Kapitel 10: Die Ruhe nach dem Sturm

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Heidrun

Beinahe zu ertrinken war alles andere als ein Vergnügen. Noch eine Viertelstunde später zitterte ich am ganzen Körper. Astrid ging es auch nicht wirklich besser. Sie klammerte sich an Sturmpfeil als wäre sie das Einzige, was sie von erneutem Ertrinken abhielt. Noch nie hatte ich meine Freundin so verängstigt gesehen. Oder ich war so durcheinander, dass ich meine eigene Angst auf sie projizierte. Vielleicht war sie auch einfach nur so entkräftet wie ich. Zum Glück flogen die Drachen langsam, sonst wäre ich schon längst von Windfang gerutscht. Alle fünf Minuten fragte Dagur mich, ob es mir auch wirklich gut ging. Eigentlich ja nicht, aber das konnte ich ihm nicht sagen. Er blickte sowieso ständig nach hinten, um sich zu vergewissern, dass das Boot abgetaucht war und ich hörte, wie er Viggo und Reiker mit Flüchen bedachte, die ich nicht einmal kannte. Hicks hingegen war völlig still und geisterbleich. Wahrscheinlich machte er sich mal wieder Vorwürfe. Er hielt die Fäuste geballt und man konnte ihm ansehen, dass er wütend auf sich selbst war. Gerne hätte ich ihm geholfen, doch ich wusste nicht, was ich sagen sollte und so erreichten wir die Insel, ohne dass (mal abgesehen von Dagurs Flüchen) jemand ein Wort sprach. Als wir landeten, kippte ich einfach von Windfangs Rücken., wurde aber rechtzeitig von Fischbein aufgefangen.

"Heidrun, was ist los?", fragte er völlig erschrocken.

"Es war eine Falle. Ich habe alle in Gefahr gebracht. Viggo wollte wissen, wo Romi ist und als ich es nicht sagen konnte, hat er Astrid und Heidrun über Bord geworfen. Ohne diesen Reiter wären sie ertrunken! Warum habe ich nicht mit so etwas gerechnet?"

"Ich muss schon sagen, das war ganz schön dämlich von dir. Sogar ich wäre darauf gekommen, dass es eine Falle war. Du wusstest doch von diesem Unterwasserboot", hackte Rotzbacke auf Hicks rum.

Zornig löste ich mich von Fischbein, ging zu ihm hin und scheuerte ihm eine, so fest ich konnte. Ich hätte  es noch ein weiteres Mal getan, doch diesmal war Astrid schneller. Nachdem  sie mit ihm fertig war, spuckte er einen  Zahn aus. Anschließend meinte sie:

"Und jetzt halt deine dumme Klappe oder ich sorge dafür, dass du sie nicht mehr öffnen kannst." Zurück kam ein kleinlautes Wimmern. Danach ging sie zurück zu Hicks und fragte:

"Alles okay bei dir?"

"Bei mir? Du bist doch diejenige, die... Aber ja, bei mir ist alles in Ordnung, soweit ich beurteilen kann. Es ist nur...Ich hätte nie zulassen dürfen, dass so etwas passiert. Es tut mir leid. Das gilt auch für dich, Heidrun. Ich hoffe, euch beiden geht es gut."

"Schon okay", erwiderte ich, "Wir sind auch darauf reingefallen und keinem ist etwas passiert."

Dank dieser Drachenreiterin, wer auch immer sie war. Ihre Kleidung erklärte zwar, warum Hicks gedacht hatte, ich hätte ihn gerettet, warf aber auch die Frage auf, wer sie in Wirklichkeit war. Zwar hatte ich schon einen Verdacht, doch ich beschloss, ihn den anderen nicht mitzuteilen. Zum Einen war es eine bloße Vermutung, zum Anderen wollte ich die Person nicht in Schwierigkeiten bringen. Aber falls es wirklich sie war, dann steckte sie schon bis zum Hals darin.

"Was ist das eigentlich für ein Drache?", fragte Dagur in die Stille hinein. Sofort horchte Fischbein auf.

"Eine neue Drachenart?"

"Ein Dämmerungsphönix", klärt Hicks ihn auf, "Irgendwie scheint der mich zu verfolgen."

"Wieso, ist er hier?"

"Nein Raff, ist er nicht", seufzte Rotzbacke, "Wie kann man eigentlich so blöd sein?"

"Hicks, wie meinst du das?", hakte ich nach, das Geplänkel der Beiden ignorierend.

Drachenseele - Die Suche nach der WahrheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt