein Leben lang darauf vorbereitet jemand zu sein, der ich nicht war. Ich musste nie Entscheidungen übernehmen. Das Auslandsjahr hier in Irland habe ich nur aus Rebellion gemacht. Und es scheint bis jetzt die beste Entscheidung meines Lebens zu sein. Keine Eltern, die dir immerzu weis machen, wie dumm du neben deinem Geschwisterteil aussiehst. „Ich wollte dich nicht verärgern", meint er. Ich versuche zwanghaft meinen Atem zu beruhigen und als es mir einigermaßen gelingt, versuche ich zu lächeln. Als es nicht funktioniert, fahre ich mir frustriert durch die Haare. „Es tut mir leid. Ich hätte nicht so reagieren sollen. Es war nicht in Ordnung." Ich versuche mich erneut in einem Lächeln und diesmal funktioniert es sogar. „Hör‚ auf damit." Verwirrt sehe ich ihn an. „Mit was aufhören?" „Mit deinem gefälschten Lächeln. Vor lauter Schock fällt mein Lächeln. Wie konnte er es erkennen? Tief atmet er ein. „Wir sind beide nicht so gut in der Liebe, würde ich sagen", meint er schelmisch. Diesmal formt sich ein echtes Lächeln auf meinen Lippen.

Verdammte Flashbacks. Weshalb kommen sie immer in den unpassendsten Momenten? Tränen rinnen über meine Wangen. James ließ mich heute dasselbe fühlen wie es er tat. Oh Gott, vermisse ich ihn. Ich habe gehört, dass er anscheinend jemand anderen nach mir hat. Aber ich bin immer noch dieselbe. Irgendwie. Ich habe das Gefühl, als würde mir etwas fehlen. Aber es war alles nur eingefädelt.

Die Stimme meiner Mutter ist wieder in meinem Kopf: „Sei eine starke Frau, Tränen für einen Mann sind ein Zeichen von Schwäche. Aufstehen, Kopf gerade, lächeln. Zeig' ihm wie stark du bist."

Ich nehme einen tiefen Atemzug und wische meine Tränen weg. Auch wenn ich weiß, dass ich an der ganzen Situation Schuld bin, schmerzt es trotzdem. Es tut weh zu wissen, dass er einfach so weiter gehen konnte und ich jetzt in dieser Situation feststecke. Ich habe Angst davor mich zu verlieben, jemanden in mein Herz zu lassen. Ich habe Angst vor meiner Reaktion vor der Liebe. Ich habe Angst davor, wieder so tief zu fallen, keinen Ausweg zu finden. Ich habe Angst davor, dass mir mein Herz erneut aus der Brust gerissen wird. Und ich weiß, dass mir kein Recht zusteht so zu empfinden, weil ich diejenige war, die davonlief, weil ich es war die einfach so ging, die sich nicht der Situation stellte.

Aber ich habe trotzdem eine Frage, die mich seit einem halben Jahr quält:

Wie geht es dir, Cyril Virtanen? Vermisst du mich?

Your moves to my musicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt