29. Brüder

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Saphira ließ ihren Reitern auf den Innenhof der ehemaligen Kaserne die nun die Quartiere der Drachenreiter darstellte absteigen und, nach dem Eragon in den Sattel abgenommen hatte, trottete sie zu Dorn der sich im Innenhof niedergelegt hatte.
Einige Augenblicke betrachtete Eragon die beiden ältesten Drachen in Alagaesia und bewunderte den beeindruckenden Anblick.
Schließlich machte er sich jedoch auf den Weg ins Innere der Reiterquartiere. Unwillkürlich erinnerte er sich daran welche Anlässe in immer wieder an diesen Ort geführt hatten. Das erste Mal hatte Eragon diese alte Kaserne besucht um der damals noch jungen Königin Nasuada am vierten Jahrestag ihrer Thronbesteigung den Rücken zu stärken. Damals war König Orrin von Surda ein Dorn im Auge der jungen Monarchen gewesen.
Viel war seitdem geschehen. Gute Gründe sowie schlechte Gründe hatten den Anführer des Ordens der Reiter des Öfteren wieder an diesen Ort zurückgeführt doch stets hatte Nasuada bei seinen Besuchen eine wichtige Rolle gespielt. Als Königin von Galbatorix ehemaligen Reich hatte er stets mit ihr Kontakt suchen müssen wenn die Reiter Aufträge in ihrem Hoheitsgebiet durchführten. Einige Drachenreiterprüfungen hatte er auch an diesem Ort abgenommen und die Königin hatte sie gespannt mitverfolgt.
In Eragon stieg ein Gefühl auf welches ihm schrecklich vertraut war. Er hatte es schon einmal verspürt als er nach dem großen Krieg mit Saphira das Palancartals besucht hatte. Auch wenn Carvahall zu diesem Zeitpunkt noch nicht neu entstanden war, hatte der damals noch junge Reiter das Gefühl gehabt in das Haus seiner Kindheit zurückzukehren. Letzten Endes hatte er jedoch einräumen müssen, dass er nicht in das Leben was er hier geführt hatte zurückkehren konnte. Er war nicht mehr derselbe und das Schicksal hatte andere Pläne mit ihm. Es war ein Gefühl als hätte sich eine Tür zu einem Ort geschlossen den man immer gern besucht hatte. Nun war dieser Weg abgeschnitten. Sicher konnte er auch heute stets ins Palancartals zurückkehren aber der Mittelpunkt seines Lebens hatte sich von dort weg verlagert und dieser Vorgang ließ sich nicht rückgängig machen.
Ähnlich emfand Eragon nun. Auch dieser Ort war ihm vertraut und er wusste, dass ihm seine Aufgaben immer wieder an diesem Punkt zurückführen würden aber es würde nie wieder so sein wie es einmal gewesen war. Er würde mit den neuen Herrschern verhandeln müssen die jetzt und in Zukunft den Thron innehaben würden. Das Gefühl welches er bei Nasuada stets hatte, nämlich eine alte Freundin wieder zu sehen die mit ihm die Erfahrungen des großen Krieges geteilt hatte, würde sich in Zukunft nicht mehr einstellen.
Inzwischen hatte Saphiras Reiter die Doppeltür erreicht, die ins Innere des Wohngebäudes führte. Durch sie betrat er die Vorhalle der Unterkünfte. An der gegenüberliegenden Seite des Raums war ein Kamin in die Wand eingelassen und vor ihm einige bequeme Sessel platziert. In einem dieser Sessel entdeckte Eragon Murtagh.
Sein älterer Bruder saß in dem bequemen Möbelstück und starrte in die dunkle Feuerstelle. Aufgrund des warmen Wetters war der Kamin im Augenblick nicht beheizt.
Eragon war sich sicher, dass Murtagh weder die Erschütterung von Saphiras Landung entgangen war, noch das Dorn es versäumt hatte seinen Reiter über die Ankunft seines Bruders zu informieren. Daher unternahm er nicht den Versuch Murtaghs Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen sondern setzte sich schlicht in den Sessel, der im dunkelhaarigen Mann gegenüberstand.
Eine geraume Zeit lang reagierte Murtagh nicht auf die Ankunft seines jüngeren Bruders sondern starrte weiter ins Nichts. Schließlich jedoch wanderte sein Blick zur Eragon und zur Erleichterung des Jüngeren der beiden Drachenreiter zeigte sich ein schiefes grinsen auf den Zügen von Selenas ältestem Sohn.
"Willst du einfach nur da sitzen und nichts sagen?"
"Was gibt es denn deiner Meinung nach zu sagen?" erwiderte Eragon mit dem selben schiefen Grinsen. "Soll ich dir die sinnlose Frage stellen wie es dir zurzeit geht? Oder soll ich versuche mich für dumm zu verkaufen indem ich behaupte ich wüsste wie du dich jetzt fühlst?"
Das Lächeln auf Murtaghs Gesicht wuchs in die Breite und tatsächlich gelang es Eragon ihm ein leises Lachen zu entlocken.
"Man merkt dass du der Sohn eines Barden bis kleiner Bruder. Du redest wie ein Buch."
Nun musste auch Eragon Lachen und erwiderte:
"So bin ich eben. Poetisch und sentimental. Ich weiß dass du stark genug ist um mit allem allein fertig zu werden trotzdem bilde ich mir ein, dass es eine gute Idee ist, dich jetzt einfach nicht allein zu lassen. Selbst wenn du mich eigentlich gar nicht brauchst."
Wieder mussten bei der Reiter leise lachen.
"Danke." sagte Murtaghs schließlich schlicht.
"Jederzeit." gab Eragon schlicht zurück und war im gleichen Moment froh, dass er und sein älterer Bruder sich inzwischen wirklich so nahe standen, dass in der Tat nicht mehr nötig war.
Nach einem weiteren Moment des Schweigens war es Murtagh, der erneut das Wort ergriff.
"Sie wird mir fehlen."
Saphiras Reiter nickte nur stumm und ließ den Dunkelhaarigen weitersprechen.
"Es sind so viele kleine Dinge weißt du. Eine Frage die ich vorher mit ihr besprochen hätte oder ein Moment, in dem einen eine liebevolle Umrahmung die Kraft weiterzumachen. Bisher war es immer Nasuada die mir diesen Halt gegeben hat."
Wieder herrscht ein Augenblick Stille, dann fragte Murtagh:
"Hast du dir schon überlegt der mich in der Magierakademie vertreten soll?"
"Ich dachte an Cale und Ismira."
Murtagh nickte zufrieden.
"Das ist gut. Meine Nichte und ihr Gatte werden sicher alles in meinem Sinne regeln bis ich auf diesem Platz zurückkehre. Sind die beiden eigentlich immer noch mit den Wideraufbau von Edoc siel beschäftigt?"
Eragon nickte. Seit etwa drei Jahren war der Orden der Drachenreiter wieder auf eine so hohe Anzahl von Mitgliedern angewachsen, dass die Reiter damit beginnen konnten neue Außenposten in Alagaesia zu errichten. Das Palancartals hatte sich unter Rorans Herrschaft zu einem bedeutenden Wirtschaftszentrum entwickelt und deshalb machte es nur Sinn auch dort Präsenz zu zeigen. Der Uthgard, der stumme riesenhafte Wächter des Tals, war natürlich die perfekte Position für einen Außenposten des Ordens. Dennoch hatte es einiges an Diskussionen gegeben ob man die Festung wo Vrael gefallen war wieder errichten sollte. War sie nicht in gewisser Weise ein Monument für den letzten Anführer des alten Ordens?
Umaroth hatte diese Diskussion schließlich beendet. Er hatte erklärt, dass er sich keine schönere Würdigung seines Reiters vorstellen könnte als das wieder aufzubauen was Galbatorix zerstört hatte. Dies galt auch für die Festung an der Spitze des strategisch wichtigen Berges. Letztlich, so hatte der alte Drache aus einem Seelenhort heraus argumentiert, war die Wiederentstehung dieser Festung ein weiterer Sieg über den Verräter Galbatorix.
Cale und Ismira hatten sich bereit erklärt diesen Wideraufbau voranzutreiben und den Außenposten besetzt zu halten. Zum einen hatten die beiden Reiter ihre, damals noch anstehende Vermählung, in Ismiras Heimatdorf durchführen wollen und zum anderen begrüßte es Eragons Nichte ihre Aufgaben als Reiterin in der Nähe ihrer Eltern nachkommen zu können.
"Du wirst den beiden übrigens auch Anweisungen geben können worauf du besonders Wert legst." fügte Eragon noch an. "Die beiden haben beschlossen ebenfalls zu diesem Anlass die Reise nach Ilirea auf sich zu nehmen."
"Gut." antwortete Murtagh schlicht.
"Du wirst also wieder den Norden bereisen?"
Murtagh bejahte die Frage seines Bruders mit einem Nicken.
"Du hast nicht zufällig vor einen See zu besuchen? Einen an dem man gut Angeln kann?"
Einmal mehr konnte Murtagh ein leises Lachen nicht unterdrücken. Er erhob sich aus dem Sessel und stützte sich mit einem Ellenbogen auf dem Kaminsims ab.
"Beim Angeln habe ich stets gute Ideen. Und an diesem gewissen sehen, den ich in der Tat besuchen möchte, habe ich schon einmal meine Gedanken ordnen und eine neue Richtung finden können. Vielleicht kann dieser Ort mir ein zweites Mal helfen."
Eragon erhob sich jetzt ebenfalls und trat zu seinem Bruder. Kurz überlegte er wie er das Wasser ausdrücken wollte am besten in Worte fassen konnte. Das Leben hatte aus Murtagh einen Mann gemacht, dem es nach wie vor schwer viel offen seine Gefühle zu zeigen. Auch hatte er es nicht gern wenn man ihn dazu zwang. Eragon beschloss daher durch die Blume zu sprechen:
"Nun, ich hoffe Du weißt, wodurch ich hinwenden kannst wenn..... sagen wir mal, die Fische einfach nicht beißen wollen. Wenn du verstehst was ich meine."
Murtagh lächelte schlicht und sagte: "Ich verstehe was du meinst und ich weiß auch an wen ich mich in so einem Fall wenden kann. Danke aber dass du mich noch einmal daran erinnerst."
Eragon lächelte und zog seinen Bruder in einer Umarmung. Kameradtschaftlich klopften sich die beiden Drachenreiter auf den Rücken und als sie sich wieder voneinander lösten betonte Eragon:
"Jederzeit, Bruder."

Eragon Buch 7 - Im Wandel der ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt