27. Schwierigkeiten und Sorgen

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Vergeblich versuchte Gintar sich wieder zu beruhigen. Obwohl er sich immer wieder sagte, dass er nun Ruhieg Blut bewahren und sein weiteres Vorgehen planen müsse wollte es ihm nicht recht gelingen.
Gerade noch rechtzeitig hatten ihm seine Verbündeten über den magischen Spiegel mitteilen können, dass die Boten, die ihm das benötigte Kapital bringen sollten so schrecklich dumm gewesen waren, dass man sie verhaftet hatte. Begriffen sie denn nicht die Wichtigkeit ihrer Mission! Es gab keine Entschuldigung das was geschehen war. Sicher einer Taverne zu betrinken bis sie ihre Zunge nicht mehr im Zaum halten konnten! Wie hatte man solche Idioten für einen so entscheidenden Auftrag auswählen können.
Der Gedanke der Gintar nun durch den Kopf schoss fühlte bei dem Zwerg zwar zu einer gewissen Ernüchterung aber es war eine bittere Erkenntnis die schließlich dafür sorgte, dass er sich wieder etwas beruhigte.
Es war eine traurige Tatsache, dass der Großteil seiner Glaubensbrüder aus unteren Gesellschaftsschichten kam. Gescheiterte Existenzen oder schrullige Eigenbrötler die in der Gesellschaft normaler Knurlan auffielen die Edelsteine unter Pferdeäpfeln.
Intellektuelle waren diese Mitglieder gar nicht wirklich auf dem Niveau und die erhabene Größe Maranteras oder des Auftrags wirklich zu verstehen. Gewiss sie waren recht nützlich wenn es um niedere Tätigkeiten ging aber für höheres waren sie nicht zu gebrauchen. Lediglich eine handvoll Mitglieder hatten wirklich Gintar Respekt. Allesamt gehörten sie zum Inneren Zirkel und waren am nützliches dort wo sie Position bezogen hatten um wichtige Informationen zu sammeln. Man konnte von diesen Persönlichkeiten kaum erwarten, dass sie sich auf eine Reise quer durch das ganze Land machten um auf der alten Insel der Drachenreiter im Dreck zu wühlen. Selbst wenn man das hohe Ziel betrachtete, dass sie zu erreichen hofften war dies nur schwer vorstellbar.
Immerhin hatten diese einmischtenden Gedanken dafür gesorgt, dass sich die Schleier von Gintars Zorn lichteten und er wieder klare Gedanken fassen konnte.
Seine Verbündeten hatten ihm unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie es nicht riskieren konnten weitere Agenten auszusenden. Orik und der Ältestenrat waren um einiges zu misstrauisch geworden und dieser eher lose Burod und seine Echse waren in Tronjheim eingetroffen. Zwar würde der unwürdige Grimstnzborith zunächst zu den Feierlichkeiten reisen mit denen man der Menschenkönigin Nasuada die letzte Ehre erwies doch der innere Zirkel hatte durch eine gut platzierte Informationsquelle erfahren, dass Ermittlungen bevor standen. Ermittlungen, an denen die Heuchler der Dûr gimst Quan beteiligt waren. Die lächerliche Furcht von der die Informationsquelle berichtet hatte war ein klares Indiz, dass es bei den Ermittlungen um die erhabene Marantera ging.
Gintars Kontaktmann hatte die berechtigte Frage gestellt wie die Drachenreiter überhaupt Kenntnis von der einzig Wahren erlangt hatten. Auch hatte er die Frage in den Raum gestellt ob es ein Zufall sein konnte, dass der Reiterorden gerade in dem Augenblick neugierig wurde als Gintar die Tochter des Oberhaupts der Drachenreiter beleidigt hatte.
Der Zwerg hatte gegenüber seinen Verbündeten sie Dargestellt, dass er keine Schuld trug. Mit keinem Wort hatte er die Erhabene auch nur erwähnt.
Schließlich hatten seine Verbündeten in der Heimat diese Sache auf sich beruhen lassen allerdings deutlich gemacht, dass sie ihm keine weiteren finanziellen Unterstützungen zuteil werden lassen konnten. Zum einen war es zu gefährlich weitere Agenten auszuschicken und zum anderen waren die finanziellen Mittel ihrer Bruderschaft nun einmal begrenzt. Das Geld welches die beiden gestellten Agenten bei sich getragen hatten war beschlagnahmt worden und es war dem Innerenzirkel nicht möglich noch einmal eine so große Summe aufzubringen.
Zumindest hatte Gintar es geschafft noch rechtzeitig die Hafenstadt der Menschen zu verlassen. Auch wenn diese Stadt unabhängig war so unterhielt sie doch gute Beziehungen zum Rest des Königreiches und ging mit den meisten Entscheidungen wie der gegenwärtige Herrscher der Menschen traf konform. Inzwischen gingen steckte Briefe mit Gintars Gesicht an allen öffentlichen Plätzen und der Zwerg verfügte nicht über ausreichendes Geld um sich eine Sicherungsunterkunft zu erwerben.
Nein, sich in einer Stadt aufzuhalten war nun zu gefährlich geworden. Selbst in den Kreisen in denen man Stillschweigen kaufen konnte gab es zu viele neugierige die vielleicht den falschen Leuten von einem Zwerg berichten würden, der großen Wert auf seine Privatsphäre legte. Wenn ein solcher Hinweis einen Stadtwächter erreichte, der sein Hirn nicht völlig im Wein ertränkt hatte wäre das genug um Gintar in Schwierigkeiten zu bringen.
Allein die Tatsache, dass Gintar zum Volk der Zwerge gehörte ließ ihm stets ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit unter den Menschen zuteil werden. Zwar bewegten sich die verschiedenen Völker nun offener in Alagaesia als dies unter der Herrschaft von Galbatorix der Fall gewesen war aber gerade soweit vom Beor-Gebirge entfernt war jemand aus dem Volk der Knurlan etwas ungewöhnliches.
Gintar hatte Unterschlupf in einer Höhle gefunden die etwa eine Wegstunde von der nächsten menschlichen Siedlung entfernt war. Hier saß der Zwerg nun und der unüberwindliche Ozean trennte ihn von der ehemaligen Heimat der Drachenreiter.
Noch einmal verfluchte Gintar die beiden Boten. Durch ihr Versagen war alles komplizierter geworden. Doch der Zwerg war fest entschlossen! Schwierigkeiten konnten überwunden werden und ihm stand immerhin Magie zur Verfügung. Es würde einiges an Überlegungen und sorgfältiger Planung bedürfen aber er würde sich nicht aufhalten lassen.





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Nachdenklich Marlena auf dem Rücken ihrer Drachendame über Ilirea. Ihre Gedanken waren vor allem bei ihrem Onkel Murtagh.
Das Volk hatte die Nachricht dass die Völkerspiele verschoben würden sehr gefasst und mit viel Verständnis aufgenommen. Die anfängliche Skepsis der einzelnen Völker gegenüber Nasuada hatte sich in den Jahren ihrer Regentschaft im tiefen Respekt und Bewunderung verwandelt. Die Königin war vom Volk geliebt worden und jeder hatte Verständnis dafür, dass man ihr zunächst einen würdevollen Abschied zuteil werden lassen wollte.
Natürlich war die Liebe des Volkes Nasuada nicht einfach zugeflogen. Galbatorix Herrschaft hatte tiefes Misstrauen unterm Volk gesät und nicht wenige Arten Angehörige im großen Krieg verloren. Man hatte nicht vergessen, dass Nasuada einst das Heer befehligt hatte, welches auf die Hauptstadt vorgerückt war. Auch die Tatsache, dass sich die neue Königin mit den unheimlichen Elfen und den als Monstern geltenden Urgals verbündet hatte war dem Vertrauen des Volkes nicht zuträglich gewesen.
Nasuada jedoch hatte das Volk auf die beste nur möglicherweise von der Richtigkeit ihrer Handlungen überzeugt. Durch Leistungen. Die Verkleinerung der Armee hatte das einfache Volk entlastet. Die Steuern waren gesenkt worden und auch im Volk war die Sklaverei nicht wirklich beliebt gewesen. Zum Sklaven gemacht zu werden war eine der häufigsten Strafen in Galbatorix Reich gewesen. Wer seine Steuern nicht bezahlen konnte oder das Missfallen der Obrigkeit erregt hatte wurde schnell vom freien Bürger zum Besitz herabgestuft. Auch war es den einfachen Leuten durchaus bewusst gewesen, dass die meisten dieses Los nicht verdienten. Willkür und das Recht des Stärkeren waren Eckpfeiler von Galbatorix Regime gewesen. Es genügte völlig wenn sich die Tochter einer einfachen Familie weigerte "freundlich" zu einem Adligen zu sein und schon verlor man seine Freiheit.
Unter Nasuada war die Willkür der Ordnung von Gesetzen gewichen. Es gab nun ein Recht sowohl für den Adel als auch für die Bürger und die Königin hatte streng darauf geachtet, dass die Buchstaben ihrer Gesetze befolgt wurden. Gegen Korruption, Vetternwirtschaft oder Bevorzugungen irgend einer Art war die Monarchin rigoros vorgegangen und damit hatte sich ein Gefühl der Sicherheit ausgebreitet welches das Volk fast ein Jahrhundert nicht gekannt hatte. Auch die Unterstützung der Drachenreiter war mit den Jahren gewachsen und damit das Vertrauen in die Stabilität von Nasuadas Herrschaft.
Wirtschaftliche Vorteile und natürlich Ereignisse wie die Völkerspiele hatten das anfängliche Misstrauen zwischen den Völkern schrumpfen lassen und der gestiegene allgemeine Wohlstand hatte den Rest besorgt.
Jalhod und seine Gattin Sheva hatten in den zurückliegenden Jahren bereits bewiesen, dass sie würdige Erben von Nasuadas Vermächtnis waren und den viel versprechenden-Chorus auf dem sich das Reich befand fortsetzen würden.
In den zurückliegenden Tagen hatte Marlena bereits bemerkt, dass sich die Hauptstadt mehr und mehr füllte. Für jeden, dessen Arbeit es zuließ einige Tage auf Reisen zu gehen, war es eine Herzensangelegenheit der ehemaligen Königin die letzte Ehre zu erweisen. Einige Berufsstände konnten natürlich nicht einfach ihre Arbeit liegen lassen. Felder mussten bestellt und Nutzvieh versorgt werden, ganz gleich was die Stunde geschlagen hatte. Solche Bürger schickten dann aus ihrer Mitte gewählte Vertreter die ganze Dörfer repräsentierten. Diese Abgesandten konnten deshalb auf die Reise gehen bei die Dorfgemeinschaft ihrer Arbeit miterledigte.
Die Gasthäuser waren bereits nach zwei Tagen übervoll gewesen und es war eine weitere Herausforderung für das Königspaar gewesen Quartiere bereitzustellen wo die ständig an wachsende Schar von Trauergästen untergebracht werden konnte.
Zunächst hatte man Lagerhallen umfunktioniert und als das schließlich nicht mehr möglich war hatte man auf Magie zurückgegriffen. Unterstützt von den Hofmagier an Ilireas hatte Marlena außerhalb der Stadtmauern aus der Vegetation einfache Unterkünfte erschaffen. Bereits während ihrer Kindheit und Jugend hatte die junge Reiterin ein besonderes Talent dafür gehabt zu Pflanzen zu singen und sie in eine bestimmte Form wachsen zu lassen. Ohne Neid hatte Marlenas Mutter eingeräumt, dass die Begabung ihrer Tochter ihr eigenes Talent in diesem Gebiet weit in den Schatten stellte.
Marlena hatte sich gefreut dem Königspaar einige Probleme abnehmen zu können. Jalhod und Sheva waren damit beschäftigt die anstehende Feier zu planen und zu organisieren sowie Ehrengäste und Abordnungen der anderen Völker zu begrüßen.
Ein merkwürdiges Gefühl beschlich Marlena jedes Mal wenn sie das Herrscherpaar bei seinen Bemühungen beobachtete. Sie bewunderte die beiden für die Kraft die sie aufbrachten um die Aufgaben zu erfüllen. Auch gefiel es der jungen Reiterin wie König und Königin auf die individuellen Wünsche der einzelnen Völker eingingen der Verstorbenen auf ganz persönliche Weise Respekt zu zollen.
Ein anderer Teil der jungen Halbling war besorgt, ob den beiden Herrschern der Menschen nicht die Kraft ausgehen würde. Immerhin hatten sie ein geschätztes Mitglied ihrer Familie verloren. Oder war es vielleicht gerade gut, dass die Eheleute jetzt Pflichten hatten auf die sie sich konzentrieren konnten? Würde vielleicht erst nach den Feierlichkeiten eigentliche Trauer einsetzen? Vermutlich wies jede dieser Fragen auf eine kleine Teilwahrheit hin.
Sorgen machte sich Marlene aber vor allem um ihren Onkel Murtagh. Sie hatte versucht mit ihm zu reden und ihm beizustehen aber ihre Bemühungen waren abgelehnt worden. Dabei war der Bruder ihres Vaters allerdings sehr warmherzig und höflich geblieben. Er hatte nicht versucht sie auszuschließen oder zurückzuweisen wie er es in seiner Burg getan hatte sondern bevorzugte es im Moment einfach allein zu sein.
- "Und das solltest du Respekttieren." - äußerte sich Alonvy. Offenbar hatte die junge Drachendame die Gedanken ihrer Reiterin verfolgt. - "Was glaubst Du denn, was Du im Moment für dein Onkel tun könntest? Soll er dir wieder und wieder erzählen, dass er traurig ist und seine Nistpartnerin vermisst? Das weißt Du doch schon und er weiß, dass du es weißt." -
- "Das ist mir schon klar Alonvy. Ich wünschte nur, ich könnte irgend etwas sagen oder tun damit es ihm besser geht." -
- "Ach kleiner Halbling. Es gibt nichts was zu sagen oder tun könntest. Manche Dinge muss man aushalten und durchleben. Man kann sie nicht vereinfachen oder beschleunigen. Du kannst ja auch nicht den Tag kürzer werden lassen oder die Nacht länger. Ihr Zweibeiner versucht ständig alles zu kontrollieren und bildet euch ein, dass ihr mit diesem närrischen Versuch Erfolg haben könntet. Das Leben ist ein Fluss Marlena und er wird so schnell oder so langsam fließen wie es seine Natur ist. Er wird nicht seine Richtung ändern und auch nicht seine Fließgeschwindigkeit nur weil du es willst. Oder glaubst du etwa den Tag länger und die Nacht kürzer machen zu können nur weil die das Licht lieber ist als die Dunkelheit?" -
- "Natürlich nicht. Aber man muss sich auch nicht mit allem abfinden." - hielt junge Drachenreiterin dagegen.
- "Und eine weitere Eigenschaft von euch Zweibeinern die ich sehr erheiternd finde." - kicherte die weiße Drachendame. - "Ständig müsst ihr von einem Extrem ins andere fallen. Natürlich soll man auch nicht alles hinnehmen. Wie alles im Leben ist es eine Frage des Gleichgewichts. Wenn mich etwas stört und es zu den Dingen gehört die man ändern kann man die Pflicht etwas zu tun aber verschwendet keine Zeit darauf etwas zu versuchen was unmöglich ist. Dein Onkel wird trauern doch schließlich wird die Wunde heilen und sein Blick wird sich wieder nach vorn richten. Du kannst das aber nicht beschleunigen oder ihm die Schmerzen der jetzt empfindet abnehmen." -
- "Da hast du wohl recht." - räumte Marlena schließlich widerwillig ein. - "Sorgen mache ich mir aber trotzdem um ihn. Er sollte jetzt einfach nicht ständig alleine sein." -
Zur Überraschung der junge Drachenreiterin erklang erneut Alonvys Lachen in ihren Gedanken.
- "Ach kleine Halbling! Kein Drachenreiter ist jemals allein." -
- "Du meinst, Dorn?" -
- "Wer wohl sonst? Und wer könnte seinem Onkel jetzt deutlicher klarmachen, dass er trotz seines Verlustes nicht allein ist? Wie ich schon gesagt habe gibt es nichts was du sagen kannst damit das Gefühl der Einsamkeit aus seiner Seele weicht. Dorn braucht aber auch nichts zu sagen um seinem Reiter das klarzumachen." -
Marlena spürte wie sich ihre Stimmung etwas hob. Diesem Argument ihrer Drachendame hatte sie nichts entgegenzusetzen.
- "Und wo wir gerade von Gesellschaft reden kleine Halbling. Vier und im besonderen Maße du bist das auch nicht mehr." -
Noch bevor Marlena klar wurde was ihrer Drachendame damit meinte änderte die Weiße leicht ihre Flugbahn und es geriet etwas ins Sichtfeld der jungen Reiterin, das dazu führte, dass ihr Herz einen Hüpfer machte. Deutlich konnte sie am Horizont die Silhouetten von zwei Drachen ausmachen. Der eine blau wie der Himmel selbst und der andere so grün wie der ewige Wald des Nordens.

Eragon Buch 7 - Im Wandel der ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt