31. Das Begräbnis

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Marlena warf einen letzten Blick in den Spiegel ihres Quartiers und war zufrieden mit dem was sie sah. Ihr Vater Eragon hatte bereits festgelegt, dass die Drachenreiter sich in ihrer traditionellen Ordenskleidung präsentieren sollten.
Dazu gehörte ein warmes in der jeweiligen Farbe des individuellen Drachens, dunkle Hosen und Stiefel sowie einen Umhang mit Kapuze der den Stand des jeweiligen Reiters in der sie des Ordens durch seine Farbe deutlich machte. An der Vorderseite des Umhangs trug jeder Reiter einen Anstecker der das Wappen des Ordens darstellte und auf der Rückseite des Umfangs der dieses Wappen ebenfalls mit goldenem Garn eingestickt. Abgerundet wurde das Erscheinungsbild durch das Schwert, dass jeder vollwertige Reiter mit sich trug.
Für Marlena war es noch etwas Neues, dass ihr Umgang nicht mehr den sandfarbenen Ton einer Novizin hatte sondern nun das Braun eines vollwertigen Drachenreiters.
Wieder durchzuckte ein trüber Gedanke der junge Reiterin. Bei ihrer Ankunft in Ilirea war sie so übermächtig gewesen, dass sie sich sogar nicht vor einem in dunkelsten grau gehaltenen Umhang des Ältestenrats gefürchtet hätte. Nun jedoch schien ihr selbst dieser braune Umhang zu groß zu sein.
Unsicher blickte das Spiegelbild der junge Halbling aus der schillernden Oberfläche an. Das widerspenstige braune Haar, das Marlena von ihrem Vater geerbt hatte war zu einem eleganten Zopf geflochten und ein Stirnband aus goldenen und silbernen Fäden bändigte es noch zusätzlich.
- "Hör endlich auf zu grübeln kleine Halbling." - forderte Alonvy durch die geistige Verbindung. - "Es ist ganz gut, dass wir diese Stadt nach dem Begräbnis verlassen wollen. Du musst endlich begreifen, dass das ganze Leben nicht nur aus Verlust und Tod besteht. Zum Glück ist eine Cousine genau die richtige und dir das wieder beizubringen." -
Marlena schickte ihrer Drachendame einen liebevollen Gedanken und riss sich dann von ihrem Spiegelbild los. Alonvy hatte recht. Es brachte nichts sich in ihrem Zimmer zu verstecken. Das Begräbnis musste sie noch durchstehen und sie hielt es auch für ihre Pflicht gemeinsam mit den anderen Reitern die nach Ilirea gekommen waren Abschied von der verstorbenen Königin zu nehmen.
Eragon hatte bestimmt, dass die Reiter sich im Hof der königlichen Residenz treffen sollten. Die Quartiere der Drachenreiter lagen direkt neben dem Sitz des Herrscherpaars von Ilirea und durch einen Zugang in der Mauer konnte Marlena direkt den Vorhof des Palastes erreichen ohne über die offene Straße gehen zu müssen.
Es erleichterte Marlena etwas, als sie gerade noch einen kupferfarbenen Haarschopf durch selbigen Zugang verschwinden sah. Sie beschleunigte ihre Schritte und schaffte es tatsächlich Cale und Ismira noch einzuholen. Auch mit dem Garten ihrer Cousine verstand sich Marlena sehr gut und sie war froh, mit den beiden anderen Drachenreitern zu dem Treffen gehen zu können. Gesellschaft war etwas, auf das sie im Augenblick nicht verzichten wollte.
"Du willst etwas ängstlich Lenchen." erkundigte sich Ismira im Flüsterton während sie durch den Durchgang schritten.
"Du merkst auch alles Mirie." erwiderte die jüngere Drachenreiterin und entschied sich nicht auf ihren Kosenamen zu sprechen zu kommen. So sehr sie oft auch Wortgefechte mit ihrer Lieblingscousine genoss heute war sie nicht in der Stimmung.
"Was liegt dir denn schwer im Magen?" wollte Cale von seiner Schwägerin wissen.
Marlena schmunzelte in sich hinein. Ohne Umschweife direkt auf den Punkt! So war der Gatte ihrer Cousine eben. Zwar behauptete Ismira steif und fest, dass Cale in seiner Jugend so schüchtern gewesen wäre, dass er fast seine Zunge verschluckt hätte, aber das konnte sich Marlena nicht wirklich vorstellen. Wenn man es als Sohn eines Buchbinders fertig brachte das Herz einer Gräfin zu gewinnen konnte man das doch nicht durch Zurückhaltung erreichen, oder?
"Alles und nichts." antwortete der junge Reiterin schließlich. "Ich finde es falsch und ein wenig ungerecht, dass wir überhaupt zu so einem Begräbnis gehen müssen aber ich glaube vor allem habe ich Angst den Orden zu blamieren. Ich habe das Gefühl jeden Augenblick über meine eigenen Füße zu stolpern."
"Unsinn!" Sagte eine freundliche aber selbstsichere Stimme die ihnen aus Richtung des Palastes entgegenwehte.
Marlenas Mutter Arya trat auf die Gruppe zu und legte die Hände auf den Schultern ihrer Tochter.
"Erstens stolpern meine Tochter nicht über ihre Füße und zweitens, wenn es doch passieren sollte, sind wir alle da um dich aufzufangen."
Von Herzen erwiderte Marlena das Lächeln ihrer Mutter und genoss es ihre warmen Hände auf ihre Schulter zu spüren.
Arya indessen wandte sich an alle Mitglieder der Gruppe.
"Arget Un Eragon hat mich gebeten euch entgegen zu gehen und euch über den weiteren Ablauf zu informieren. Die Zeremonie wird nämlich gleich beginnen."
Sowohl Aryas Tonfall als auch die Tatsache, dass sie Eragons formellen Titel benutzte machte allen Zuhörern sofort klar, dass nun der offizielle Teil folgte.
"Es wird einen Trauerzug durch die Stadt geben." begann die Elfe ihre Erklärung. "Das Volk soll Gelegenheit erhalten sich von Nasuada zu verabschieden. Ihr eigentliches Mausoleum ist in einem kleinen Park errichtet worden unweit des Palastes."
Marlena wusste sofort um welchen Park es sich handelte. Es war die kleine Grünanlage die sie bei ihrer Ankunft in Ilirea besucht hatte bevor man sie "zum Palast geleitete." Es war ein sehr passender Ort wie die junge Halbling fand. Unter der Herrschaft des Tyrannen Galbatorix war es eine grausame Hinrichtungsstätte gewesen und nun ein Ort des Neubeginns und des Lebens. Nasuada will ihre letzte Ruhe in einem Umfeld finden dass der lebender atmende Beweis für ihre großen Leistungen war.
Marlena hörte ihrer Mutter weiter zu wie diese Einzelheiten erklärte. Jedes Volk sollte die Gelegenheit bekommen der verstorbenen Herrscherin etwas mit auf den Weg zu geben. Nasuadas Leichnam hatte man in einem edlen Sarg auf einem Pferdewagen gelegt, der von zwei Ängsten gezogen wurde die von ihrem ehemaligen Schlachtross Donnerkeil abstammen. Mit ihr auf dem Wagen würde nur ihr Sohn Jalhod und seine Gattin Königin Sheva sein.
Es war vorgesehen, dass die Drachenreiter direkt hinter dem Fuhrwerk Aufstellung nahmen. Die Spitze bildeten Eragon und Murtagh ihnen folgten Arya und der Zwerg Burod. Sie bildeten die Spitze der sie Mitglieder des Ältestenrates waren. Die Ausnahme bildet natürlich Marlenas Onkel Murtagh aber er war trotzdem eines der ältesten und angesehensten Mitglieder des Ordens. Nicht zuletzt war er schließlich auch Nasuadas Gatte gewesen und deshalb zweifelte niemand diesen Ehrenplatz an.
Gleichauf, in einer Dreierreihe, würden dann die vollwertigen Reiter den Oberort des Ordens folgen. Marlena würde also Seite an Seite mit Cale und Ismira den vorgesehenen Weg abschreiten.
Die nächste Abteilung bildeten die Herrscher die angereist waren um Nasuada die letzte Ehre zu erweisen. Orik als König der Zwerge, die Elfen vertreten durch Aryas Bruder Aylon, der derzeitige Großnar der Gehörnten Ulrugarth sowie der derzeitige Botschafter von Surda. Den Gekröntenhäuptern folgten Abordnungen von Handelsgilden, den unabhängigen Städten des Imperiums und der Nomadenstämme. Den Abschluss des Zuges bildete schließlich ein Bataillon der Nachtfalken.
Aus Platzgründen würden die Drachen der Reiter während der Feier über der Stadtkreisen und auch ihnen war die Möglichkeit gegeben während des eigentlichen Begräbnis es der Königin Respekt zu zollen.
"Saphira hat darum gebeten gemeinsam mit den anderen Drachen ein Geschenk im Namen des Drachenvolkes und des Ordens übergeben zu dürfen." erklärte Arya abschließend während die Gruppe nun aus den Durchgang auf den Vorhof des Königspalastes trat. "Es möge mich bitte keiner von euch danach fragen um was für ein Geschenk es sich handeln wird. Die Drachendame meines Gefährten versteht es hervorragend in diesem Punkt Geheimnisse zu bewahren. Ich zweifle aber nicht daran, dass Saphira und die anderen Sculblaka etwas würdiges und angemessenes vorgesehen haben."
Damit beendete Arya ihre Ausführungen und reihte sich wie auch die übrigen Drachenreiter in den Trauerzug ein. Das flaue Gefühl in Marlenas Magen kehrte, nachdem ihre Mutter sie kurzzeitig abgelenkt hatte, zurück. Es besserte die Gemütsverfassung der junge Halbling nicht, das es ihr nicht gelang den Blick ihres Onkels Murtagh einzufangen. Dessen grauer Augen waren standhaft auf den Sarg seiner Gattin gerichtet.
Als hätte Eragon jedoch die Not seiner Tochter gespürt legte er Marlena zu und lächelte aufmunternd. Diese Geste von Vertrautheit und ein tiefer Atemzug festlegten den Entschluss der Drachenreiterin diese Zeremonie nun mit Würde zu begehen.

Eragon Buch 7 - Im Wandel der ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt